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Ja, Venedigs Bürgermeister sagte 2017, er wolle Menschen, die auf dem Markusplatz „Allahu Akbar“ rufen, erschießen lassen

Zurzeit wird ein Artikel von Tag24 häufig bei Facebook geteilt, der bereits 2017 erschienen ist. Darin geht es um Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro. Er hatte im August 2017 gesagt, dass er Menschen, die auf dem Markusplatz „Allahu Akbar“ rufen, erschießen lassen wolle. 

von Bianca Hoffmann

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Wer auf dem Markusplatz in Venedig „Allahu Akbar“ ruft, solle erschossen werden, sagte Luigi Brugnaro 2017 im Rahmen einer Pressekonferenz. (Symbolfoto: EdiHoch/Pixabay)
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Richtig. Die Aussage wurde 2017 tatsächlich von Luigi Brugnaro getroffen, wurden aber nach Angaben der Pressestelle Venedigs aus dem Zusammenhang gerissen. 

Hat Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro gesagt, er wolle Menschen sofort erschießen lassen, wenn sie auf dem Markusplatz Allahu Akbar“ rufen? Davon handelt ein Artikel des Nachrichtenportals Tag24, der laut dem Analysetool Crowdtangle mehr als 14.000 Mal auf Facebook geteilt wurde. In den vergangenen Wochen tauchte er wieder verstärkt auf Facebook auf, unter anderem am 23. Dezember auf der Facebook-Seite von Markus Bayerbach, der für die AfD in Bayern im Landtag sitzt. 

Der Artikel erschien bereits am 24. August 2017. Als Quelle gibt Tag24 die britische Boulevardzeitung The Sun an. 

Unsere Recherche zeigt: Der Bürgermeister von Venedig hat tatsächlich 2017 eine solche Aussage getroffen. Unklar ist, ob es sich um eine reale Forderung handelte. Wir konnten durch eine Google-Suche keine Medienberichte darüber finden, dass sie umgesetzt wurde.  

Der Landtagsabgeordnete Markus Bayerbach (AfD Bayern) hat den Text von Tag24 zweieinhalb Jahre nach Erscheinen auf seiner Facebook-Seite geteilt. (Screenshot: CORRECTIV)

Die Äußerung Brugnaros fiel bei einer Sommerkonferenz in Rimini, auf der die Bürgermeister verschiedener Städte vor allem über Demografie und Familien sprachen. Venedigs Bürgermeister erinnerte an den Anschlag am 13. November 2015 in Paris, bei dem eine junge Frau aus Venedig ums Leben gekommen war. Und nur wenige Tage vor der Konferenz in Rimini hatte es in Barcelona am 17. August 2017 einen islamistischen Terroranschlag gegeben. 

Das Zitat des venezianischen Bürgermeisters sorgte damals international für ein großes Medienecho. Unter anderem berichtete die britische The Times über den Vorfall. 

Was genau hat Luigi Brugnaro gesagt?

Die venezianische Lokalzeitung La Nuova di Venezia schrieb am 22. August 2017, dass Luigi Brugnaro in Rimini gesagt habe: „Wenn jemand auf dem Markusplatz ‘Allahu Akbar’ ruft, werden wir ihn erschießen.“ 

Eine zweite Version des Zitats in dem Artikel von La Nuova di Venezia lautet: „Wir müssen den Terrorismus hier in Italien besiegen, wir verstärken unsere Verteidigung, und ich sage, wenn jemand anfängt, auf der Piazza San Marco zu rennen und ‚Allah Akbar‘ ruft, werden wir ihn in drei Schritten niederschießen.“

Fast der gleiche Wortlaut  findet sich auch in diesem Youtube-Video und in einem Protokoll des Rimini-Treffens vom 22. August 2017. 

Brugnaro sagte demnach: „Weißt du noch, sagte ich zu einem Journalisten, wenn du auf der Piazza San Marco rennst und ‘Allahu Akbar’ rufst, werden wir dich erschießen, das heißt, wir werden dich erschießen, wir werden Scharfschützen haben, wir werden dich erschießen, wir haben unsere Verteidigung erhöht […]. Du gehst zum Markusplatz und rufst ‘Allahu Akbar’, wir schießen dich nach drei Schritten nieder. Wir haben die Verteidigung erhöht. Jetzt werden wir sie wieder erhöhen, weil wir der Stadt das Gefühl geben müssen, dass wir da sind, dass wir reagieren wollen.“

Von der Teilnahme des Bürgermeisters bei der Konferenz wurde in einer Pressemitteilung der Stadt Venedig berichtet. Darin steht allerdings nichts über Terrorismusabwehr oder ob die Behauptung, wer „Allahu akbar“ rufe, werde erschossen, eine Forderung war, die auch umgesetzt wurde. Eine Google-Suche nach „Allahu Akbar“ auf der Webseite der Gemeinde Venedig führte zu keinem Treffer.  

Sprecher des Bürgermeisters: Zitat wurde aus dem Zusammenhang gerissen

Auf eine Anfrage von CORRECTIV an die Stadt Venedig antwortete Sprecher Alessandro Bertasi per E-Mail. Er schreibt, die zitierten Sätze seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. „Die zitierten Sätze wurden aus einem viel weiteren Kontext genommen [estrapolate], der den Zuhörer gut in das eigentliche Ziel dieser Worte einführte. Die Stadt Venedig, die noch immer vom Tod der Mitbürgerin Valeria Solesin im Bataclan in Paris betroffen ist, stellt einen symbolischen Ort für die ganze Welt dar und ist daher leider ein sehr attraktiver Ort für mögliche Terroranschläge.“ (Übersetzung: Google Translate.)

E-Mail von Alessandro Bertasi, Pressesprecher der Stadt Venedig. (Screenshot: CORRECTIV)

2017 sei kurz vor der Sommerkonferenz in Rimini der Plan einer Terrorzelle vereitelt worden, die berühmte Rialto-Brücke zu sprengen. „Nach diesem Moment, in dem sich die Stadt dank der präzisen und pünktlichen Arbeit der Polizeikräfte vor einem schrecklichen Angriff gerettet hatte, wollte der Bürgermeister eine klare Botschaft an alle aussenden, die solche Taten in der Stadt Venedig durchführen wollten.”