Faktencheck

Karneval in Köln: Polizei kann „Hetzjagden“ von Migranten auf Deutsche nicht bestätigen

Mehrere Seiten zitieren in Artikeln einen angeblichen Augenzeugen, der während des Kölner Karnevals „Hetzjagden“ von 500 Migranten auf Deutsche beobachtet haben will. Das kann die Polizei nicht bestätigen. Es gab aber Ausschreitungen zwischen Jugendlichen.

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Während des Karnevals in Köln soll es angeblich „Hetzjagden“ von Migranten auf Deutsche gegeben haben, berichtet ein Augenzeuge. Die Polizei kann das nicht bestätigen. (Symbolbild: Pixabay / MichaelGaida)
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Unbelegt. Es gab während des Kölner Karnevals Ausschreitungen zwischen hunderten Jugendlichen. Dass es sich dabei um „Hetzjagden“ von Migranten auf Deutsche gehandelt habe, kann die Polizei aber nicht bestätigen.

Der Blog Philosophia Perennis zitiert in einem Artikel vom 28. Februar einen angeblichen Augenzeugen, der während des Karnevals in Köln jugendliche Migranten bei einer „Hetzjagd“ auf jugendliche Deutsche beobachtet haben will. Die Person, die nur „Die Stahlfeder“ genannt wird, hatte zuvor auf dem Blog 1984 einen Artikel mit dem Titel „Die verschwiegenen Hetzjagden von Köln – 500 Migranten jagten Deutsche!” veröffentlicht. 

Weitere Seiten haben den Artikel von 1984 aufgegriffen: Unter anderem erschien ein Text mit ähnlicher Überschrift bei der AfD-nahen Zeitung Deutschland-Kurier. Ein Video des rechten Youtubers Oliver Flesch zu dem Thema wurde auf Youtube wegen „Hassrede“ gelöscht, ist aber bei 1984 noch zu sehen. 

Der Artikel von Philosophia Perennis wurde laut dem Analysetool Crowdtangle mehr als 1.200 Mal auf Facebook geteilt, der Artikel von 1984 mit Video 1.300 Mal.

Tatsächlich gab es in Köln laut Polizei an zwei Abenden im Februar Auseinandersetzungen, an denen mehrere hundert Jugendliche beteiligt waren. Über deren Nationalitäten ist aber nichts bekannt – und auch „Hetzjagden” kann die Polizei Köln nicht bestätigen.

Polizei Köln bestätigt Ausschreitungen am Zülpicher Platz 

Wie die Polizei mitteilte, kam es sowohl am Freitag, 21. Februar, als auch am Samstag, 22. Februar, zu Ausschreitungen am Zülpicher Platz in Köln. Demnach seien freitags etwa 500 Jugendliche und samstags nochmal etwa 350 junge Menschen – „die meisten schätzungsweise zwischen 16 und 18 Jahren“ – aneinandergeraten. Die Jugendlichen hätten sich auf dem Platz und in der Umgebung versammelt und Alkohol getrunken, bevor die Stimmung umschlug, schreibt die Polizei in dem einen Bericht. Einige Jugendliche seien leicht verletzt worden. Beim Einschreiten seien zudem die Beamten teilweise selbst angegriffen und verletzt worden.

Auf Anfrage von CORRECTIV schreibt ein Polizeisprecher per E-Mail, die Stimmung sei „aggressiv“ gewesen: „Nach Schilderungen von Zeugen soll es zu mehreren Schlägereien gekommen sein. Um die Situation an beiden Tagen zu beruhigen, schritten die Polizisten vor Ort ein und räumten die Platzfläche. Auf Ansprache verließen einige Feiernde freiwillig die Platzfläche. Weitere Personen erhielten Platzverweise.“

Laut Polizei waren die meisten Jugendlichen „merklich alkoholisiert“

In dem Artikel auf Philosophia Perennis schildert der angebliche Augenzeuge: Die „Angreifer“ – in seinen Augen „Moslems“ – seien nicht alkoholisiert gewesen, „sondern sind gezielt auf kostümierte deutsche Jugendliche und Feiernde losgegangen, die was getrunken hatten oder auf dem Weg waren, es zu tun.“

Die Polizei schreibt uns dazu per Mail: „Zum überwiegenden Teil handelte es sich um Jugendliche, die merklich alkoholisiert waren.“

Auszug aus der Mail der Polizei Köln an CORRECTIV. (Screenshot: CORRECTIV)
Auszug aus der Mail der Polizei Köln an CORRECTIV. (Screenshot: CORRECTIV)

Allerdings sagte Polizeisprecher Thomas Held im Interview mit dem WDR (Facebook-Video vom 15. Februar)  zu den Vorfällen am Zülpicher Platz: „Wir sehen das leider relativ häufig, dass Kleingruppen sich unter die Feiernden mischen, die trinken keinen Alkohol, die feiern auch nicht mit, sondern die gucken: Wo kann ich hier Eskalation herbeiführen? Wo kann ich eine Körperverletzung oder eine Schlägerei herbeiführen?“

Die Nationalitäten der Jugendlichen wurden nicht erfasst

Für die Behauptung, dass es Menschen „aus dem islamisch geprägten Migranten-Milieu“ waren, gibt es jedoch keine Belege. Ebensowenig dafür, dass die Opfer angeblich alle „Biodeutsche“ waren. Vor allem die Behauptung in dem Text von 1984 über „500 Migranten“, lässt sich aus dem, was über die Vorfälle bekannt ist, nicht ableiten.

Die Frage nach der Nationalität der Jugendlichen kann die Polizei nicht beantworten: „In beiden Fällen stellten die Beamten nicht die Personalien der Betreffenden fest, da es sich um Maßnahmen der Gefahrenabwehr handelte und sich die Lage beruhigte, sobald die Menschen sich in unterschiedliche Richtungen verteilt hatten“, schreibt ein Sprecher in der Mail an CORRECTIV.

„Hetzjagden“ kann ein Polizeisprecher nicht bestätigen

Zu der Behauptung, es habe „Hetzjagden gegen Deutsche“ gegeben, antwortet der Sprecher per E-Mail auf unsere erneute Nachfrage: „Kann ich so nicht bestätigen.“

Insgesamt wurden der Polizei Köln nach eigenen Angaben am 21. Februar „weniger als 20“ und am 22. Februar „etwa ein Dutzend“ Straftaten gemeldet – die meisten davon wegen Körperverletzung. In elf davon ermittelten die Beamten Tatverdächtige. Darunter seien acht Deutsche, ein Tunesier und zwei Staatsangehörige der Demokratischen Republik Kongo.

Die Polizei Köln schreibt in der Mail an CORRECTIV, unter den elf ermittelten Tatverdächtigen vom 21. und 22. Februar seien acht Deutsche. (Screenshot: CORRECTIV)
Die Polizei Köln schreibt in der Mail an CORRECTIV, unter den elf ermittelten Tatverdächtigen vom 21. und 22. Februar seien acht Deutsche. (Screenshot: CORRECTIV)