Faktencheck

Falsche Tipps in Whatsapp-Kettenbrief: Luft anhalten oder Wasser trinken helfen nicht gegen das Coronavirus 

Sie tauchte in den USA, in Asien und auch Deutschland auf – eine Nachricht mit angeblichen Tipps, wie man sich vor dem neuen Coronavirus schützt. Unzählige Menschen leiten die Hinweise aktuell weiter. Sie sind jedoch falsch. 

von Alice Echtermann

Whatsapp Kettenbrief
Über Whatsapp verbreiten sich Falschnachrichten zum Coronavirus. (Symbolbild: NurPhoto / picture alliance)
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Falsch. Die Tipps verhindern keine Infektion mit dem Coronavirus oder geben Hinweise auf eine Ansteckung.

Mehrere Leser haben uns in den vergangenen Tagen auf eine Nachricht hingewiesen, die vor allem über Whatsapp, aber auch auf Facebook verbreitet wird. Der „Kettenbrief“ enthält mehrere Tipps, wie man angeblich verhindert, sich mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2) anzustecken – oder wie man erkennt, ob man bereits infiziert ist. 

Faktenchecker auf der ganzen Welt haben sich bereits damit befasst und sind zu dem Ergebnis gekommen: Die Hinweise sind falsch und irreführend. 

Die Nachricht auf Whatsapp beginnt auf Deutsch mit den Worten: „So werden die Menschen in Kanada informiert.“ Danach folgen mehrere Behauptungen über das Coronavirus und die Lungenkrankheit Covid-19. Wir gehen hier einzeln auf sie ein.

Facebook-Post mit Kettenbrief
Ein Facebook-Post mit Screenshots des Whatsapp-Kettenbriefs. (Screenshot: CORRECTIV)

1. Behauptung: Die Inkubationszeit des Coronavirus betrage bis zu 20 Tage, bevor Symptome auftreten.

Das ist falsch. Laut WHO liegt die Inkubationszeit zwischen einem Tag und 14 Tagen, am häufigsten seien rund fünf Tage. Das Robert-Koch-Institut nennt identische Zahlen. 

Inkubationszeit des Coronavirus
Angaben der WHO zur Inkubationszeit des Coronavirus. (Screenshot: CORRECTIV)

2. Behauptung: Wenn man mit Fieber und Husten ins Krankenhaus gehe, sei die Lunge „normalerweise zu 50 Prozent fibrös und es ist recht spät“. 

Dafür gibt es keine Belege. Fibrose ist ein Überbegriff für Lungenerkrankungen, bei denen sich – oft aufgrund einer chronischen Entzündung – Bindegewebe in der Lunge bildet („Narbenlunge“). Wie uns eine Sprecherin des Lungeninformationsdienstes des Helmholtz-Zentrums München per E-Mail mitteilte, vergehen laut Experten nach den ersten Symptomen oft zwei Jahre, bis die Diagnose „Lungenfibrose“ gestellt wird. 

Das passt nicht mit dem zusammen, was über das Coronavirus bekannt ist. Nach der Infektion mit dem Virus tritt die Krankheit laut Robert-Koch-Institut im Mittel (Median) nach fünf bis sechs Tagen auf. Bei den in Deutschland gemeldeten Fälle waren die häufigsten Symptome (58 Prozent), Fieber (43 Prozent) und Schnupfen (38 Prozent). In China sei das häufigste Symptom Fieber gewesen (über 80 Prozent), gefolgt von Husten und Kurzatmigkeit. Die Krankheit verlaufe in etwa 80 Prozent der Fälle mild, also ohne Pneumonie (Lungenentzündung). 

In den Informationen des Robert-Koch-Instituts zum Coronavirus ist nirgends von Fibrose die Rede. Allerdings gibt es einen Artikel im medizinischen Journal Precision Clinical Medicine vom 11. Februar, in dem es heißt, die Infektion mit dem neuartigen Coronavirus könne manchmal mit Fibrose einhergehen.

3. Behauptung: Wenn man zehn Sekunden die Luft anhalten könne, ohne Beschwerden oder Husten, bedeute das, man sei nicht mit dem Coronavirus infiziert. 

Einen solchen Selbsttest, der laut dem Kettenbrief angeblich von „taiwanesischen Experten“ empfohlen wird, gibt es nicht. Das Taiwan Fact-Check Center hat die Behauptung schon im Februar überprüft und zwei Experten befragt. Beide hatten von einem solchen Vorgehen noch nicht gehört, einer bezeichnete den Hinweis als falsch. 

Weder bei der WHO noch beim Robert-Koch-Institut wird ein solcher Test erwähnt. Das Bundesgesundheitsministerium schreibt generell: „Ein Schnelltest, mit dem eine Bestätigung der Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 eigenhändig durchgeführt werden kann, in etwa analog zu einem Schwangerschaftstest, existiert nicht.“ 

Die häufigsten Symptome von Covid-19 sind laut WHO Fieber, Müdigkeit und Husten. Aber auch eine laufende Nase kann ein Symptom sein, ebenso wie Schmerzen, eine zugeschwollene Nase, Halsschmerzen oder Durchfall. Auf diese Symptome sollte man also achten. Nur bei einem von sechs Patienten, die schwer krank werden, treten laut WHO Atemprobleme auf.

Symptome von Coronavirus
Hinweis der WHO zu möglichen Symptomen der Krankheit. (Screenshot: CORRECTIV)

4. Behauptung: Man solle alle 15 Minuten einen Schluck Wasser trinken, um das Virus vom Mund in den Magen zu spülen, wo es durch Magensäure getötet werde. Ansonsten könne das Virus über die Luftröhre in die Lunge gelangen.

Das ist falsch. Viel Wasser zu trinken ist zwar generell gesund. Laut WHO kann es jedoch eine Infektion mit dem Coronavirus nicht verhindern. Das teilte die Organisation bereits am 8. Februar auf Twitter mit. Ebensowenig helfe es, Alkohol zu trinken.  

Der Hinweis, dass das Virus über die Luftröhre in die Lunge gelangen könnte, ist irreführend. Laut Robert-Koch-Institut ist der häufigste Infektionsweg wahrscheinlich die Tröpfcheninfektion (Speicheltröpfchen durch Niesen, Husten oder Sprechen). Aber auch eine Infizierung über die Bindehaut der Augen könne möglich sein. 

Anders ausgedrückt: Ist das Virus erst einmal im Körper, gibt es keinen Weg, die Infektion durch Trinken zu verhindern. 

Die Falschnachricht macht international Karriere

Wir haben die drei Behauptungen zu Fibrose, Luft anhalten und Wasser trinken auch David Heymann, Gesundheitsexperte der WHO, mit einer Bitte um eine Einschätzung geschickt. Seine Antwort per E-Mail: „Es gibt keine wissenschaftlichen Belege für irgendeine dieser drei Behauptungen.“

Statement David Heymann
Die Antwort von David Heymann (WHO) auf die Anfrage von CORRECTIV. (Screenshot: CORRECTIV)

Dennoch geht der Kettenbrief um die ganze Welt. Folgende Faktencheck-Organisationen haben sich bereits mit denselben Behauptungen befasst:

Außerdem berichtete Motherboard, dass die Nachricht in den USA mit der Stanford University als angeblicher Quellenangabe verbreitet werde. Laut AFP tauchte die Behauptung, man könne sich selbst testen, indem man zehn Sekunden die Luft anhalte, auf Englisch in den USA, Nigeria und Indien auf und kursierte auch in Kambodscha. Auch in Deutschland haben Medien bereits vor den Kettenbriefen gewarnt (Mimikama) oder die Behauptungen überprüfen lassen (MDR). 

Alle Faktenchecks kommen zu dem Ergebnis, dass die Ratschläge nicht gegen das Coronavirus helfen. 

Update, 17. März 2020: Wir haben im Text die fehlende Information ergänzt, dass sich die am häufigsten gemeldeten Symptome auf Krankheitsfälle in Deutschland bezogen.