Faktencheck

Nein, Angela Merkel wusste nicht schon 2013 von der aktuellen Coronavirus-Pandemie

Ein Artikel von „MZW-News“ behauptet, das Coronavirus sei absichtlich freigesetzt worden, um die Wirtschaft zu schwächen – und die Bundeskanzlerin habe dies seit 2013 gewusst. Das ist falsch.

von Alice Echtermann

Coronavirus
Es gibt keine geheime Vorhersage zur aktuellen Coronavirus-Pandemie. (Symbolbild: picture alliance / ZUMAPRESS)
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Falsch. Angela Merkel wusste 2013 nichts von der aktuellen Coronavirus-Pandemie. 

Ein Artikel von MZW-News verbreitet unter der Überschrift „Was Angela Merkel den Deutschen verschweigt“ aktuell Spekulationen über den Ausbruch des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2. Er sei angeblich geplant gewesen, um die schwächelnde Wirtschaft in den Abgrund zu treiben – und Angela Merkel habe davon seit 2013 gewusst. 

Als angeblichen Beleg zieht der Artikel eine Bundesdrucksache aus dem Jahr 2013 heran. Darin sei angeblich der Ablauf der aktuellen Pandemie ganz genau beschrieben. Der Artikel wurde laut dem Analysetool Crowdtangle bereits mehr als 6.900 Mal auf Facebook geteilt. Die Behauptungen darin sind falsch.

Die Webseite MZW-News verbreitet sonst unter anderem antisemitische und den Nationalsozialismus verharmlosende Beiträge.  

Artikel vom MZW-News
Auszug aus dem Artikel von MZW-News vom 22. März. (Screenshot: CORRECTIV)

Bei der zitierten Drucksache handelt es sich um den „Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012“, der 2013 dem Bundestag vorgelegt wurde. Wie CORRECTIV bereits in einem anderen Faktencheck recherchiert hat, handelte es sich dabei nicht um einen „Geheimplan“ oder eine Vorhersage der aktuellen Pandemie. Sondern um eine Analyse einer hypothetischen Pandemie mit einem ausgedachten Virus namens „Modi-SARS“. 

Der öffentlich zugängliche Bericht stammt vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und sollte der besseren Prävention einer Virus-Pandemie dienen.

Der hypothetische Erreger „Modi-SARS“ war eng an das SARS-Virus angelehnt, das im Februar 2003 erstmals identifiziert wurde. Das aktuelle Coronavirus SARS-CoV-2 ist ebenfalls eng mit diesem alten Virus verwandt. 

Es war keine Vorhersage

Wie uns eine Sprecherin des BBK per E-Mail mitteilte, dienen solche Risikoanalysen der Vorbereitung auf Gefahren. Das Bundesamt hat seit 2012 mehrere Analysen veröffentlicht, beispielsweise zu einem Wintersturm (2013), einer Sturmflut (2014) und einer Dürre (2018). Alle Analysen sind auf der Webseite des BBK abrufbar.

Das RKI bestätigt auf Anfrage von CORRECTIV per E-Mail: „Bei dem damaligen Szenario Modi-SARS handelte es sich NICHT um eine Vorhersage der Entwicklung und der Auswirkungen eines pandemischen Geschehens, sondern um ein Maximalszenario ausgelöst durch einen fiktiven Erreger, um das theoretisch denkbare Schadensausmaß einer Mensch-zu-Mensch übertragbaren Erkrankung mit einem hochvirulenten Erreger zu illustrieren und die hiervon betroffenen Bereiche zu sensibilisieren.“

Risikoanalyse unterscheidet sich auch von der aktuellen Pandemie

Der Risikobericht 2012 war also ein solches theoretisches Szenario. Tatsächlich wurde darin angenommen, dass sich das Virus „Modi-SARS“ von Asien her ausbreitet (Seite 58 bis 60). Er weist aber in einigen Punkten auch große Unterschiede zu der aktuellen Pandemie mit SARS-CoV-2 auf. 

So nahmen die Autoren in der Risikoanalyse an, dass alle Altersgruppen gleich betroffen wären (Seite 58). Zudem ging sie davon aus, dass zehn Prozent der Erkrankten sterben würden (Seite 64). Bei der aktuellen Covid-19-Pandemie zählen ältere Personen (ab etwa 50 bis 60 Jahren) nach Angaben des RKI zur Risikogruppe für schwere Verläufe (unter Punkt 2). Sie sind also stärker betroffen als jüngere Menschen. 

Über die Letalität – also den Anteil der Verstorbenen an den Erkrankten – gibt es laut Robert-Koch-Institut noch keine verlässlichen Daten (unter Punkt 8), weil nicht klar ist, wie viele Menschen momentan insgesamt erkrankt sind. Zum Anteil der Verstorbenen an den bisher erfassten Erkrankten liefern Studien sehr unterschiedliche Zahlen, je nach Region, schreibt das Institut. Alle Angaben liegen jedoch deutlich unter den hypothetischen zehn Prozent der Risikoanalyse aus dem Jahr 2012.

Auch für in dem Artikel von MZW-News verbreitete Behauptung, das Coronavirus stamme aus einem Labor in Wuhan gibt es übrigens keinerlei Belege. Eine große Gruppe von Wissenschaftlern – darunter auch der deutsche Virologe Christian Drosten – hat jedoch bereits am 19. Februar im Journal The Lancet ein Statement veröffentlicht und darin betont, die „Verschwörungstheorien“, dass das Virus keinen natürlichen Ursprung habe, seien haltlos. Sie würden nur Angst, Gerüchte und Vorurteile schüren: „Wissenschaftler aus mehreren Ländern haben das Genom des Virus SARS-CoV-2 analysiert und veröffentlicht, und sie kommen mit überwältigender Mehrheit zu dem Schluss, dass dieses Coronavirus seinen Ursprung in der Natur hat, wie so viele andere Erreger.“

Hinweis: Kurz vor Veröffentlichung dieses Artikels wurde der Text von MZW-News verändert und ergänzt um Aussagen des Mediziners Sucharit Bhakdi. Diese wurden bereits von den Faktencheckern der DPA entkräftet.