Faktencheck

Rechtsmediziner Klaus Püschel hat nicht gesagt, dass „nie“ ein gesunder Mensch am Coronavirus gestorben ist

Laut einem Beitrag auf Facebook sagte der Rechtsmediziner Klaus Püschel angeblich, dass nie ein gesunder Mensch an SARS-CoV-2 gestorben sei. Das Zitat hat er nicht so gesagt – und inhaltlich ist es auch nicht korrekt.

von Bianca Hoffmann

Klaus Püschel Hamburg
Der Rechtsmediziner Dr. Klaus Püschel kritisiert die Zählweise der Todesfälle durch Covid-19. (Foto: dpa)
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Größtenteils falsch. Der Facebook-Beitrag spitzt die Aussagen von Klaus Püschel zu und reißt sie aus dem Kontext.

Auf der Facebook-Seite „Frieden rockt“ wurde am 6. April ein Bild hochgeladen. Darauf ist ein angebliches Zitat von Klaus Püschel, Rechtsmediziner und Direktor des Hamburger Instituts für Rechtsmedizin, zu lesen: „Es ist nie ein gesunder Mensch an Sars-CoV-2 gestorben. Alle Verstorbenen litten zuvor an schweren inneren Erkrankungen.“ 

Die Facebook-Seite hat im Text zum Bild noch weitere angebliche Zitate aufgeschrieben. Außerdem ist als Quelle für die Aussagen ein Artikel aus dem Hamburger Abendblatt verlinkt. 

Das Bild wurde bereits mehr als 2.000 Mal auf Facebook geteilt. Die Zitate des Rechtsmediziners stammen nicht wörtlich aus dem Artikel, sie wurden stark zugespitzt. Püschel hat nicht gesagt, dass „nie“ ein gesunder Mensch an Covid-19 gestorben sei. 

Dieses Zitat stammt nicht von Dr. Klaus Püschel. Es wurde aus dem Zusammenhang gerissen und verändert. (Screenshot: CORRECTIV)
Dieses Zitat stammt nicht von Dr. Klaus Püschel. Es wurde aus dem Zusammenhang gerissen und verändert. (Screenshot: CORRECTIV)

Rechtsmediziner hat das Zitat im Bild so nicht gesagt

Eine Google-Suche nach dem angeblichen Zitat von  Klaus Püschel lieferte keine relevanten Ergebnisse. 

In dem im Facebook-Beitraggenannten Text des Hamburger Abendblatts spricht der Mediziner über die bislang in Hamburg aufgetretenen Todesfälle im Zusammenhang mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2. Er sagte demnach, dass alle Verstorbenen, die die Rechtsmedizin in Hamburg untersucht habe, „an zuvor bestehenden schwerwiegenden inneren Erkrankungen litten. Zumindest hier in Hamburg sind keineswegs zuvor völlig gesunde Personen betroffen gewesen.“

Diese Aussage ähnelt zwar dem Zitat, das in dem Bild von „Frieden rockt“ verwendet wird, ist aber nicht gleich. Durch das Wort „nie“ und den fehlenden Bezug zu Hamburg wird der falsche Eindruck erweckt, Püschel habe eine Aussage über Covid-19-Todesfälle in ganz Deutschland oder gar weltweit getroffen. 

Eine Sprecherin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, an dem Klaus Püschel tätig ist, schreibt in einer E-Mail an CORRECTIV: „Das im unten genannten Facebook-Post Herrn Prof. Dr. Klaus Püschel zugeschriebene Zitat ist von Herrn Prof. Püschel weder geäußert noch autorisiert worden.“

Weitere Zitate werden verkürzt wiedergegeben

Neben dem auf dem Facebook-Bild zu lesenden Zitat enthält der Beitrag noch drei weitere Aussagen, die Püschel angeblich getroffen haben soll. Sie geben tatsächlich Aussagen Püschels aus Medienberichten wieder, teils aber verkürzt und ohne Kontext.

Das erste Zitat lautet: „Die Corona-Sterblichkeit wird sich nicht mal als Peak in der Jahressterblichkeit bemerkbar machen.“ Dieses Zitat findet sich nicht in dem Artikel im Hamburger Abendblatt. Allerdings hat Klaus Püschel es laut einem Artikel der Hamburger Morgenpost gesagt. Diese Meinung wurde von Püschel auch bei seinem Auftritt in der Talkshow von Markus Lanz am 9. April noch einmal bekräftigt (ab Minute 26:10). Es handelt sich um eine Zukunftsprognose, die aktuell nicht überprüfbar ist.

Das nächste Zitat lautet: „Ohne eine pathologische Untersuchung ist nicht festzustellen, ob es sich um ein Todesfall durch eine Coronainfektion handelt. In vielen Fällen hatte das Virus überhaupt nichts mit dem tödlichen Ausgang zu tun.“ Diese beiden Sätze kommen so ähnlich in dem Artikel des Hamburger Abendblatts vor, wurden aber gekürzt und stehen nicht unmittelbar nacheinander.

Die nächste Aussage Püschels gibt der Facebook-Beitrag so wieder: „’Für die Allgemeinbevölkerung besteht keine Gefahr’, betont der Pathologe, die Ausgangsbeschränkung hält er jedoch für gefährlich: ‘Ältere Menschen müssen körperlich aktiv bleiben, sonst steigt die Gefahr von Thrombosen und Embolien signifikant.’“ In dem Artikel im Hamburger Abendblatt finden sich diese Zitate sinngemäß wieder, aber sie wurden leicht verändert. Weggelassen wurde Püschels Aussage, die schwerwiegenden Verläufe beträfen die Risikogruppen. Dass er die Ausgangsbeschränkungen für gefährlich halte, sagte er nicht, wies aber auf das Risiko von Thrombosen und Embolien hin.   

Schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle können laut RKI auch bei gesunden Menschen vorkommen 

Die Ansichten von Klaus Püschel decken sich nur teilweise mit den Aussagen des RKI. Nach Angaben des Robert-Koch-Institutes gehören ältere Menschen und Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen sowie Raucher tatsächlich zu den Risikogruppen für einen schweren Verlauf von Covid-19. Von den in Deutschland Verstorbenen waren demnach 86 Prozent 70 Jahre alt oder älter. Aber: „Schwere Verläufe können auch bei Personen ohne bekannte Vorerkrankung auftreten und werden auch bei jüngeren Patienten beobachtet.“  

In einem epidemiologischen Bulletin des RKI von April 2020 wird anhand von Daten aus China erklärt, dass auch jüngere Menschen ohne Vorerkrankungen an Covid-19 gestorben sind (PDF, S. 7). Demnach hatten in einer Vergleichsstudie von 462 Fällen mit schwerem Verlauf in China 18 Personen keine Vorerkrankung. Vier von ihnen verstarben an Covid-19. 

In Frankreich starb eine 16-Jährige laut Medienberichten an den Folgen ihrer Erkrankung mit Covid-19. 

Dass die Verstorbenen zuvor völlig gesund waren, ist zwar selten – wie auch eine italienische Studie von Mitte März zeigt. Demnach hatten nur 0,8 Prozent einer Stichprobe von 355 gestorbenen Menschen keine einzige Vorerkrankung. Die meisten hatten beispielsweise Bluthochdruck oder Diabetes. 

In seinem Interview bei Markus Lanz berichtete der Rechtsmediziner Püschel, dass er auch bei Menschen unter 60, die positiv auf Covid-19 getestet wurden, zum Teil schwere Vorerkrankungen gefunden habe, obwohl diese den Verstorbenen vorher nicht bekannt gewesen seien. (Video, ab Minute 30:40) 

Trotzdem bedeutet eine Vorerkrankung nicht automatisch, dass die Menschen nicht an Covid-19 verstorben sind. 

Diskussionen, ob Todesursache bei vorerkrankten und alten Menschen wirklich Covid-19 war

Es wird aktuell viel darüber diskutiert, ob die Menschen, die als Covid-19-Todesfälle gezählt werden, tatsächlich alle an dem Coronavirus oder ein Teil nur mit ihm, also aus anderer Ursache, gestorben sind. Laut Lothar Wieler, dem Präsidenten des Robert-Koch-Institutes, „gilt jemand als Corona-Todesfall, bei dem eine Corona-Infektion nachgewiesen wurde.“ (Video, ab Minute 17:40)

Die Stadt Hamburg weist die Todeszahlen deshalb etwas anders aus als das Robert-Koch-Institut. Dort werden alle Covid-19-Todesfälle obduziert. „Nach den Angaben des RKI sind in Hamburg 59 Personen mit einer Covid-19-Infektion verstorben. Laut Angaben des Instituts für Rechtsmedizin konnte bereits bei 58 Personen die Covid-19 Infektion als todesursächlich festgestellt werden, heißt in einem Hamburger Lagebericht vom 14. April