Faktencheck

Keine Belege dafür, dass das Coronavirus „bei Hitze“ nicht länger als vier Minuten überlebt

In einem Artikel wird behauptet, das Coronavirus überlebe „bei Hitze“ nicht länger als vier Minuten. Daraus wird der Schluss gezogen, der Sommer werde die Ausbreitung stoppen. Dafür gibt es keine Belege.

von Kathrin Wesolowski

Headerbild Thermometer
Es gibt keine Belege, dass Sommerhitze zur Eindämmung des Coronavirus führt (Foto: Pixabay).
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Unbelegt. Es gibt keinen Beleg, dass heißes Wetter die Verbreitung von SARS-CoV-2 stoppt.

„Das Coronavirus überlebt bei Hitze nicht länger als vier Minuten“, lautet die Überschrift eines Artikels, der auf dem Blog Excite erschienen ist. Als Quelle dafür werden Aussagen des Virologen Gúbio Soares angegeben, die er im Interview mit der brasilianischen Zeitung Correio traf. Der Virologe behauptete darin, dass die Proteine, die das genetische Material schützten, unter Hitze litten und abgetötet würden. Einer der Gründe sei, dass Speichel auf Oberflächen sofort austrockne. Das brasilianische Klima werde also eine starke Ausbreitung des Virus verhindern.

Der Artikel wurde auf der Facebook-Seite von Excite erstmals am 18. März geteilt. Wann er veröffentlicht wurde, geht nicht aus dem Text hervor. Inzwischen wurde er schon mehr als 6.400 Mal auf Facebook geteilt.

Das Interview mit dem Virologen Gúbio Soares erschien sogar schon am 29. Februar. Damals war laut WHO gerade ein einziger bestätigter Fall von Covid-19 in Brasilien bekannt. Inzwischen zählt Brasilien 23.430 bestätigte Infizierte und 1.328 Todesfälle (Stand 15. April).

Auch Bild suggerierte Anfang März, dass die Sommerhitze die Verbreitung des neuartigen Coronavirus eindämme, wie es auch bei Grippeviren der Fall ist. 

Für die Behauptungen gibt es nach Recherchen von CORRECTIV keine Belege.

WHO: Covid-19 breitet sich auch in warmen Regionen aus

Auf unsere Anfrage per E-Mail antwortete die Weltgesundheitsorganisation (WHO), sie habe noch keine ausreichenden Informationen darüber, wie sich das Virus in verschiedenen Jahreszeiten und bei unterschiedlicher Temperatur verhalte. Sowohl Menschen in kalten und trockenen als auch in warmen und feuchten Gebieten seien von dem Virus betroffen. Zahlen der John-Hopkins-Universität zeigen, dass sich das Virus SARS-CoV-2 auch in warmen Regionen mit über 25 Grad Celsius wie beispielsweise Malaysia und den Philippinen verbreitet.

Die E-Mail von Stephanie Brickman, Pressesprecherin der WHO (Screenshot: CORRECTIV).
Die E-Mail von Stephanie Brickman, Pressesprecherin der WHO (Screenshot: CORRECTIV).

Auch das Robert Koch-Institut bestätigt uns per E-Mail, dass SARS-CoV-2 sich auch in Ländern mit tropischem Klima ausbreiten könne. Ob die Ausbreitung ähnlich stark wie in gemäßigtem Klima erfolge, könne man noch nicht eindeutig beantworten. Die empirischen Beobachtungen seien noch begrenzt, da die Pandemie erst seit einigen Monaten beobachtet werde.

E-Mail von Susanne Glasmacher, Pressesprecherin des Robert Koch-Instituts (Screenshot: CORRECTIV).
E-Mail von Susanne Glasmacher, Pressesprecherin des Robert Koch-Instituts (Screenshot: CORRECTIV).

Einige Studien zu dem Einfluss von Hitze auf den Krankheitserreger sind bereits vorhanden, kommen jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen. Laut einer amerikanischen Studie vom 17. Februar gibt es keinen Nachweis, dass Veränderungen des Wetters zu einer Abnahme der Fälle führen wird. Einer Studie chinesischer Forscher vom 10. März zufolge reduzieren warme Temperaturen und eine hohe Luftfeuchtigkeit die Verbreitung von Covid-19.

Diese Aussagen beziehen sich jedoch auf die Lufttemperatur, die selten über die menschliche Körpertemperatur von 37 Grad steigt – und diese hält das Virus nachweislich aus

Die Frage ist also, wann stirbt das Virus ab? Erste Hinweise gibt eine am 2. April im Journal The Lancet veröffentlichten Studie. Darin heißt es, das Virus sei in Zellkulturen sehr stabil bei 4 Grad, aber anfällig für Hitze. Wenn die Umgebungstemperatur auf 70 Grad erhöht wurde, wurde das Virus innerhalb von fünf Minuten inaktiviert.

Weitere Aussage des brasilianischen Virologen zu jungen Patienten irreführend

In dem Artikel wird der brasilianische Virologe Gúbio Soares zudem mit der Aussage zitiert, das Coronavirus verursache bei jüngeren Menschen nur einen milden Verlauf. 

Dazu schrieb uns das Robert Koch-Institut, dass auch jüngere Patienten ohne Vorerkrankungen schwere Verläufe der Krankheit erlebt hätten. Dennoch seien in Deutschland 86 Prozent der an Covid-19 Verstorbenen 70 Jahre alt oder älter.

Die E-Mail von Stephanie Brickman, Pressesprecherin der WHO (Screenshot: CORRECTIV).
Die E-Mail von Stephanie Brickman, Pressesprecherin der WHO (Screenshot: CORRECTIV).

Chinesische Forscher untersuchten zudem mehr als 2.000 infizierte oder wahrscheinlich infizierte Kinder im Alter von zwei bis 13 Jahren. Laut der Studie hatten mehr als 90 Prozent der Kinder keine Symptome, einen milden oder moderaten Verlauf der Krankheit. Dennoch könnten sie sich genauso anstecken wie ältere Menschen.