Faktencheck

Nein, es gibt keine Studie, die einen Zusammenhang von 5G und Coronavirus-Ausbrüchen belegt

Eine „Studie“ belege, dass der Mobilfunkstandard 5G eine Rolle bei der Corona-Pandemie spiele, wird in einem Artikel behauptet. Das stimmt nicht. Die Veröffentlichung, um die es geht, ist weder eine offizielle Studie, noch arbeitet der Autor als Biologe an der Universität von Barcelona.

von Lea Weinmann

radio-masts-600837_1920
In einem Artikel wird behauptet, eine Studie belege einen Zusammenhang zwischen dem Mobilfunkstandard 5G und dem Coronavirus. Das stimmt nicht. (Symbolbild: Pixabay / Michael Schwarzenberger)
Bewertung
Größtenteils falsch
Über diese Bewertung
Größtenteils falsch. Es gibt keine Studie, die einen Zusammenhang zwischen 5G und Coronavirus-Ausbrüchen belegt.

Die Seite Politaia behauptet in einem Artikel vom 26. Mai, eine kürzlich veröffentlichte Studie eines Biologen an der Universität Barcelona weise einen Zusammenhang zwischen dem neuen Mobilfunkstandard 5G und „Coronavirus-Ausbrüchen“ nach. Im Titel des Artikels steht: „Studie belegt Korrelation zwischen 5G und Coronavirus“. Er wurde laut dem Analysetool Crowdtangle etwa 2.000 Mal auf Facebook geteilt.

Die Behauptungen darin sind falsch oder nicht belegt.

Es gibt keine Belege für eine Korrelation zwischen 5G und Ausbrüchen des Coronavirus. Die angebliche Studie ist eine private Publikation mit zahlreichen Ungereimtheiten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und deutsche Behörden haben Vermutungen über angebliche Zusammenhänge bereits widersprochen. Zudem arbeitet der Autor der Veröffentlichung, Bartomeu Payeras i Cifre, anders als im Artikel von Politaia behauptet nicht als Biologe an der Universität Barcelona.

An der Universität Barcelona arbeitet kein Biologe namens Bartomeu Payeras

In dem Artikel von Politaia wird behauptet, Payeras’ Studie zeige „den direkten Zusammenhang zwischen den Auswirkungen von Covid-19-Erkrankungen und der Exposition gegenüber elektromagnetischer Strahlung durch 5G-Netze“ auf: „Aus der Forschung des Mikrobiologen geht klar hervor, dass 5G eine Rolle bei dieser Pandemie spielen muss.“ Der Inhalt des Textes ist offensichtlich zu einem Großteil aus einem spanischsprachigen Artikel auf der Seite Cambio16 übernommen worden.

Auf Anfrage von CORRECTIV schreibt die Universität Barcelona per E-Mail, weder aktuell noch in der Vergangenheit habe dort ein Biologe namens Bartomeu Payeras gearbeitet. Es gebe zudem keine Studie zu 5G und dem Coronavirus an der Universität, schreibt uns eine Sprecherin.

Die Universität Barcelona schreibt CORRECTIV auf Anfrage, es gebe dort keinen Biologen namens Bartomeu Payeras. (Screenshot: CORRECTIV)
Auch von der angeblichen Studie weiß die Universität Barcelona nichts. (Screenshot: CORRECTIV)

Ob Bartomeu Payeras in der Vergangenheit an der Universität Biologie studiert hat, will die Sprecherin aus Datenschutzgründen nicht beantworten. Laut Wikipedia soll Payeras dort in den Siebziger Jahren Biologie studiert haben. Mittlerweile soll er als Maler arbeiten.

Artikel stützt sich auf private Publikation

Einen Link zu seiner angeblichen Studie zu 5G wird in dem Text von Politaia nicht genannt. Wir fanden die Veröffentlichung auf der privaten Webseite von Payeras, auf der es ebenfalls größtenteils um seine Arbeit als Maler geht.

Per E-Mail bestätigt uns Payeras auf Anfrage, dass er der Autor dieser Veröffentlichung ist, die zwischenzeitlich auch in englischer Sprache veröffentlicht und (am 28. Mai) aktualisiert worden sei. Er sei 72 Jahre alt und arbeite „seit vielen Jahren“ als Forscher und Biologe, schreibt Payeras an CORRECTIV. In der Fußnote auf der ersten Seite seiner Publikation steht ebenfalls, er habe mehrere Forschungsarbeiten veröffentlicht.

Eine Publikation seiner 5G-Untersuchung in einer Fachzeitschrift konnten wir nicht finden. Bei einer Suche über Google Scholar findet sich lediglich zwei wissenschaftliche Arbeiten aus dem Jahr 1979 zur Kontamination des Meerwassers am Hafen Puerto de Mahon (auf Menorca) mit Bakterien.

Payeras vergleicht angeblich die Zahl der Corona-Fälle in Ländern mit und ohne 5G-Abdeckung

In seiner Publikation will Payeras eine Korrelation zwischen der Präsenz von 5G-Netzen und der Anzahl an Coronavirus-Fällen in verschiedenen Ländern zeigen. Er vergleicht dazu Länder, die angeblich pro 1.000 Einwohner die meisten Covid-19-Infektionen weltweit zählten (Seite 2 und 3). Das seien laut Payeras die USA, Spanien, Italien, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Iran, China, Südkorea und Japan.

Payeras gibt nicht an, zu welchem Zeitpunkt er die Daten abgerufen hat, die Veröffentlichung ist aber auf den 14. April datiert (Seite 15). Auf Anfrage von CORRECTIV kann die WHO nicht sagen, welches am 14. April die Länder mit den meisten Infektionen in Relation zur Bevölkerung waren, weil Zahlen in dieser Form nicht übermittelt wurden.

Kumulativ zählten an diesem Tag die USA (553.822), Spanien (169.496), Italien (159.516), Deutschland (125.098), Frankreich (97.050), Großbritannien (88.625), China (83.696), Iran (74.877), die Türkei (61.049) und Belgien (30.589) die meisten bestätigten Infektionsfälle, schreibt uns die WHO per E-Mail.

Alle von Payeras ausgewählten Länder verfügten über ein 5G-Mobilfunknetz, schreibt der Autor (Seite 2). Auch das stimmt nicht. Nach Angaben zweier verschiedener Online-Karten („nPerf“ und „Speedtest“), die von privaten Unternehmen betrieben werden und die aktuelle weltweite 5G-Abdeckung zeigen, gibt es beispielsweise im Iran bisher kein 5G-Netz. Laut Medienberichten von Februar 2020 werden dort noch die Vorbereitungen dafür getroffen. Und in Japan wurde laut Japan Times erst Ende März 2020 mit der Einrichtung der ersten 5G-Netze begonnen.

Der Autor vergleicht außerdem die benachbarten Länder Portugal und Spanien, sowie Italien und Griechenland miteinander. Darauf geht auch Politaia ein: „Die beiden Länder mit 5G (Spanien und Italien) haben 220% mehr Infektionen als Portugal und Griechenland, so das Resultat des Forschers.”

Wie genau er die 220 Prozent berechnet, wird in Payeras’ Veröffentlichung nicht klar (Seite 3). Es gibt laut der Karte von „Speedtest“ allerdings sehr wohl 5G in Griechenland und Portugal – zumindest in der Testphase.

In Deutschland stimmt der Zusammenhang zwischen hoher Fallzahl und 5G-Masten nicht

Payeras meint dennoch, herausgefunden zu haben, dass, es „eine klare und enge Beziehung zwischen der Zahl der Coronavirus-Infektionen und dem Standort der 5G-Antenne“ gebe (Seite 14 in englischer Fassung).

Zumindest für Deutschland stimmt das nicht. Bisher gab es im Verhältnis zur Bevölkerung die meisten bestätigten Coronavirus-Fälle in Bayern (rund 362 Fälle pro 100.000 Einwohner am 8. Juni). Laut „Speedtest“ gibt es in Bayern bisher sieben 5G-Masten. In Nordrhein-Westfalen zählt „Speedtest“ 29 5G-Masten.

Anders als von Politaia dargestellt, behauptet Payeras zudem nicht direkt, seine Studie „belege“ einen Zusammenhang zwischen 5G und dem Coronavirus. Um herauszufinden, ob seine Ergebnisse nur ein Zufallsphänomen sind, seien weitere statistische Analysen notwendig, schreibt er (Seite 13).

WHO: „5G-Mobilfunknetze verbreiten Covid-19 nicht“

Behauptungen rund um angebliche Zusammenhänge zwischen dem Coronavirus und 5G-Netzen verbreiten sich schon seit Monaten im Netz. Zahlreiche offizielle Stellen haben bereits widersprochen.

Die WHO stellte in einem ihrer Myth Buster klar, dass sich Viren weder über Radiowellen, noch über Mobilfunknetze verbreiten. Die Krankheit Covid-19 verbreite sich auch in vielen Ländern, in denen es keine 5G-Mobilfunknetze gebe.

In einem Sharepic macht die WHO deutlich, dass 5G-Mobilfunknetze nicht zur Verbreitung von Covid-19 beitragen. (Quelle: WHO).

Brasilien und Chile: Hohe Corona-Fallzahlen, aber kein 5G

Ein Beispiel dafür ist Brasilien. Nach Angaben der Online-Karten „nPerf“ und „Speedtest“ gibt es in Brasilien bisher sehr wenige 5G-Masten (Stand: 8. Juni). Diese befinden sich zudem noch in der Testphase. Jedoch hat Brasilien nach Angaben der WHO viele Covid-19-Erkrankte (3.165 bestätigte Fälle pro eine Million Einwohner, Stand 8. Juni) und auch zahlreiche Corona-Todesfälle (169 pro eine Million Einwohner).

Die meisten Fälle pro Kopf gibt es in Brasilien laut Daten der New York Times (Quelle: Gesundheitsministerium Brasilien) in der Region Amapá im Norden und im Amazonasgebiet im Nordwesten – wo bisher nicht ein 5G-Mast steht.

Die meisten Coronavirus-Infektionen pro Kopf traten in Brasilien bisher im Norden und Nordwesten auf. Dort gibt es aber bisher kein 5G-Netz. (Quelle: New York Times, Screenshot am 8. Juni: CORRECTIV)
Nach Angaben der Seite „Speedtest“ gibt es in Brasilien bisher nur sehr wenige 5G-Masten. (Quelle: „Speedtest“, Screenshot vom 2. Juni: CORRECTIV)

Im Vergleich zu Brasilien hat zum Beispiel Finnland zwar relativ viele 5G-Masten, jedoch weniger bestätigte Corona-Infektions- und Todesfälle (1.257 Infektionen und 58 Todesfälle pro eine Million Einwohner, Stand: 8. Juni).

Auch Chile, das bisher nur an einem einzige Ort (laut „nPerf“) über den 5G-Mobilfunkstandard verfügt, zählt laut WHO zahlreiche Covid-19-Erkrankte (7.018 bestätigte Fälle pro eine Million Einwohner, Stand: 8. Juni).

Bundesamt für Strahlenschutz widerspricht ebenfalls

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Deutschland weist auf seiner Webseite Berichte über einen Zusammenhang zwischen der Verbreitung des Coronavirus und 5G zurück: „Es gibt keinen wissenschaftlichen Hinweis darauf, dass Mobilfunkstrahlung eine Wirkung auf die Ausbreitung von Viren haben könnte. Dies gilt auch für 5G.“

Der für den Mobilfunk genutzte Frequenzbereich sei mittlerweile „sehr gut erforscht“. Die einzige nachgewiesene Wirkung von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern sei demnach eine Erwärmung des Körpergewebes – und diese sei „gesundheitlich unproblematisch“.

Auch in anderen Faktenchecks haben wir bereits Behauptungen zu 5G und Corona geprüft. Unter anderem die Behauptung, die Todesfälle durch das neue Coronavirus in Wuhan könnten einem von „5G verursachten Zellabbau“ zugeschrieben werden. Das stimmt nicht. Die Todesfälle hatten nichts mit 5G zu tun, wie unser Faktencheck erklärt.