Faktencheck

Nein, Sozialminister Lucha forderte keine „Impfung mit giftigem Formaldehyd“

In einem Artikel wird behauptet, der baden-württembergische Sozialminister Manne Lucha fordere eine Zwangsimpfung mit giftigem Formaldehyd. Das hat er nicht gesagt. Ein Video der AfD mit den Aussagen Luchas ist zudem irreführend zusammengeschnitten.

von Lea Weinmann

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In einer Rede im Stuttgarter Landtag sprach Sozialminister Manne Lucha (Grüne) übers Impfen. Er forderte aber nicht, wie behauptet, eine Zwangsimpfung mit giftigem Formaldehyd. (Quelle: Youtube / Screenshot: CORRECTIV)
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Größtenteils falsch. Sozialminister Manne Lucha warb nicht fürs Impfen, nachdem er darauf hingewiesen wurde, dass viele Impfstoffe Formaldehyd enthalten.

In einem Artikel vom 6. Juni wird auf der Seite Einreich behauptet, der baden-württembergische Sozialminister Manfred „Manne“ Lucha (Grüne) fordere „im Zuge der Corona-Pandemie Zwangsimpfungen, die das hochgiftige Desinfektionsmittel Formaldehyd enthalten“.

Das stimmt nicht. Luchas Aussagen wurden aus dem Kontext gerissen und verdreht. Das Youtube-Video, auf das sich der Artikel bezieht, stammt von der AfD-Landtagsabgeordneten Christina Baum. Es ist irreführend zusammengeschnitten.

In dem Video sieht man Lucha, der im Stuttgarter Landtag den US-Präsidenten Donald Trump für seine Spekulation zur Injektion von Desinfektionsmittel gegen Covid-19 kritisiert. Die AfD-Abgeordnete Baum stellt daraufhin ihre Zwischenfrage, die Lucha kurz bejaht. Danach, so stellt es das Video dar, forderte Lucha angeblich nochmal dazu auf, sich impfen zu lassen. „Frecherweise hat er dann sogar noch für eine solche Impfung geworben“, sagt Baum in dem Video.

Artikel und Video beziehen sich auf Sitzung vom 7. Mai

Der Artikel und das Video beziehen sich auf die Plenarsitzung im Stuttgarter Landtag vom 7. Mai. Die Sitzung ist auf der Webseite der Landesregierung Baden-Württemberg als Video und Plenarprotokoll dokumentiert. Im Protokoll findet sich die Wortmeldung von Christina Baum auf Seite 7.344. Tatsächlich antwortet Lucha auf die Frage der Abgeordneten zu Formaldehyd in Impfstoffen: „Das weiß ich“ und „Ja“.

Lucha Protokoll
Ausschnitt aus dem Protokoll der Plenarsitzung vom 7. Mai, Seite 7.344 (Screenshot: CORRECTIV).

Im Youtube-Video von Christina Baum wird jedoch der Teil weggelassen, in dem Manne Lucha im Anschluss ausführlicher auf die Frage antwortet.

Video ist verkürzt und irreführend geschnitten

Nach Baums Wortmeldung bestätigte Lucha, dass es in Impfstoffen „natürlich eine Vielzahl an Substanzen“ gebe. „Aber Herr Trump hat sich sicherlich nicht damit beschäftigt, dass Formaldehyd ein Bestandteil eines multiplen Impfstoffs mit Trägersubstanzen ist, sondern hat die Vorstellung, dass dann, wenn das Virus in zehn Sekunden durch Desinfektionsmittel weggeht, es vielleicht auch dann weggeht, wenn ich ein solches Mittel spritze.“ Und weiter: „Ich wollte ja nur sagen, dass die Vereinfacher dieser Welt mit ihren Vereinfachungsrezepten in Schwarz-Weiß die Krise nicht gelöst haben.“ (Protokoll Seite 7.344).

Lucha Protokoll Teil 2
Ausschnitt aus dem Protokoll der Plenarsitzung vom 7. Mai, Seite 7.344 (Screenshot: CORRECTIV).

In dem Artikel von Einreich und dem Youtube-Video von Christina Baum wird es so dargestellt, als habe Lucha nach diesem Wortwechsel fürs Impfen geworben.  „Lucha warb danach plötzlich sogar massiv im Landtag dafür, sich impfen zu lassen“, schreibt Einreich. Das ist falsch.

Lucha forderte vor Baums Wortmeldung dazu auf, sich impfen zu lassen – nicht danach

Luchas Aufforderung sich gegen Masern, Influenza und Pneumokokken impfen zu lassen, fand, anders als in dem Youtube-Video dargestellt (ab Minute 01:40), vor der Zwischenfrage der AfD-Abgeordneten statt – und nicht danach. Im Plenarprotokoll ist diese Stelle auf Seite 7.343 dokumentiert.

Auf Anfrage von CORRECTIV hat das baden-württembergische Sozialministerium den Behauptungen in dem Artikel auch widersprochen: Lucha habe keine Zwangsimpfung mit Formaldehyd gefordert, sondern „appellierte […] an die Bürgerinnen und Bürger, sich gegen Pneumokokken und Influenza impfen zu lassen, um das Risiko zu senken, im Falle einer Corona-Infektion gleichzeitig auch noch an einer anderen Virusinfektion zu erkranken, die den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen könnte“, schreibt ein Sprecher des Ministeriums per E-Mail.

Zur Erklärung schrieb der Sprecher weiter: „Ja, auch in manchen Impfstoffen ist Formaldehyd enthalten. Die geringe, für den Menschen ungefährliche Dosis innerhalb eines medizinischen Impfstoffes, ist absolut nicht vergleichbar mit dem, was US-Präsident Trump vorgeschlagen hat.“

Sozialministerium BW Mail
Auszug aus der E-Mail des baden-württembergischen Sozialministeriums, das Manne Lucha unterstellt ist. (Screenshot: CORRECTIV)

RKI: Formaldehyd in „äußerst geringer Konzentration“ in einigen Impfstoffen enthalten

Formaldehyd ist eine Chemikalie, die beim Einatmen die Schleimhäute reizen und Krebs im Nasenrachenraum auslösen kann und unter anderem in Desinfektionsmitteln enthalten ist. Die schädliche Wirkung sei aber konzentrationsabhängig, schreibt das Bundesinstitut für Risikobewertung.

Nach Informationen des Robert-Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts ist Formaldehyd in einigen Impfstoffen enthalten – allerdings in „äußerst geringen Konzentrationen (weit unterhalb toxikologischer Grenzwerte)“. Die Substanz diene dazu, Impfviren abzutöten.

Fazit: Der baden-württembergische Sozialminister Manne Lucha sprach sich bei der Plenarsitzung am 7. Mai vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie für eine Impfung gegen Masern, das Influenzavirus und Pneumokokken aus. Die spätere Zwischenfrage der AfD-Abgeordneten Baum, ob er wisse, dass in vielen Impfstoffen Formaldehyd enthalten sei, bejahte er. Daraus zu schlussfolgern, Lucha fordere eine „Zwangsimpfung mit hochgiftigem Formaldehyd“ ist irreführend und falsch.