Faktencheck

Zahlreiche Falschmeldungen über Teilnehmerzahl bei Anti-Corona-Protest in Berlin

Am vergangenen Samstag protestierten in Berlin Menschen gegen die Corona-Maßnahmen. Über die Zahl der Teilnehmer an der Demonstration und der anschließenden Kundgebung gibt es in Sozialen Netzwerken unterschiedliche Angaben. Manche behaupten, es seien 500.000 bis 3,5 Millionen Menschen gewesen. Das ist falsch.

von Uschi Jonas

Am vergangenen Samstag fanden in Berlin Proteste gegen die Corona-Maßnahmen statt. In Sozialen Netzwerken kursieren viele falsche Behauptungen über die Anzahl der Teilnehmer.
Am vergangenen Samstag fanden in Berlin Proteste gegen die Corona-Maßnahmen statt. In Sozialen Netzwerken kursieren viele falsche Behauptungen über die Anzahl der Teilnehmer. (Quelle: Picture Alliance/ Christoph Soeder/ dpa)
Bewertung
Falsch. Die Angaben von 500.000 oder bis zu 3,5 Millionen Menschen bei dem Protest in Berlin sind falsch.

Update, 6. August: Leserinnen und Leser haben uns darauf hingewiesen, dass wir in unserem Text die Kundgebung auf der Straße des 17. Juni falsch verortet hatten. Die Polizei hatte uns mitgeteilt, dass der Hauptbereich auf Höhe des Sowjetischen Ehrendenkmals gelegen habe. Das ist nicht richtig. Der Bereich der Kundgebung lag zwischen der Yitzhak-Rabin-Straße und dem Großen Stern. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen und haben den Text überarbeitet. Die Gesamtbewertung dieses Faktenchecks veränderte sich dadurch nicht.

„Das Ende der Pandemie – Tag der Freiheit“ – unter diesem Motto protestierten am vergangenen Samstag organisiert von der Initiative „Querdenken 711“ Menschen gegen die Corona-Maßnahmen in der Hauptstadt. Laut der Polizei Berlin fanden sich zunächst gegen 11 Uhr Unter den Linden Menschen für einen Demonstrationszug zusammen. Anschließend gab es ab 15.30 Uhr eine Kundgebung auf der Straße des 17. Juni.

Doch vor allem die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sorgt im Nachgang für Diskussionen. In Sozialen Netzwerken kursieren zahlreiche Behauptungen und Vergleiche mit früheren Veranstaltungen wie der Love Parade, die von den offiziellen Angaben der Polizei abweichen. CORRECTIV hat einige dieser Behauptungen überprüft. Sie alle übertreiben die realistische Teilnehmerzahl bei der Kundgebung um ein Vielfaches. 

Behauptung 1: Luftaufnahme zeigt Teilnehmer der Anti-Corona-Kundgebung

In Sozialen Netzwerken tauchen zahlreiche Fotos auf, die die Anti-Corona-Kundgebung am vergangenen Samstag mit der Teilnehmerzahl bei der Techno-Veranstaltung Love Parade in Bezug setzen. In einem Facebook-Beitrag wird zum Beispiel mit einer Luftaufnahme behauptet, die Kundgebung habe auch rund um den Großen Stern und die Siegessäule stattgefunden, die Straßen seien in alle Himmelsrichtungen voller Demonstranten gewesen.

In einem Facebook-Beitrag wird mit einem Foto der Love Parade 2001 behauptet, dass es mehr Teilnehmer bei der Anti-Corona-Kundgebung gegeben habe als die Polizei meldete. (Quelle: Facebook, Screenshot und Schwärzungen: CORRECTIV)
In einem Facebook-Beitrag wird mit einem Foto der Love Parade 2001 behauptet, dass es mehr Teilnehmer bei der Anti-Corona-Kundgebung gegeben habe als die Polizei meldete. (Quelle: Facebook, Screenshot und Schwärzungen: CORRECTIV)

Eine Bilder-Rückwärtssuche bei Google ergibt jedoch, dass das verwendet Foto nicht die Kundgebung vom vergangenen Samstag zeigt. Stattdessen stammt es von der Love Parade am 21. Juli 2001, aufgenommen von einem Fotografen der Presseagentur AP. Die Polizei zählte damals laut Medienberichten 800.000 Besucher, die Veranstalter sprachen von rund einer Million. 

Fotos zeigen Kundgebung kurz nach ihrem Beginn

Auf Nachfrage von CORRECTIV erklärte ein Sprecher der Polizei Berlin am Montag, dass die Kundgebung unter dem Motto „Das Ende der Pandemie – Tag der Freiheit“ für den Bereich auf der Straße des 17. Juni zwischen dem Sowjetischen Ehrendenkmal bis zum Brandenburger Tor angemeldet gewesen sei. Im weiteren Verlauf sei die Demonstration bis zur Yitzhak-Rabin-Straße erweitert worden. Der Bereich bis zum Großen Stern sei nur aus Sicherheitsgründen ebenfalls abgesperrt gewesen. 

Luftaufnahmen zeigen jedoch, dass das nicht stimmen kann. Ein Foto der Deutschen Presse-Agentur (DPA) zeigt, dass sich für die Kundgebung Menschen auf der Straße des 17. Juni versammelten. An einer Stelle ist die Strecke durch mehrere Kastenwagen der Polizei getrennt. Klar zu sehen ist, dass die Hauptkundgebung westlich von der Absperrung stattgefunden hat – zu erkennen ist eine große Bühne mit dem Banner der Initiative „Querdenken“.

Eine Luftaufnahme der DPA von der Anti-Corona-Kundgebung vor dem Brandenburger Tor am 1. August. Sie entstand etwa eine halbe Stunde nach Beginn der Veranstaltung. (Quelle: Picture Alliance/ Christoph Soeder/ dpa)
Eine Luftaufnahme der DPA von der Anti-Corona-Kundgebung vor dem Brandenburger Tor am 1. August. Sie entstand etwa eine halbe Stunde nach Beginn der Veranstaltung. (Quelle: Picture Alliance/ Christoph Soeder/ dpa)

Beim Hineinzoomen in die Luftaufnahme ist östlich von der Polizei-Absperrung eine Statue zu erkennen: „Der Rufer“. Wie Google Maps zeigt, steht diese Statue zwischen Brandenburger Tor und dem Sowjetischen Ehrendenkmal und somit östlich von der Yitzhak-Rabin-Straße. Zu erkennen ist ebenfalls, dass die Polizeiwagen in der Nähe von Ampeln platziert sind. Daher ist es plausibel, dass sie etwa auf Höhe der Yitzhak-Rabin-Straße stehen.

Der Bildausschnitt zeigt, dass die Statue „Der Rufer“ zwischen der Polizeiabsperrung und dem Brandenburger Tor steht. Die Ampeln zeigen, dass die Polizeiwagen mutmaßlich etwa auf Höhe der Yitzhak-Rabin-Straße standen. (Foto: Picture Alliance/Christoph Soeder/dpa, Markierung: CORRECTIV)
Der Bildausschnitt zeigt, dass die Statue „Der Rufer“ zwischen der Polizeiabsperrung und dem Brandenburger Tor steht. Die Ampeln zeigen, dass die Polizeiwagen mutmaßlich etwa auf Höhe der Yitzhak-Rabin-Straße standen. (Foto: Picture Alliance/ Christoph Soeder/ dpa, Markierung: CORRECTIV)

Die Kundgebung unter dem Motto „Das Ende der Pandemie – Tag der Freiheit“ fand folglich im Bereich zwischen Yitzhak-Rabin-Straße und Siegessäule statt. CORRECTIV hat die Polizei Berlin am Donnerstag damit konfrontiert, doch keine Rückmeldung mehr erhalten. 

Das Ende der Menschenmenge ist zwar auf dem Foto der DPA nicht ersichtlich, aber es ist zu erkennen, dass sich die Menschenmenge am unteren Rand des Fotos Richtung Siegessäule bereits ausdünnt. 

Auf Nachfrage von CORRECTIV teilte die DPA mit, dass die Luftaufnahme des Fotografen Christoph Soeder zwischen 16:03 und 16:10 Uhr entstanden sei. Da die Kundgebung laut Polizei rund 30 Minuten zuvor um 15:30 Uhr begann, ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Teilnehmer zum Zeitpunkt des Fotos anwesend war. Es existieren zudem keine Aufnahmen, die zeigen, dass die Kundgebung bis zum Großen Stern reichte oder gar darüber hinaus. 

Eine andere Luftaufnahme, die von der Tagesschau veröffentlicht wurde, bestätigt, dass die Menschenmenge nicht bis zur Siegessäule reichte. Ein Tagesschau-Redakteur wies uns darauf hin, dass das Foto von Imago Images stamme. Auf Nachfrage von CORRECTIV teilte der Imago-Fotograf Christian Spicker mit, dass das Foto um 15:39 Uhr entstanden sei, also kurz nach dem offiziellen Beginn der Kundgebung. Ein größerer Ausschnitt des Fotos bei der Tagesschau zeigt ebenfalls, dass sich die Menge deutlich ausdünnt und zumindest zum Zeitpunkt des Fotografierens  nicht bis zur Siegessäule reichte.

Fazit: Falsch. Ein Foto, das Menschenmassen rund um den Großen Stern zeigt, stammt nicht von der Anti-Corona-Kundgebung am 1. August in Berlin, sondern von der Love Parade im Jahr 2001. Luftbilder der Kundgebung „Das Ende der Pandemie – Tag der Freiheit“ am 1. August zeigen deutlich geringere Menschenmengen.. 

Behauptung 2: Die Teilnehmerzahl bei der Kundgebung vor dem Brandenburger Tor habe nicht etwa 20.000, sondern 500.000 bis über eine Million Menschen betragen

In einer Pressemitteilung teilte die Berliner Polizei bereits am Samstag, mit, dass sich bei der Kundgebung 20.000 Menschen vor dem Brandenburger Tor versammelt hatten. 17.000 hätten an der davor stattgefundenen Demonstration, also dem Aufzug, der durch die Stadt führte, teilgenommen. Der Demonstrationszug war von 11 bis 15:30 Uhr angemeldet und stand unter dem Motto „Versammlung für die Freiheit“, wie ein Polizeisprecher CORRECTIV am Telefon erläuterte. 

Der Zug sollte eigentlich bis zur Straße des 17. Juni gehen, aber kam schon zuvor zum Ende, so der Polizeisprecher. Gestartet sei er Unter den Linden 74 bis 76 und zog dann über die Friedrichstraße, Torstraße, Rosenthaler Straße, Weinmeisterstraße, Münzstraße, Memhardstraße, Karl-Liebknecht-Straße, Spandauer Straße, den Molkenmarkt, Leipziger Straße, Glinkastraße, Dorotheenstraße und die Ebertstraße. Er endete noch vor der Straße des 17. Juni. 

Am Montag sagte der Pressesprecher der Polizei CORRECTIV, dass sich an der Schätzung der Teilnehmerzahl nichts geändert habe. Weiter erklärte er, es sei üblich, dass die Polizei bei Großlagen wie bei der Veranstaltung am vergangenen Samstag in Berlin Polizeihubschrauber einsetze, um die Teilnehmerzahlen abzuschätzen. 

„Der Polizeihubschrauber hat eine Kamera an Bord. Von dort findet eine Direktübertragung der Bilder an den Führungsstab statt. Dieser nimmt anhand der Bilder dann eine Schätzung vor. Gespeichert werden die Bilder jedoch nicht, da dies datenschutzrechtlich verboten ist“, sagte der Pressesprecher CORRECTIV. 

In Sozialen Netzwerken verbreiten sich dennoch zahlreiche Behauptungen, die Teilnehmerzahl habe weitaus höher gelegen und die Medien würden lügen. So heißt es beispielsweise in einem Artikel des rechtspopulistischen Magazins Compact, es seien 500.000 bis eine Million Teilnehmer bei der Kundgebung anwesend gewesen. 

Sind 500.000 oder eine Million Menschen plausibel?

Auf Facebook wird in zahlreichen Beiträgen behauptet, es seien mindestens eine Million Teilnehmer gewesen (zum Beispiel hier, hier oder hier). Recherchen von CORRECTIV zeigen, dass diese Behauptungen nicht richtig sein können. 

Immer wieder sind die Straßen im Tiergarten Schauplatz für Großveranstaltungen in Berlin. Ein Vergleich mit den Aufnahmen und den Informationen über die Teilnehmerzahl der Love Parade zeigt deutlich, dass bei der Kundgebung am Samstag nicht eine Million oder mehr Menschen anwesend gewesen sein können. 

Zwischen 1996 und 2003 fand die Veranstaltung rund um den Großen Stern im Tiergarten statt, 2004 und 2005 fiel sie aus, 2006 fand sie ein letztes Mal in Berlin statt. Auf Nachfrage von CORRECTIV konnte die Polizei Berlin keine Teilnehmerzahlen nennen; das Archiv reiche nicht so weit zurück. 

 

Laut dem Online-Portal Statista, das sich als Quelle auf die Veranstalter der Love Parade beruft, betrug die Teilnehmerzahl im Berliner Tiergarten in den Jahren 1996 bis 2006 zwischen 750.000 und maximal 1,5 Millionen (1999).

Bei der Love Parade feierten die Teilnehmer dicht gedrängt nicht nur (wie am vergangenen Samstag bei der Anti-Corona-Kundgebung) auf dem Abschnitt zwischen Yitzhak-Rabin-Straße und Siegessäule, sondern auf der ganzen Strecke zum Brandenburger Tor und auch auf allen Straßen rund um den Großen Stern. 

Das zeigen Fotos wie das bereits erwähnte Luftbild der Presseagentur AP von dem Event 2001, bei dem die Veranstalter von einer Million Menschen sprachen und die Polizei von 800.000. Immer wieder kommt es vor, dass Veranstalter höhere Angaben machen als die Polizei. Dennoch ist es nicht möglich, dass bei der Kundgebung „Das Ende der Pandemie – Tag der Freiheit“ ähnlich viele Menschen anwesend waren wie bei der Love Parade.

Schätzungen zeigen, es hätten dicht gedrängt maximal rund 173.600 Menschen bei der Anti-Corona-Kundgebung Platz gehabt

Das Online-Tool „Mapchecking“ ermöglicht es, die maximale Anzahl stehender Personen in einem bestimmten Gebiet zu schätzen. Das Tool bietet die Möglichkeit, bis maximal sieben Personen pro Quadratmeter die Größe einer Menschenmenge zu schätzen. Das Maximum liege bei fünf Menschen auf einem Quadratmeter; alles darüber hinaus sei ein großes gesundheitliches Risiko, zeigt eine Analyse zu Sicherheit und Risiko von Menschenansammlungen von Keith Still. Still ist ein Mathematik-Professor, der auch ein Gutachten zur Love Parade 2010 erstellt hat, bei der es zu einer Massenpanik kam.

So dicht gedrängt stehen Menschen der Studie von Keith Still zufolge, wenn auf einen Quadratmeter fünf Personen kommen (Quelle: Keith Still, Screenshot: CORRECTIV)
So dicht gedrängt stehen Menschen der Studie von Keith Still zufolge, wenn auf einen Quadratmeter fünf Personen kommen (Quelle: Keith Still, Screenshot: CORRECTIV)

Selbst bei der Annahme von fünf Personen pro Quadratmeter beträgt die Schätzung des Tools „Mapchecking“ lediglich rund 173.600 Personen, die auf dem Bereich zwischen Yitzhak-Rabin-Straße und Siegessäule Platz hätten.

Selbst dicht gedrängt hätten in dem Bereich der Kundgebung lediglich rund 173.600 Menschen Platz gehabt, wie das Tool „Mapchecking“ zeigt. (Quelle: Mapchecking, Screenshot: CORRECTIV)
Selbst dicht gedrängt hätten in dem Bereich der Kundgebung lediglich rund 173.600 Menschen Platz gehabt, wie das Tool „Mapchecking“ zeigt. (Quelle: Mapchecking, Screenshot: CORRECTIV)

In Sozialen Netzwerken kursiert zudem die Behauptung, die Polizei habe nicht alle Protestierenden, die zur Kundgebung „Das Ende der Pandemie – Tag der Freiheit“ auf die Straße des 17. Juni wollten, auch dort hin gelassen. Stattdessen seien zahlreiche Menschen in Seitenstraßen und rund um den Großen Stern geleitet worden. 

Dies verneinte der Pressesprecher der Polizei gegenüber CORRECTIV: „Wir haben alle, die zu dieser Kundgebung wollten, auch in den Kundgebungsbereich hineingelassen.“ Hinter der Yitzhak-Rabin-Straße oder rund um den Großen Stern seien keine Menschen umgeleitet worden, auch habe es dort keine weiteren Versammlungen gegeben. Die Behauptung ist also unbelegt.

Rund um das Brandenburger Tor fanden andere Kundgebungen statt

Lediglich – wie auch auf Luftaufnahmen zu erkennen – rund um das Brandenburger Tor und den Pariser Platz habe es einen weiteren abgesperrten Bereich gegeben, so der Polizeisprecher. 

Wie auf Fotos erkennbar ist, war dieser Bereich von der Kundgebung „Das Ende der Pandemie – Tag der Freiheit“ durch die Kastenwagen der Polizei abgetrennt. „Es waren Teilnehmer anderer Kundgebungen“, sagte der Polizeisprecher. Um das Brandenburger Tor hätten im Tagesverlauf weitere Kundgebungen stattgefunden, die von anderen Veranstaltern angemeldet worden seien. 

„Dort hatten wir zeitgleich eine Versammlung unter dem Motto ‚Reform 3000  – Stolperstein auf der Querdenker-Demo‘, die angemeldet war von 10:30 bis 18 Uhr. Und ebenfalls auf dem Pariser Platz eine Kundgebung ‚Gegen Rassismus, Antisemitismus – kein Fußbreit den Verschwörungstheoretikern‘ von 10:30 bis 17:30 Uhr“, so der Sprecher. Die Angaben der Polizei von 20.000 Teilnehmer beziehen sich auf die große Kundgebung „Das Ende der Pandemie – Tag der Freiheit“.

Zur Teilnehmerzahl der anderen Kundgebungen um das Brandenburger Tor und auf dem Pariser Platz macht die Polizei keine Angaben. Großzügig mit dem „Mapchecking“-Tool berechnet hätten dort dicht gedrängt (fünf Personen pro Quadratmeter) 88.200 Menschen Platz.

Dicht gedrängt hätten in dem Bereich um das Brandenburger Tor rund 88.200 Menschen Platz gehabt, wie das Tool „Mapchecking“ zeigt. (Quelle: Mapchecking, Screenshot: CORRECTIV)
Dicht gedrängt hätten in dem Bereich um das Brandenburger Tor rund 88.200 Menschen Platz gehabt, wie das Tool „Mapchecking“ zeigt. (Quelle: Mapchecking, Screenshot: CORRECTIV)

Jedoch ist auf Fotos zu sehen, dass die Menschen auch dort nicht dicht gedrängt versammelt waren.

Eine Ausschnitt der Luftaufnahme der DPA zeigt die Menschenmenge vor dem Brandenburger Tor. (Quelle: Picture Alliance/ Christoph Soeder/ dpa, Screenshot: CORRECTIV)
Eine Ausschnitt der Luftaufnahme der DPA zeigt die Menschenmenge vor dem Brandenburger Tor. (Quelle: Picture Alliance/ Christoph Soeder/ dpa, Screenshot: CORRECTIV)

Fazit: Falsch. Es haben nicht 500.000 bis über eine Million Menschen an der Kundgebung auf der Straße des 17. Juni teilgenommen. Die Polizei spricht von 20.000, Schätzungen zufolge würde die Fläche zwischen Yitzhak-Rabin-Straße und Siegessäule maximal rund 173.600 Menschen dicht gedrängt zulassen. So dicht standen die Menschen am Samstag Luftaufnahmen zufolge jedoch nicht. Diese entstanden kurz nach Beginn der Veranstaltung. Selbst wenn später noch zahlreiche weitere Menschen zu der Kundgebung hinzugestoßen wären, sind Zahlen von 500.000 oder mehr Teilnehmern nicht realistisch. 

3. Behauptung: Die Polizei habe selbst von 800.000 Teilnehmern beim Demonstrationszug gesprochen

In einem Facebook-Beitrag wird behauptet, die Polizei habe von 800.000 Menschen bei der Anti-Corona-Demonstration gesprochen, die durch die Stadt zog. Auch Daniel Wald, Landtagsabgeordneter der AfD in Sachsen-Anhalt verbreitet diese Behauptung auf Facebook.

Auf Nachfrage von CORRECTIV dementierte die Polizei Berlin diese Behauptung. Telefonisch bestätigte ein Sprecher die in einer Pressemitteilung am Samstag veröffentlichten Zahlen. Demnach nahmen höchstens 17.000 Personen an der Demonstration teil, die am Samstag gegen 11 Uhr Unter den Linden begann und gegen 14 Uhr noch vor der Straße des 17. Juni endete.

In einem Tweet teilte die Polizei Berlin bereits am 1. August mit, dass sie die „exorbitant höhere Zahl, die laut verschiedener Tweets durch uns genannt worden sein soll“ nicht bestätigen könne.

Fazit: Falsch. Die Polizei sprach nicht von 800.000 Teilnehmern bei der Demonstration, sondern von 17.000.

4. Behauptung: Die Polizei habe getwittert, es seien 3,5 Millionen Teilnehmer bei der „Tag der Freiheit“-Demonstration bestätigt

Auf Facebook wird außerdem ein angeblicher Tweet der Polizei Berlin verbreitet. Demnach habe die Polizei getwittert: „Auf der ‘Tag der Freiheit’ Demonstration können wir zurzeit mindestens 3,5 Millionen Teilnehmer bestätigen.“ 

Sowohl der Twitter-Account-Name als auch das Logo des Accounts „Polizei Berlin Einsatz“ des Screenshots des angeblichen Tweets stimmen mit dem verifizierten Account der Berliner Polizei überein. Dort ist ein solcher Tweet aber nicht zu finden. 

Auf Nachfrage von CORRECTIV dementierte ein Sprecher der Polizei Berlin, dass die Polizei zu irgendeinem Zeitpunkt einen solchen Tweet veröffentlicht habe.

Eine Google-Suche nach dem Text des Tweets führt zu keinen relevanten Treffern. Der Screenshot des Tweets ist also eine Fälschung.

Auf Facebook wird ein gefälschter Screenshot eines Tweets der Polizei verbreitet (Quelle: Facebook, Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV)
Auf Facebook wird ein gefälschter Screenshot eines Tweets der Polizei verbreitet (Quelle: Facebook, Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV)

Fazit: Falsch. Die Polizei hat nicht getwittert, sie könne 3,5 Millionen Teilnehmer auf der „Tag der Freiheit“-Demonstration bestätigen.

Update, 5. August 2020: Zunächst hatten wir geschrieben, dass uns die Quelle der Luftaufnahme bei der Tagesschau unbekannt sei; diese Information haben wir ergänzt. Zudem haben wir den Text um Passagen über die angebliche Aufspaltung des Demonstrationszuges durch die Polizei ergänzt und erklärt, dass die Menschen rund um das Brandenburger Tor nicht zur Kundgebung „Das Ende der Pandemie – Tag der Freiheit“ gehörten. 

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