Faktencheck

Silvesternacht 2015: Keine Belege, dass Claudia Roth die Übergriffe als Hilferuf Geflüchteter bezeichnet hat

In einem Facebook-Beitrag wird behauptet, die Vizepräsidentin des Bundestags Claudia Roth habe gesagt, dass die Vorfälle am Kölner Bahnhof 2015 als Hilferuf Geflüchteter gewertet werden könnten. Diese Meldung kursierte schon 2016 im Netz. Es gibt keine Belege für das angebliche Zitat.

von Kathrin Wesolowski

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Es gibt keine Belege für ein angebliches Zitat von Claudia Roth, das die sexuellen Übergriffe am Kölner Bahnhof an Silvester 2015 ein Hilferuf Geflüchteter gewesen seien. (Symbolbild. Quelle: Deutscher Bundestag)
Bewertung
Unbelegt. Es gibt keine Belege für das angebliche Zitat von Claudia Roth. Zudem soll der Beitrag Satire sein.

„Die Vorfälle am Kölner Bahnhof kann man als Hilferuf aller Flüchtlinge werten, weil sie sich von deutschen Frauen sexuell ausgegrenzt fühlen.“ Diese Aussage kursiert neben einem Foto von Claudia Roth auf Facebook. Das angebliche Zitat der Grünen-Politikerin bezieht sich auf die Vorfälle in der Silvesternacht 2015/2016 am Kölner Hauptbahnhof. Dort übten Männer zahlreiche sexuelle Übergriffe aus. Laut der Landesregierung Nordrhein-Westfalen wurden mehr als 600 Frauen sexuell misshandelt, teilweise kam es zu Vergewaltigungen. 

Im Zuge der Flüchtlingskrise gab es eine große öffentliche Debatte zu den Übergriffen, da es sich bei den Tätern überwiegend um Menschen mit Migrationshintergrund und illegal Eingewanderte handelte. 

 

Der Beitrag mit dem angeblichen Zitat von Claudia Roth wurde am 27. Juli 2020 auf Facebook veröffentlicht und mehr als 500 Mal geteilt. Das Zitat kursierte bereits 2016 im Netz und ist Satire, worüber die österreichische Webseite Mimikama schon im Januar 2016 berichtete.

Keine Belege für das Zitat

Wer das Foto im Beitrag genauer betrachtet, findet darunter den Schriftzug „In Satira by Uwe Ostertag“. Der Name Uwe Ostertag taucht immer wieder im Zusammenhang mit erfundenen Beiträgen auf. Wie CORRECTIV bereits berichtete, ist er unter anderem  verantwortlich für gefälschte Wahlplakate und falsche Politikerzitate. Auch ein gefälschtes Zitat von Angela Merkel brachte Ostertag bereits in Umlauf. 

Der Facebook-Beitrag mit dem angeblichen Zitat von Claudia Roth. (Screenshot: CORRECTIV)

Ostertag war laut der Mainpost im Jahr 2017 unter anderem wegen Volksverhetzung und gefährlicher Körperverletzung zu 22 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt worden (kostenpflichtig). Er habe eine Geldstrafe wegen Volksverhetzung nicht bezahlt und sich Polizisten widersetzt, die ihn per Haftbefehl in seiner Wohnung aufgesucht hätten. Ostertag ging laut Mainpost in Berufung, daraufhin sei er zu vier Jahren auf Bewährung verurteilt worden. Eine Auflage sei gewesen, alle Webseiten und Profile im Netz zu löschen (kostenpflichtig).

2016 kursierten mehrere frei erfundene Zitate von Claudia Roth über die Kölner Silvesternacht

Roth warnte nach der Silvesternacht 2015/2016, beispielsweise in einem Interview der Welt am 8. Januar 2016, davor, die Übergriffe für eine Anti-Flüchtlingskampagne zu missbrauchen. In dem Interview wird Roth zitiert, dass sich im Internet ein „organisierter Mob“ daran mache, „zur Jagd auf nicht-weiße Menschen aufzurufen und Rache auszuüben“. 

Das angeblich satirisch gemeinte Zitat ist nicht das einzige, das Claudia Roth nach der Silvesternacht fälschlicherweise zugeschrieben wurde. 2016 berichtete der Bayerische Rundfunk über eine weitere Collage mit einer angeblichen Aussage der Politikerin, in der sie für eine Orientierung an islamischen Werten geworben haben soll. Auch dieser Beitrag war angeblich als Satire gemeint gewesen – auf den ersten Blick erkennbar war dies jedoch nicht.