Faktencheck

Nein, Ärzte werden nicht dafür bezahlt, wenn sie als Todesursache Covid-19 eintragen

In Sozialen Netzwerken wird behauptet: Trägt ein Arzt Covid-19 als Todesursache im Totenschein ein, werde er dafür extra bezahlt. Diese Behauptung ist falsch. Unsere Recherchen haben ergeben, dass Ärzte in Deutschland dadurch keinen finanziellen Vorteil haben.

von Sarah Thust

Ärzte bei einer Operation
In einem Facebook-Beitrag wird fälschlicherweise behauptet, dass Ärzte dafür bezahlt werden würden, wenn Sie Covid-19 im Totenschein eintragen. (Symbolbild: Pixabay/Sasin Tipchai)
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Falsch. Deutsche Ärzte werden nicht extra dafür bezahlt, wenn sie Covid-19 als Todesursache eintragen.

Angeblich würden Ärzte in Deutschland dafür bezahlt, wenn sie als Todesursache Covid-19 eintragen – diese Behauptung verbreitet sich auf Facebook, zum Beispiel hier am 20. August.  Der Beitrag wurde mehr als 15.500 Mal geteilt. Die Behauptung ist falsch. Ärzte haben keinen finanziellen Vorteil, wenn sie explizit Covid-19 als Todesursache eines Patienten oder einer Patientin eintragen.

Im Facebook-Beitrag wird die angebliche Geschichte eines Mannes beschrieben, der an Krebs gestorben sei. Doch der Arzt habe Covid-19 als Todesursache eingetragen. Auf Nachfrage habe der zuständige Arzt gesagt: „Ich diskutiere das nicht mit Ihnen, er ist an Covid-19 gestorben.“ Und weiter: „Das ganze ging zum Anwalt und dieser fand nun heraus, das [sic] deutsche Ärzte dafür bezahlt werden, wenn diese als Todesursache Covid-19 eintragen.“

Dieser Text verbreitet sich auf Facebook.
Dieser Text verbreitet sich auf Facebook. (Quelle: Facebook / Screenshot und Bearbeitung: CORRECTIV)

Die Vergütung der Leichenschau ist nicht an bestimmte Todesursachen gebunden

Die Behauptung ist falsch. Verstirbt ein Patient, muss ein Arzt eine ärztliche Leichenschau durchführen. Dabei beurteilt er anhand äußerer Zeichen, wann und woran die Person gestorben ist. Und er überprüft die Identität des Verstorbenen. Anders als bei einer Obduktion, die von Pathologen oder Rechtsmedizinern durchgeführt wird, wird die Leiche dabei nicht geöffnet.

Nach der ärztlichen Leichenschau stellt der Arzt den Tod des Verstorbenen fest und dokumentiert alle wichtigen Informationen wie die Todesursache und den Todeszeitpunkt im Totenschein. Doch bekommt der Arzt einen Zuschlag, wenn er Covid-19 dort einträgt?

Ein Pressesprecher der Bundesärztekammer teilte uns mit: „Die Vergütung der Leichenschau richtet sich nach der Gebührenordnung für Ärzte und ist selbstverständlich nicht an bestimmte Todesursachen gebunden.“ 

Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) regelt die Abrechnung privatärztlicher Leistungen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung. Am 7. Mai wurde die GÖA ergänzt: Im Rahmen der Covid-19-Pandemie können Privatärzte nun unter anderem „aufwändige Hygienemaßnahmen“ berechnen, jedoch nicht unbedingt bei der Leichenschau. Lediglich ein erhöhter (Zeit-)Aufwand bei besonderen Todesumständen ist demnach eventuell berechnungsfähig (Abschnitt 8). Genauer erläutert wird dies auch in einem Artikel der Medical Tribune, einem Verlag für medizinische Fachinformationen. Von einer zusätzlichen Vergütung für die Feststellung der Todesursache Covid-19 ist nicht die Rede.

Auch ein Sprecher des Bundesministeriums für Gesundheit schrieb uns: „Eine wie auch immer geartete ‘Prämie’ für die Diagnose bzw. die Todesfeststellung Covid-19 gibt es weder seitens des Bundes noch seitens der GKV [Gesetzlichen Krankenversicherung, Anm. d. Red.].“ 

Krankenhäuser rechnen Fallpauschalen für Diagnosen ab

In Krankenhäusern erfolge die Abrechnung von Behandlungen nach dem Fallpauschalensystem, schreibt das Bundesministerium für Gesundheit auf seiner Webseite. Die Todesursache spielt für die Berechnung aber keine Rolle. Denn: Wie viel Geld ein Krankenhaus für eine Leistung erhalte, werde „insbesondere durch die Diagnose, den Schweregrad der Krankheit sowie die erbrachten Leistungen des Arztes bestimmt“.

Für die Krankenhäuser bedeutet das: „Bei Patientinnen und Patienten mit leichten Erkrankungen sind die Vergütungen in der Regel geringer als bei schweren, aufwändig zu behandelnden Erkrankungen.“

Die Fallpauschale wird von jedem Krankenhaus nach einem Fallpauschalenkatalog abgerechnet. Jedem Patientenfall wird eine Diagnosen-Gruppe (Diagnosis Related Groups, kurz: DRG) zugeordnet, die wiederum die Höhe des Erlöses für das Krankenhaus bestimmt. Das sogenannte DRG-System wird von der Inek-GmbH (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus) verwaltet. Jeder Diagnose-Gruppe ist in diesem System ein Code zugeordnet, mit dem sie verschlüsselt wird.

Selbst wenn die Diagnose Covid-19 festgestellt wird, werde dies momentan nicht zusätzlich vergütet, bestätigte Jörn Wegener, Pressereferent der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) in Berlin gegenüber CORRECTIV. „Das Abrechnungssystem wird nur zum Wechsel des Kalenderjahres angepasst. Diagnostiziert ein Arzt also als Todesursache Covid-19, hat er dadurch keinerlei Vor- oder Nachteile.“

Dies schrieb uns auch eine Sprecherin der Inek-GmbH per E-Mail: „Im Jahr 2020 wirkt sich die Verschlüsselung der Covid-Erkrankung nicht auf die Vergütung in deutschen Krankenhäusern aus.“