Doch, der Bundespräsident hat sich bei den „Helden“ vom Breitscheidplatz bedankt
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Ende August fünf Polizisten und eine Polizistin ins Schloss Bellevue eingeladen, um sich für ihren Einsatz bei der Corona-Demonstration zu bedanken. Auf Facebook wird behauptet, dass die Helfer des Terroranschlags am Breitscheidplatz keine solche Anerkennung erhalten hätten. Das stimmt nicht.
Der deutsche Bundespräsident hat am Montag, 31. August, fünf Polizisten und eine Polizistin zu seinem Amtssitz im Schloss Bellevue eingeladen. Er bedankte sich für den Einsatz der Polizei bei den Corona-Demonstrationen in Berlin. Ein Blogger suggeriert in einem Facebook-Beitrag, die „Feierstunde“ sei unverhältnismäßig gewesen. Im Vergleich dazu, behauptet er, habe der Bundespräsident vor vier Jahren die Helfer nach dem Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz nicht geehrt. Der Beitrag wurde am 1. September auf Facebook veröffentlicht und bislang mehr als 1.400 Mal geteilt.
Der Facebook-Nutzer ist ein rechter Blogger: Holm Teichert schreibt in dem Facebook-Beitrag, dass er auch für die Deutschlandstimme schreibe. Dort wurden bereits häufiger Falschmeldungen verbreitet, zum Beispiel nach dem Anschlag in Hanau, wie CORRECTIV in einem Faktencheck berichtete.
Recherchen von CORRECTIV zeigen, dass die Behauptungen in dem Facebook-Beitrag über die geehrten Polizisten und Polizistinnen größtenteils falsch sind. Am Tag des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz in Berlin, am 19. Dezember 2016, war Steinmeier noch nicht im Amt. Die Angehörigen der Opfer wurden zwei Monate später ins Schloss Bellevue eingeladen – vom damals amtierenden Bundespräsidenten Joachim Gauck.
Demonstranten durchbrachen Absperrung und stellten sich auf die Treppen vor dem Reichstag – die Polizei reagierte
Den Vorfall am Reichstagsgebäude am 29. August spielt Teichert in seinem Facebook-Beitrag runter: Der Blogger schreibt, dass die „drei Polizisten“ zum Amtssitz des Bundespräsidenten eingeladen worden seien, weil sie „300 oder 400 Gipfelstürmer aufhielten, die in Wahrheit nur (sic!) auf die Treppen des Reichstages wollten“. Teichert bezieht sich auf eine unerlaubte Versammlung, bei der 300 bis 400 Demonstranten laut Polizei eine Absperrung durchbrachen und – teils mit Reichsflaggen – auf die Treppen des Reichstagsgebäudes vordrangen.
Die Menge hatte die Polizisten und Polizistinnen unten an der Absperrung überrascht, sodass anfangs nur drei Beamte am oberen Ende der Treppe standen und die Eingänge blockierten. Wie uns ein Sprecher des Bundespräsidialamts sagte, seien drei weitere Kollegen „schnell zur Stelle“ gewesen. Diese sechs Polizisten, darunter eine Frau, wurden am 31. August zum Hauptsitz des Bundespräsidenten eingeladen.
Bundespräsident Steinmeier bedankte sich bei allen Polizisten und Polizistinnen, die in Berlin im Einsatz waren
In einer Pressemitteilung des Bundespräsidenten heißt es: „Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Polizistinnen und Polizisten gedankt, die am 29. August bei den Demonstrationen in Berlin im Einsatz waren. Am 31. August empfing er stellvertretend sechs von ihnen zu einem Gespräch in Schloss Bellevue.“
Demnach sagte Steinmeier nach dem Treffen am 31. August: „Sie, die Polizistinnen und Polizisten, haben dafür gesorgt, dass zehntausende Menschen ihr Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit ausüben konnten. (…) Als aber die Auflagen willentlich und wissentlich missachtet wurden und Demonstranten zur Gewalt aufriefen, haben Sie unter äußerst schwierigen Bedingungen die Demonstration aufgelöst und das Recht durchgesetzt.“
Nach Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz: Betroffene, Angehörige und Helfer erhielten Anerkennung
Im Facebook-Beitrag behauptet Teichert, der Bundespräsident habe vor vier Jahren die „Ersthelfer vom Breitscheidplatz, die Sanitäter, die Feuerwehrmänner, die Notärzte, die Chirurgen und die Opfer“ nicht empfangen. Er bezieht sich auf den Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016, bei dem laut Abschlussbericht des Bundesbeauftragten für die Opfer insgesamt zwölf Menschen ums Leben kamen und Dutzende verletzt wurden.
Zudem suggeriert Teichert, dass Steinmeier zu diesem Zeitpunkt Bundespräsident gewesen und somit verantwortlich sei. Doch das stimmt nicht. Damaliger Bundespräsident war Joachim Gauck.
Tatsächlich wurde die Regierung damals für ihren Umgang mit den Angehörigen der Opfer des Anschlags kritisiert, wie mehrere Medien berichteten. Die Angehörigen beklagten vor allem den Mangel an Information. Gauck habe versprochen, in Zukunft die Kommunikation zu verbessern.
Das Bundespräsidialamt teilte uns auf Nachfrage mit: Zwei Monate nach dem Anschlag habe Gauck rund 60 Angehörige der Opfer im Schloss Bellevue empfangen. Zudem gab es eine Trauerfeier unmittelbar nach dem Terroranschlag am 20. Dezember 2016.
Frank-Walter Steinmeier bedankte sich ein Jahr später bei den „Helden“ vom Breitscheidplatz
Ein Jahr nach dem Anschlag fand außerdem eine Gedenkveranstaltung auf dem Breitscheidplatz statt. Mit dabei: der neue, amtierende Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. In seiner Rede dankte er unter anderem den Polizisten, Sanitätern und Ersthelfern.
Steinmeier sagte damals: „Unser Dank gilt all denen, die geholfen haben, unmittelbar nach dem Anschlag und in den Wochen und Monaten danach: den stillen Helden, die für die Verletzten und Hinterbliebenen da waren, den Polizisten, Sanitätern und Ersthelfern, den Hilfsorganisationen und Opferbeauftragten.“
Fazit: Die Behauptung, dass der Bundespräsident die „Ersthelfer vom Breitscheidplatz, die Sanitäter, die Feuerwehrmänner, die Notärzte, die Chirurgen und die Opfer“ nicht empfangen habe, ist größtenteils falsch. Der damalige Bundespräsident Gauck hat die Angehörigen der Opfer zwei Monate nach dem Anschlag ins Schloss Bellevue eingeladen. Gaucks Nachfolger Steinmeier hat sich ein Jahr später noch einmal öffentlich bei allen „Helden“ bedankt.