Keine Belege, dass dieser Berliner Polizist nach der Corona-Demo gekündigt hat
In einer Whatsapp-Nachricht heißt es, ein Polizist sei nach seinem Einsatz beim Corona-Protest am 1. August in Berlin abgemahnt worden und habe im Anschluss gekündigt. Unseren Recherchen zufolge gibt es dafür keine Belege. Der Mann ist laut Polizei weiterhin als Einsatzbeamter in Berlin tätig.
Am 1. August protestierten in Berlin tausende Menschen gegen die Corona-Maßnahmen in Deutschland. In einer Whatsapp-Nachricht wurde anschließend behauptet, ein Polizist sei nach seinem Einsatz bei der Demonstration abgemahnt worden und habe im Anschluss seinen Job gekündigt, weil er mit dem Vorgehen der Polizei nicht einverstanden gewesen sei. Ein Screenshot dieser Nachricht wurde am 1. September in einem Facebook-Beitrag veröffentlicht, der mehr als 700 Mal geteilt wurde. Der Beitrag ist inzwischen gelöscht.
Unsere Recherchen ergaben: Das Foto ist echt, doch die Behauptungen im Text der Whatsapp-Nachricht sind unbelegt und in großen Teilen unplausibel. Der Polizist wird laut Polizei Berlin weiterhin als Einsatzbeamter eingesetzt.
Es wird behauptet: „Nun hat er die Schnauze voll gehabt und hat gekündigt“
In der Whatsapp-Nachricht heißt es über den Polizisten: „Nachdem er bei der Demo am 1.8. lange gezögert hat, weil es ihm weh tat, der Masse zu erklären, das [sic] die Demo für beendet erklärt wird, hat er für die Verzögerung eine Abmahnung bekommen, mit dem Hinweis, bei Wiederholung Strafversetzung in den Innendienst! Bei der Demo am 29.8. hat er vor der russischen Botschaft den Befehl gegeben: Helme ab! Dafür wurde er 4 Wochen vom Dienst suspendiert und ein Stern abgezogen! Nun hat er die Schnauze voll gehabt und hat gekündigt!“
Hintergrund: Die Polizei hat die Corona-Demonstration am 1. August laut einer Pressemitteilung am frühen Nachmittag aufgelöst. Dies begründete die Berliner Polizei damit, dass sich die Teilnehmenden nicht an „das geltende Hygienekonzept und die Auflage zum Tragen des Mund-Nase-Schutzes“ gehalten hätten.
Polizist machte Durchsage bei der Demonstration
Der Polizist, der auf dem Foto zu sehen ist, hat tatsächlich eine Durchsage auf der Corona-Demonstration am 1. August gemacht. Um die Privatsphäre des Mannes zu schützen, haben wir sein Gesicht und seine persönlichen Daten in allen hier veröffentlichten Bildern unkenntlich gemacht.
Über eine Bilder-Rückwärtssuche mit Google sind wir auf ein Video gestoßen, das am 1. August von einem Nutzer auf Youtube veröffentlicht wurde. Darin ist derselbe Polizist wie auf dem Foto in der Whatsapp-Nachricht zu sehen. Er will eine Durchsage auf der Bühne machen, die an jenem Tag auf der Straße des 17. Juni aufgebaut war, wie auf Pressefotos zu sehen ist. Vor der Bühne sind tausende Demonstranten und die Berliner Siegessäule zu erkennen.
Das Youtube-Video trägt den Titel: „Stephan Bergmann versucht Polizisten zum Helden zu machen“. Stephan Bergmann ist Pressesprecher von „Querdenken 711“, eine Initiative, die sich gegen die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie richtet.
Video zeigt: Die Durchsage des Polizisten war wegen „Buh“-Rufen und Pfiffen kaum zu verstehen
Das Video zeigt, wie der Polizist ein Mikrofon in der Hand hält und eine Durchsage der Polizei ankündigt (ab Minute 0:15). Dann sind lautes Pfeifen und „Buh“-Rufe aus der Menge zu hören. Neben ihm steht ein Mann, der dem Polizisten sagt, er solle, „das Richtige zu tun“. Dabei könnte es sich um Stephan Bergmann handeln, der im Titel des Videos genannt wird. Sicher ist das aber nicht, da er nicht zu sehen ist.
Der Polizist reagiert nicht auf den Mann, der ihn anspricht. Stattdessen schaut er auf den Boden oder zur Seite und wartet ab. Mehr als eine Minute lang sagt der Polizist nichts, erst bei Minute 1:35 hält er wieder das Mikrofon an den Mund. Dann sagt er: „Es folgt eine Durchsage der Berliner Polizei. […] Die Versammlung ist hiermit aufgelöst.“ Zwischendurch ist der Polizist kaum noch zu verstehen. Die Rufe aus der Menschenmenge übertönen ihn. Zudem redet der Mann neben ihm weiter auf ihn ein.
Nachdem die Durchsage beendet ist, diskutieren mehrere Personen mit dem Polizisten. Der Mann, bei dem es sich um Bergmann handeln könnte, sagt ab Minute 3:50: „Das ist deine Chance, du wirst reich. Wir sorgen für dich.“ Der Polizist sagt nur: „Ich bin der falsche Ansprechpartner, das ist vergebene Liebesmüh.“
Polizeisprecher über das Zögern bei der Durchsage: „Der wird einfach noch kurz gewartet haben, dass sich die Stimmung wieder ein wenig legt“
In der Whatsapp-Nachricht wurde behauptet, dass es dem Polizisten „weh tat, der Masse zu erklären, das [sic] die Demo für beendet erklärt wird“. Das wirkt in dem Video, das uns vorliegt, nicht so. Es ist zu hören, wie der Mann sachlich erklärt, warum die Versammlung beendet werden muss.
In dem Video ist auf der Jacke des Polizisten auch sein Name zu erkennen. Bei der Suche nach diesem Namen im Internet stießen wir auf ein weiteres Youtube-Video mit dem Sprecher der Berliner Polizei, Thilo Cablitz. Darin fragte der politische Aktivist Martin Lejeune, warum der Polizist auf der Bühne mit der Durchsage so lange gewartet habe. Sprecher Cablitz antwortete: „Ich kenne den Kollegen persönlich, der wird einfach noch kurz gewartet haben, dass sich die Stimmung wieder ein wenig legt, damit er weiter sprechen kann und auch hörbar ist“ (ab 00:42).
Lejeune fragte erneut nach: „Also der Kollege hat jetzt nicht überlegt, ich schmeiße das jetzt alles hin und schließe mich den Demonstranten an und ruft die Revolution aus?“ Cablitz antwortete: „Nein, nicht mal ansatzweise.“
Der Polizist ist weiterhin für die Polizei Berlin im Einsatz
Es wird behauptet, dass der Polizist für die Verzögerung bei der Durchsage eine Abmahnung bekommen habe. Das ist nicht plausibel. Der Pressesprecher der Berliner Polizei betonte in dem Interview mit Lejeune, dass sich der Polizist richtig verhalten habe: „Der war einfach ruhig und hat wieder die Möglichkeit abgewartet, dass man ihn auch hören kann.“ Das deutet nicht darauf hin, dass der Mann abgemahnt wurde.
Wir haben zudem bei der Pressestelle der Berliner Polizei nachgefragt, ob der Polizist abgemahnt, versetzt oder suspendiert wurde, beziehungsweise gekündigt hat. Ein Sprecher antwortete uns per E-Mail: „Der angefragte Kollege wird weiterhin als Einsatzbeamter der Polizei Berlin eingesetzt. Ich bitte um Ihr Verständnis, dass weitere Auskünfte zu einzelnen Mitarbeitenden der Polizei aus Persönlichkeits- und Datenschutzgründen nicht erteilt werden.“