Nein, die Polizei ist nicht auf „Netzmasken“ umgestiegen, weil man damit besser atmen könne
Auf Facebook kursiert eine Aufnahme, die eine Gruppe Polizisten zeigt. Als Mund-Nasen-Bedeckung tragen sie Rundschals. Auf Facebook wird behauptet, es handele sich um „Netzmasken“ und die Polizei trage sie nun, weil man damit besser atmen könne. Das stimmt nicht.
„Die Polizei trägt jetzt Netzmasken….wegen der besseren Atmung“, heißt es in einem Facebook-Beitrag vom 17. Oktober. Dazu wurde ein Foto einer Gruppe Polizisten veröffentlicht. Der Beiträg und ähnliche in Sozialen Netzwerken (zum Beispiel hier oder hier) wurden mehrere tausend Mal geteilt.
Recherchen von CORRECTIV zeigen jedoch, dass die Aufnahme aus dem Kontext gerissen wurde: Es handelt sich um einen Screenshot aus einem TV-Beitrag aus Bayern vom Mai. Damals galt bei Demonstrationen keine Maskenpflicht und Rundschals laut Polizei als adäquate Form der Mund-Nasen-Bedeckung.
Das Foto der Polizisten stammt von einem Einsatz im Mai bei einer Demonstration in Nürnberg
Auf dem Foto ist zu sehen, dass die Polizeibeamten Hemden mit kurzen Ärmeln tragen, was darauf hindeutet, dass das Foto nicht aktuell ist. Zudem ist auf dem Screenshot zu erkennen, dass die Aufnahmen von der TV-Sendung Frankenschau Aktuell stammen. Dabei handelt es sich um eine tägliche Magazinsendung des Bayerischen Rundfunks für die Regionen Ober-, Mittel- und Unterfranken.
CORRECTIV wandte sich an die örtliche Polizei, um herauszufinden, von wann und wo die Aufnahme stammt. Stefan Bauer, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Mittelfranken, erklärte uns per E-Mail: „Es konnte nachvollzogen werden, dass es sich bei dem Foto um eine Aufnahme aus Mittelfranken handelt. Diese wurden im Rahmen eines Einsatzgeschehens am 09.05.2020 in Nürnberg aufgenommen.“
Medienberichten zufolge fanden an diesem Samstag in mehreren Städten, unter anderem in Nürnberg, Demonstrationen gegen die Corona-Infektionsschutzregeln statt. Auch in der Mediathek des BR ist der entsprechende Ausschnitt der Frankenschau zu finden. Ab Minute 0:11 ist die Szenerie zu sehen, aus der der in Sozialen Netzwerken verbreitete Screenshot stammt.
Ein weiteres Indiz dafür, dass es sich tatsächlich um Beamte in Nürnberg handelt, ist das Logo der Bayerischen Polizei. Desweiteren ist auf den Uniformen das Abzeichen USK zu sehen, dasa für die Zugehörigkeit der Beamten zum sogenannten Unterstützungskommando der bayerischen Polizei steht. Im Hintergrund ist das Gebäude einer Commerzbank zu erkennen. Über eine Google Maps-Suche finden wir eine Commerzbank in der Königstraße in Nürnberg, die dieselben Gebäude-Merkmale aufweist wie die auf der Aufnahme der Polizisten.
Der Sprecher der Polizei erklärte, dass die Beamten Schlauchschals trugen und ergänzt: „Zum damaligen Zeitpunkt wurde diese Form der Mund-Nasen-Bedeckung als ausreichend erachtet. Diese wurden später einer genauen Prüfung unterzogen und werden seit einiger Zeit aus verschiedenen Gründen nicht mehr eingesetzt.“
Der dünne Stoff der Rundschals wirkt an einigen Stellen transparent beziehungsweise scheint ein Muster zu haben, zu sehen beispielsweise im Video ab Minute 00:16. Was der Grund dafür ist, ist unklar. Für eine Nachfrage dazu konnten wir die Pressestelle der Polizei am Freitag nicht erreichen.
Im Mai war ein Mund-Nasen-Schutz bei Versammlungen in Bayern nicht verpflichtend
Damals habe die 3. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung gegolten, welche keine generelle Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung vorsah, so der Sprecher. Diese war bis zum 10. Mai 2020 in Kraft.
Bezüglich Versammlungen stand darin lediglich, dass ein Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten sei und jeder Körperkontakt mit Versammlungsteilnehmern oder Dritten zu vermeiden. Eine Maskenpflicht für Versammlungen im Freien gab es zu diesem Zeitpunkt in Bayern nicht.
Meist sei das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung jedoch als Empfehlung in den Auflagenbescheid mit aufgenommen worden, erklärt der Sprecher der Polizei Mittelfranken: „Bei der Bayerischen Polizei bestand zu dieser Zeit keine generelle Pflicht zum Tragen von Masken im Innen- und Außendienst. Jedoch erging intern die Empfehlung bei Bürgerkontakt einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen.“
Anfang Mai gab es generell noch keine konkreten Empfehlungen zur expliziten Form der Mund-Nasen-Bedeckung. Erst im Juni veröffentlichte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Hinweise zur Verwendung unterschiedlicher Formen der Mund-Nasen-Bedeckung, denen jeweils verschiedene Schutz- und Verwendungszwecke zugewiesen werden. Rundschals und Netzmasken sind dort nicht explizit erwähnt, aber es wird darauf hingewiesen, dass fest gewebte Stoffe besser geeignet seien als leicht gewebte Stoffe.
Neuere Studie weist Schals keine ausreichende Schutzwirkung als Mund-Nasen-Bedeckung nach
In der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Science Advances wurde im September eine Studie veröffentlicht, für die 14 verschiedene Formen von selbstgemachten Masken und Masken-Alternativen und eine medizinische Maske als Mund-Nasen-Schutz auf ihre Wirksamkeit hin getestet wurden. Die Wissenschaftler maßen dazu, inwiefern das Tragen der Masken die Übertragung von Tröpfchen beim Sprechen reduziert. Das getestete Bandana-Tuch sowie ein Rundhalstuch (Nummer 11 und 12) schnitten dabei am schlechtesten ab. Sie wurden als sehr durchlässig eingestuft und böten folglich wenig Schutz.
Inzwischen würden Schlauchschals bei der mittelfränkischen Polizei auch nicht mehr eingesetzt, erklärt Pressesprecher Bauer.
Fazit: Die in Sozialen Netzwerken verbreitete Aufnahme der Polizisten in Nürnberg wurde aus dem Kontext gerissen. Sie zeigt nicht, dass die Polizei „jetzt“ „Netzmasken“ trägt, damit die Beamten besser atmen können. Die Aufnahme entstand im Mai, als die Corona-Regeln und die Empfehlungen für das Tragen von Masken noch andere waren. Inzwischen verwendet die Polizei Bayern die Rundschals eigenen Angaben zufolge nicht mehr als Maskenersatz.
Redigatur: Till Eckert, Alice Echtermann