Nein, der Berliner Senat hat nicht bestätigt, dass PCR-Tests „Betrug“ sind und keine Infektion nachweisen können
Ein auf Facebook vielfach verbreiteter Artikel von Anonymous News konstruiert aus einer Erklärung des Berliner Senats, dass PCR-Tests „Betrug“ seien: Angeblich könnten sie keine Infektion mit dem Coronavirus nachweisen. Das stimmt so nicht.
„Berliner Senat bestätigt staatlichen Corona-Betrug: PCR-Tests können keine Infektion nachweisen“ ist auf dem Foto in einem Facebook-Beitrag zu lesen, der mehr als 1.000 Mal geteilt wurde. Das Bild zeigt einen offenbar von einem Monitor abfotografierten Text einer Webseite. Eine auf Facebook begrenzte Google-Suche der Schlagzeile führt unter anderem zur Facebook-Seite der AfD Greiz-Altenburg und zur dort verlinkten Quelle der Schlagzeile: Sie gehört zu einem Text, der auf Anonymous News veröffentlicht und laut dem Analysetool Crowdtangle mehr als 1.000 Mal geteilt wurde.
In dem Artikel wird behauptet, dass durch eine Anfrage des Mitglieds im Berliner Abgeordnetenhaus Marcel Luthe (fraktionslos) an den Senat nun „endgültig aufgedeckt“ sei, dass PCR-Tests keine Infektion beim Menschen nachweisen können und daher ein „groß angelegter Betrug“ vorliegen würde.
Das stimmt nicht, wie ein genauerer Blick in die Antworten des Berliner Senats zeigt. Sie werden falsch interpretiert. Auch die Faktenchecker der DPA haben die Behauptung bereits als falsch eingestuft.
Was stimmt: PCR-Tests sind kein Nachweis, dass jemand ansteckend ist
In dem Artikel von Anonymous News wird behauptet: „Die [Berliner] Senatsverwaltung erklärte, dass es sich im Zusammenhang mit dem [Infektionsschutzg]esetz um ein „vermehrungsfähiges Agens (Virus, Bakterium, Pilz, Parasit) oder ein sonstiges biologisches transmissibles Agens, das bei Menschen eine Infektion oder übertragbare Krankheit verursachen kann“ handeln müsse, damit von einem „Krankheitserreger“ gesprochen werden könne.“
Das ist korrekt und geht so auch aus der Antwort des Berliner Senats auf Luthes dritte Frage (Seite 2 im Dokument) hervor. Er hatte danach gefragt, wie das Infektionsschutzgesetz einen „Krankheitserreger“ formal definiert.
Der Senat, so die Argumentation von Anonymous News weiter, habe auch erklärt, dass ein PCR-Test nicht zwischen einem vermehrungsfähigen Virus und einem nicht vermehrungsfähigen Virus unterscheiden könne. Auch das ist korrekt (Seite 2 f. im Dokument). Ein positiver PCR-Test, so hatten wir bereits Anfang Oktober in einem Faktencheck erklärt, weist das Vorhandensein des Virus (beziehungsweise seines Genmaterials) im Körper nach – er zeigt nicht, ob eine Person ansteckend ist. PCR-Tests können laut RKI während der infektiösen Phase positiv ausfallen, aber auch kurze Zeit davor oder danach.
Anonymous News ignoriert wesentlichen Teil der Antwort des Berliner Senats
Anonymous News zufolge sei mit der Antwort des Senats angeblich bewiesen, dass PCR-Tests keine Infektionen (im Sinne des Infektionsschutzgesetzes) nachweisen können. Damit wird impliziert, dass die Corona-Maßnahmen, die sich auf dieses Gesetz stützen, rechtswidrig seien: „Der Berliner Senat selbst nutzt sogar trotz dieses Wissens die Ergebnisse aus PCR-Tests, um die Freiheiten der Bürger einzuschränken und andere willkürliche Maßnahmen zum angeblichen Infektionsschutz zu treffen.“
Die Argumentation vom angeblichen Betrug ist konstruiert. Ein positiver PCR-Test bedeutet, dass eine Infektion stattgefunden hat. Direkt in der nächsten Frage beantwortete der Berliner Senat, weshalb er seine Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie von PCR-Tests abhängig macht: „Weil mit dem PCR-Test das Vorhandensein von SARS-CoV-2 Viren nachgewiesen wird. Das Vorhandensein dieser Viren korreliert mit einer Infektion mit diesen Viren. Diese Infektion ist relevant für die Überlegungen zum Infektionsschutz.“ Diesen Teil der Antwort erwähnt Anonymous News nicht.
Dass der Senat in diesem Dokument einen Betrug zugegeben hätte oder erklärt habe, dass PCR-Tests nicht geeignet seien für den Nachweis einer Infektion, ist also falsch.
Testergebnisse sind laut Infektionsschutzgesetz meldepflichtig, wenn eine akute Infektion vorliegt
Eine Infektion im Sinne des Infektionsschutzgesetzes wird definiert durch die „Aufnahme eines Krankheitserregers und seine nachfolgende Entwicklung oder Vermehrung im menschlichen Organismus“.
Ein positiver PCR-Test sagt aus, dass die getestete Person mit dem Krankheitserreger SARS-CoV-2 infiziert ist oder war, denn „Wo soll [das Virus] auch sonst herkommen?“, wie uns Friedemann Weber, Direktor am Institut für Virologie der Justus-Liebig-Universität in Gießen für einen früheren Faktencheck zu diesem Thema schrieb.
Laut Infektionsschutzgesetz besteht eine Meldepflicht für Labore, wenn das Virus SARS-CoV-2 „direkt oder indirekt“ nachgewiesen wurde, „soweit die Nachweise auf eine akute Infektion hinweisen“. Wie uns das Robert-Koch-Institut (RKI) per E-Mail mitteilte, gilt eine durch einen PCR-Test nachgewiesene Infektion mit SARS-CoV-2 jedoch immer als akut.
Ob das Virus zum Zeitpunkt des Tests ansteckungsfähig ist, ist für das Gesetz also nicht relevant. Relevant sei, dass das nachgewiesene Virus dazu geeignet ist, eine Infektion zu verursachen, bestätigt das RKI: „Es kommt allein auf den Erregernachweis an […]. Ein PCR-Test zeigt an, wenn das Virus im Organismus vorhanden sind, d. h. es wird mittels PCR Genommaterial des Virus’ identifiziert. Ist dies der Fall, liegt eine akute Infektion mit einem Erreger, z. B. SARS-CoV-2, im Sinne von § 2 Nr. 2 IfSG vor.“
So lange eine solche akute Infektion vorliege, könne der Infizierte jedoch auch potenziell andere Personen anstecken.
Redigaturen: Alice Echtermann, Till Eckert
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- § 2 Infektionsschutzgesetz (Link)
- Antwort des Berliner Senats auf die Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (Link)