Faktencheck

Es gab keinen Impfstoff gegen die Spanische Grippe 1918 – daher konnte niemand an einer Impfung sterben

In einem Facebook-Beitrag wird behauptet, bei der Spanischen Grippe 1918 habe „allein die Impfung 50 Millionen Menschen getötet“. Das stimmt nicht – zu dieser Zeit gab es noch gar keine Grippeimpfungen.

von Till Eckert

spanische grippe titelbild
Dieses Bild kursiert auf Facebook. Die Behauptung ist falsch – 1918 existierte gar keine Impfung. (Screenshot: CORRECTIV)
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1918 habe „allein die Impfung“ gegen die Spanische Grippe 50 Millionen Menschen getötet.
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Frei erfunden. Zur Zeit der Spanischen Grippe im Jahr 1918 gab es noch keine Grippeimpfungen.

Ein Facebook-Beitrag soll Angst vor Impfungen schüren: Behauptet wird, zur Zeit der Spanischen Grippe im Jahr 1918 seien 50 Millionen Menschen allein durch eine Impfung gegen die Krankheit gestorben. 

Das entbehrt jeder Grundlage: Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) gab es zu dieser Zeit noch gar keine Grippeimpfungen, wie sie CORRECTIV mitteilten.

WHO: „Der erste Grippeimpfstoff wurde erst in den 1940er-Jahren entwickelt“

Eine Sprecherin der WHO schrieb uns per E-Mail: „Zur Zeit der Grippepandemie 1918-19 gab es keinen Impfstoff (der erste Grippeimpfstoff wurde erst in den 1940er Jahren entwickelt). Forscher haben geschätzt, dass zwischen 20 und 50 Millionen Menschen während der Pandemie 1918-19 starben, aber nicht an dem Impfstoff, da kein Impfstoff zur Verfügung stand.“

Zu den damals getroffenen Maßnahmen schrieb uns die Sprecherin außerdem: „Da weder Grippeimpfstoffe noch Virostatika zur Verfügung standen, wurden während der Grippepandemie 1918-19 viele derselben heute angewandten Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit und im sozialen Bereich eingesetzt.“

Auszug aus der E-Mail der WHO. (Screenshot: CORRECTIV)

Der Influenza-Experte Pasi Penttinen vom ECDC schrieb uns auf die Frage, ob es 1918 einen Impfstoff gegen die Spanische Grippe gab: „Nein, 1918 war das Grippevirus nicht einmal entdeckt worden. Schätzungen der unmittelbaren Auswirkungen der Spanischen Grippe belaufen sich auf mehrere zehn Millionen Todesfälle weltweit zwischen 1918-1920, sind aber sehr schwer abzuschätzen.“

„Die in den Jahren 1918-1919 getroffenen Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit waren den heutigen Maßnahmen sehr ähnlich“, schreibt Penttinen weiter. Darunter: „Körperliche Distanzierung, Bewegungseinschränkungen, Verwendung von Gesichtsmasken, Erhöhung der Beatmung, Schließung von Schulen.“

Foto zeigt Menschen während der Grippe-Pandemie in Kalifornien im Jahr 1918 

Eine Google-Bilderrückwärtssuche nach dem Foto, das für den Beitrag verwendet wurde, führt unter anderem zu einem Artikel der New York Times vom 3. August. Dort ist das Originalfoto in voller Größe zu sehen. Als Bildunterschrift ist dort zu lesen: „Eisenbahnpendler, die während der Influenzapandemie 1918 in Kalifornien weiße Schutzmasken trugen, eine Frau mit der zusätzlichen Botschaft ‘Tragen Sie eine Maske oder gehen Sie ins Gefängnis’.“ 

Als Quelle ist die Stockfoto-Datenbank „alamy“ angegeben. Dort findet sich mit den Suchbegriffen „1918 spanish flu“ ein Ausschnitt des verwendeten Fotos. Laut der Bildunterschrift entstand es tatsächlich 1918 während der Spanischen Grippe.

Auch die Behauptungen im Text des oben verlinkten Facebook-Beitrags, wonach Impfungen gegen andere Krankheiten die Spanische Grippe ausgelöst hätten, sind falsch. Wir haben den Kettenbrief in einem weiteren Faktencheck im Januar 2022 überprüft: Die WHO, das ECDC und ein Experte von der Charité Berlin widersprechen dieser Behauptung.

Fazit: Die Schutzmaßnahmen gegen die Spanische Grippe im Jahr 1918 ähnelten tatsächlich denen, die heute gegen das Coronavirus getroffen werden, darunter das Tragen von Schutzmasken. 50 Millionen Menschen ist eine Schätzung bezüglich der Menschen, die damals weltweit an dem Virus starben. Einen Impfstoff hat es gegen die Spanische Grippe aber nicht gegeben, also konnte auch niemand an einer Impfung sterben. 

Redigatur: Sarah Thust, Alice Echtermann

Update, 3. Januar 2022: Wir haben diesen Text um das Ergebnis aus einem aktuelleren Faktencheck ergänzt.

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