Faktencheck

Nein, das Tragen einer Maske führt nicht zu Sauerstoffmangel bei Kindern

Immer wieder kursieren Falschbehauptungen, die einen Zusammenhang zwischen dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und angeblichen Gesundheitsgefahren herstellen. Aktuell kursiert ein Bild, auf dem behauptet wird, Masken würden die Luftzufuhr bei Kindern massiv reduzieren. Experten widersprechen.

von Uschi Jonas

Falschbehauptungen über den Zusammenhang zwischen dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und angeblichen Gesundheitsgefahren für Kinder und Erwachsene kursieren immer wieder im Netz.
Falschbehauptungen über den Zusammenhang zwischen dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und angeblichen Gesundheitsgefahren für Kinder und Erwachsene kursieren immer wieder im Netz. (Symbolbild: Unsplash/ Atoms)
Behauptung
Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes reduziere die Frischluftzufuhr, besonders bei Kindern und Kleinkindern, weil eine Maske den Totraum stark vergrößere.
Bewertung
Größtenteils falsch
Über diese Bewertung
Größtenteils falsch. Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes bewirkt laut Experten einen geringen Atemwiderstand und kaum eine Erweiterung des Totraums. Weder für Kinder noch Erwachsene droht ein Sauerstoffmangel.

Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS) verringere die Frischluftzufuhr bei Erwachsenen um 16 Prozent, bei Kindern um 32 Prozent und bei Kleinkindern sogar um 61 Prozent, wird auf einem Bild auf Facebook behauptet. Damit wird suggeriert, das Tragen einer Maske gefährde die Gesundheit. Seit Anfang Oktober wurde das Bild mehrfach auf Facebook geteilt, zum Beispiel hier, hier oder hier. Recherchen von CORRECTIV zeigen, dass die aufgestellten Behauptungen größtenteils falsch sind.

Seit Monaten kursieren Falschbehauptungen darüber, dass das Tragen eines MNS angeblich eine Gesundheitsgefahr – auch für gesunde Menschen – darstelle. Wir haben dazu bereits mehrere Faktenchecks veröffentlicht

Durch das Tragen einer Maske tritt kein Sauerstoffmangel auf

CORRECTIV hat mehrere Experten und Mediziner zu den konkreten Behauptungen des geteilten Bildes befragt. Der Konsens: Weder Erwachsene noch Kinder werden durch das Tragen eines MNS daran gehindert, ausreichend Luft einzuatmen.  

Im ersten Teil des Bildes werden verschiedene Behauptungen zum Zusammenhang zwischen der menschlichen Atmung und dem Tragen eines MNS aufgestellt. Die Hauptaussage: Durch das Tragen einer Maske werde der sogenannte Totraum vergrößert, und das sorge dafür, dass der Gasaustausch beim Atmen nicht richtig funktioniere. Es werde zu viel CO2 eingeatmet, und man könne zu wenig Frischluft einatmen.

Dieses Bild, das auf Facebook geteilt wird, stellt einen angeblichen Zusammenhang zwischen Masken und nicht ausreichender Atemluft bei Kindern her. (Quelle: Facebook, Screenshot: CORRECTIV)
Dieses Bild, das auf Facebook geteilt wird, stellt einen angeblichen Zusammenhang zwischen Masken und nicht ausreichender Atemluft bei Kindern her. (Quelle: Facebook, Screenshot: CORRECTIV)

Der Totraum meint den Teil der Atemwege (Bronchien, Luftröhre, Mund-, Nasen-, Rachenbereich) und den luftführenden Teil der Lunge, der nicht am Gasaustausch teilnimmt, erklärt Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) und Chefarzt am Christlichen Kinderhospital Osnabrück, in einer E-Mail an CORRECTIV. Anders ausgedrückt ist der Totraum der Bereich der Atemwege, in dem es keinen Austausch mit frischer, sauerstoffreicher Luft gibt.

Masken bewirken nur eine geringe Erhöhung des Atemwiderstands und kaum eine Erhöhung des Totraumvolumens

Dominic Dellweg, Chefarzt der Abteilung Pneumologie und Intensivmedizin in der Lungenfachklinik Kloster Grafschaft in Schmallenberg, erklärt in einer E-Mail an CORRECTIV, dass durch einen MNS dieser Totraum jedoch lediglich teilweise vergrößert werde: Da die Maske nicht luftdicht am Gesicht anliegt, kann in der Zeit zwischen der Ausatmung und dem nächsten Atemzug CO2 entweichen.

Da man beim Tragen eines MNS durch den Stoff und die Seiten atmet, kann ständig frische Luft eingeatmet werden. Folglich könne der Körper das in ruhendem Zustand auch problemlos kompensieren, sagt auch Rodeck von der DGKJ. „Bei FFP-Masken liegt eine andere Situation vor, diese Masken sind abdichtend, bei richtiger Trageweise wird der Totraum vergrößert“, erklärt der Mediziner. 

So steht es auch auf der Webseite der DGKJ: „Je dichter eine Maske ist, desto mehr steigt der Atemwegswiderstand. Auch das wird durch vermehrte Atemarbeit ausgeglichen, kann aber als unangenehm empfunden werden und insbesondere bei langem Tragen ohne Pausen zu Symptomen wie zum Beispiel Kopfschmerzen führen.“

Angaben zum Totraumvolumen unter einer nicht medizinischen Maske sind falsch – es sind keine 80 Milliliter

Insgesamt sind die Auswirkungen folglich je nach Maskentyp und Stoffdurchlässigkeit unterschiedlich. Aber abgesehen von FFP2-Masken bewirkten alle Formen des MNS nur eine geringe Erhöhung des Atemwegswiderstands und kaum eine Erhöhung des Totraumvolumens, schreibt Rodeck. 

Bezogen auf Erwachsene wird auf dem Bild auf Facebook behauptet, sie würden in Ruhe 640 Milliliter Luft einatmen. 150 Milliliter davon seien eigenes Totraumvolumen, und eine Maske würde ein zusätzliches Totraumvolumen von 80 Millilitern erzeugen. Durch diese Totraumvergößerung werde dann die Frischluftzufuhr von Erwachsenen um 16 Prozent reduziert. 

Experten widersprechen auch hier. Im Ruhezustand atmen Erwachsenen etwa 500 Milliliter Luft ein, erläutert Till Reckert, Kinderarzt und stellvertretender Vorsitzender des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in Baden-Württemberg, in einer E-Mail an CORRECTIV. Bei Belastung lasse sich das Atemzugvolumen auf bis zu drei Liter steigern. Die 150 Milliliter eigenes Totraumvolumen seien korrekt. 

Was den zusätzlichen Totraum hinter einem MNS angeht, so erläutern uns mehrere Experten, dass er deutlich kleiner sei, als die auf dem geteilten Bild behaupteten 80 Milliliter. Realistisch seien fünf bis zehn Milliliter, sagen sowohl Wolfgang Straff, Arzt und Leiter des Fachgebiets Umweltmedizin und gesundheitliche Bewertung im Umweltbundesamt, als auch  der Pneumologe Dominic Dellweg. Unter dieser Annahme verringere sich die Frischluftzufuhr durch einen MNS bei Erwachsenen beispielsweise nur um zwei Prozent, so Dellweg. 

Stärkere Auswirkungen des Totraums unter der Maske auf Kinder?

Weiter wird auf dem auf Facebook geteilten Bild behauptet, das Tragen eines MNS reduziere (durch die angebliche Totraumvergößerung von 80 Millilitern) die Luftzufuhr bei Kindern um 32 Prozent und bei Kleinkindern um 61 Prozent. Für den Totraum hinter einem MNS gilt bei Kindern jedoch dasselbe wie für Erwachsene: Er liegt zwischen fünf und zehn Millilitern. 

Richtig sei, dass Masken größere Auswirkungen auf das Verhältnis von Totraum und Atmungsvolumen haben, je kleiner die Kinder sind. Denn der Totraum bleibt gleich groß, aber das Atemvolumen ist kleiner, je kleiner das Kind ist. „Dennoch tritt kein Sauerstoffmangel und keine CO2-Vergiftung auf, weil die Atmung ja daraufhin reguliert ist. Man atmet etwas stärker, um das wieder auszugleichen,“ schreibt Till Reckert vom BVKJ in Baden-Württemberg. 

Zudem gilt bei Kindern genauso wie bei Erwachsenen: MNS sind nicht gasdicht abgeschlossen, sondern luftdurchlässig. Es entsteht keine echte Totraumvergößerung, die Gesundheitsgefahren bergen könnte. 

Kinder haben keinen höheren Sauerstoffbedarf als Erwachsene

Bezüglich Kindern wird auf dem Bild auf Facebook die Behauptung aufgestellt, sie hätten einen höheren Sauerstoffbedarf als Erwachsene und ein Sauerstoffmangel würde nur über einen kurzen Zeitraum toleriert. Diese Aussage ist Experten zufolge falsch. 

Rodeck schreibt, das Atemzugvolumen (sprich das Volumen an Luft, das bei normaler Atmung mit einem Zug ein- und ausgeatmet wird), sei bei Kindern und Erwachsenen auf das Körpergewicht bezogen identisch und entspreche sechs bis acht Millilitern pro Kilogramm Körpergewicht. Kinder haben keinen vermehrten Sauerstoffbedarf im Vergleich zu Erwachsenen, sie atmen unter normaler Raumluft genauso komfortabel wie Erwachsene“, erklärt Rodeck. 

Es stimme zwar allgemein, dass Kinder eine Sauerstoffuntersättigung des Blutes nicht so lange wie Erwachsene tolerieren könnten, sagt Rodeck. Aber es bestehe keine Gefahr, dass es durch das Tragen eines MNS zu einem Sauerstoffmangel kommen könne. Aus den vorliegenden Studien im Erwachsenenalter wissen wir, dass vor, unter und nach dem Tragen einer Maske kein Unterschied in der Sauerstoffsättigung des Blutes zu beobachten ist“, so der Kinder- und Jugendmediziner.

Es gibt bereits Studien zu Masken bei Kindern

Auf dem auf Facebook geteilten Bild wird weiterhin behauptet, es gebe keinerlei Studien zu Kindern und Masken. Diese Behauptung ist falsch. Im Dezember 2019 wurde beispielsweise eine Studie veröffentlicht, die sich mit der Sicherheit und dem Komfort von Masken bei Kindern beschäftigt: A randomised clinical trial to evaluate the safety, fit, comfort of a novel N95 mask in children (Deutsch: Eine randomisierte klinische Studie zur Bewertung der Sicherheit, des Sitzes und des Komforts einer neuartigen N95-Maske [Anm. d. Red.: medizinische Maske] bei Kindern). 

Auch 2011 erschien eine Studie mit dem Titel Facemask Use by Children During Infectious Disease Outbreaks (Deutsch: Verwendung von Gesichtsmasken durch Kinder bei Ausbrüchen von Infektionskrankheiten).

Dass Kinder Masken tragen, ist auf Krebsstationen alltäglich

Im Krankenhaus ist es zudem schon lange üblich, dass Kinder MNS tragen. „Bei Kindern auf einer Krebsstation etwa ist das ganz alltäglich, dass sie eine Maske tragen. Das war noch nie ein Anlass zur Sorge“, erklärt Michael Achenbach, Mediziner und Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), der DPA für einen Faktencheck vom 14. Oktober.

Die Experten betonen zudem, dass eine Berechnung des Totraumvolumens oder Atemvolumens für Kleinkinder keinen Sinn ergebe, da diese von der Maskenpflicht ausgenommen sind. Die DGKJ schreibt: „Im Kleinkindalter raten wir vom Maskentragen ab, die Kinder können damit nicht sinnvoll umgehen. Auch im Grundschulalter sollte es keinen Maskenzwang geben.“

Die WHO empfiehlt grundsätzlich erst ab einem Alter von 12 Jahren das Tragen einer Maske, Kinder bis fünf Jahren sollten demnach in keinem Fall eine Mund-Nase-Bedeckung tragen. Konkret heißt es dazu von der WHO: Das basiert auf der Sicherheit und dem allgemeinen Interesse des Kindes und der Fähigkeit, eine Maske mit minimaler Unterstützung angemessen zu verwenden. Für Kinder zwischen sechs und elf Jahren wird das Tragen unter bestimmten Umständen empfohlen. 

In Deutschland sind die Regelungen je nach Bundesland unterschiedlich, gelten jedoch immer frühestens ab dem Schulalter. In Bayern beispielsweise gilt die Maskenpflicht für Kinder ab dem sechsten Geburtstag (Stand 3. Dezember). In Baden-Württemberg hingegen erst für Schülerinnen und Schüler weiterführender Schulen (Stand 3. Dezember).

Fazit

Durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung tritt Experten zufolge kein Sauerstoffmangel auf, weder bei Kindern noch bei Erwachsenen. MNS sind luftdurchlässig, weshalb eine echte Totraumvergrößerung nicht geschieht. Die Reduktion der Sauerstoffzufuhr (vor allem durch den Atemwegswiderstand) ist gering und wird gegebenenfalls durch stärkere Atmung ausgeglichen. Für Kinder unter sechs Jahren ist das Tragen einer Maske in Deutschland nicht vorgeschrieben. Die geringen Auswirkungen, die das Tragen eines MNS auf die Atmung hat, kann der menschliche Körper sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen laut Experten problemlos kompensieren.

Redigatur: Kathrin Wesolowski, Alice Echtermann

Die wichtigsten öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Studie von 2019: A randomised clinical trial to evaluate the safety, fit, comfort of a novel N95 mask in children Eine randomisierte klinische Studie zur Bewertung der Sicherheit, des Sitzes und des Komforts einer neuartigen N95-Maske (Anm. d. Red.: medizinische Maske) bei Kindern: Link
  • Studie von 2011: Facemask Use by Children During Infectious Disease Outbreaks Verwendung von Gesichtsmasken durch Kinder bei Ausbrüchen von Infektionskrankheiten: Link
  • Empfehlungen der WHO und von UNICEF zum Thema Masken: Link
  • FAQs der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin (DGKJ) zum Thema Masken und Kinder: Link