Keine Belege, dass bakterielle Lungenentzündungen durch das Tragen von Masken auftreten
Ein Mediziner warne vor dem vermehrten Auftreten von Lungenentzündungen, die durch das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes auftreten würden, heißt es in einem Facebook-Beitrag. Dafür gibt es keine Belege – Experten widersprechen.
Immer wieder kursieren in Sozialen Netzwerken falsche und irreführende Gerüchte über angebliche gesundheitliche Folgen durch das Tragen von Masken. Wir haben dazu zahlreiche Faktenchecks veröffentlicht. In einem Facebook-Beitrag heißt es aktuell auf einem geteilten Bild: „Mediziner warnt: Bakterielle Lungenentzündungen sind auf dem Vormarsch durch das Tragen von Masken“. Der Beitrag wurde Mitte Dezember veröffentlicht und mehr als 1.000 Mal geteilt. Eine Quelle für diese Behauptung wird nicht genannt. Recherchen von CORRECTIV zeigen aber, dass es in Deutschland keine Belege für durch das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verursachte Lungenentzündungen gibt.
Eine Lungenentzündung beziehungsweise Pneumonie ist eine Entzündung des Lungengewebes und/oder der Lungenbläschen. In den meisten Fällen entsteht sie durch eine Infektion mit Erregern wie Bakterien oder seltener auch mit Viren oder Pilzen. Bakterien der Art Streptococcus pneumoniae (auch Pneumokokken genannt) sind die häufigsten bakteriellen Auslöser einer Lungenentzündung, schreibt das Helmholtz-Zentrum München.
Es gibt keine Hinweise darauf, dass ein Mund-Nasen-Schutz zu einer Lungenentzündung führen kann
Wir haben in den einzelnen Bundesländern bei Gesundheitsämtern und -ministerien nachgefragt, ob Fälle bekannt sind, bei denen eine bakterielle Lungenentzündung auf das Tragen einer Maske zurückzuführen ist. Bis zur Veröffentlichung des Faktenchecks erhielten wir Rückmeldungen aus elf Bundesländern (Baden-Württemberg, Hamburg, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Bremen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Bayern, Saarland). In keinem der Bundesländer sind den zuständigen Behörden derartige Fälle bekannt.
Das hessische Ministerium für Soziales und Integration schreibt: „Es gibt bisher keine Hinweise darauf, dass ein MNS zu tiefen Atemwegsinfektionen führt.“ Auch eine Pressesprecherin des rheinland-pfälzischen Landesuntersuchungsamts schreibt, es lägen keine belastbaren Daten vor, die einen Zusammenhang zwischen dem Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen und dem Auftreten von Lungenentzündungen belegen würden.
Hygienischer Umgang mit Masken ist wichtig
Ein Sprecher der Hamburger Behörde für Justiz und Verbraucherschutz schrieb uns, die Frage sei wohl vor allem im Zusammenhang mit Berufsgruppen wie chirurgischem medizinischem Personal relevant, die oftmals stundenlang OP-Masken tragen.
Bislang sei noch nie ein Fall von bakteriellen Lungeninfektionen durch das Tragen von Mund-Nasen-Masken als Ursache bei Operationspersonal vorgekommen und auch nicht bekannt, so der Sprecher. Theoretisch sei das aber bei nicht vorschriftsmäßigem, unhygienischem Benutzen von Masken durchaus denkbar, insbesondere bei Menschen mit einer schwachen Immunabwehr, chronisch lungenkranken oder alten Menschen.
Auch ein Pressesprecher des baden-württembergischen Landesgesundheitsamts wies darauf hin: „Wichtig bei der Verwendung von Masken ist die richtige Verwendung und Handhabung. Hierzu verweisen wir auf die Hinweise des BfArM zur Verwendung von Mund-Nasen-Bedeckungen, medizinischen Gesichtsmasken sowie partikelfiltrierenden Halbmasken (FFP-Masken).“
Eine Sprecherin des Landesamts für Gesundheit und Soziales in Mecklenburg-Vorpommern schrieb zudem, dass durch Pneumokokken verursachte Erkrankungen laut Infektionsschutzgesetz nicht meldepflichtig seien. „Allerdings haben einige Bundesländer, dazu gehört auch Mecklenburg-Vorpommern, per Landesverordnung eine Meldepflicht für invasive Pneumokokken-Infektionen eingeführt“.
Demnach wurden 2019 127 Erkrankungen beim Landesamt gemeldet, im Jahr 2020 waren es 69. Folglich ist die Zahl der durch Bakterien verursachten Lungenentzündungen in Mecklenburg-Vorpommern im vergangenen Jahr sogar gesunken.
Experten beobachten seit Einführung der Corona-Schutzmaßnahmen eher einen Rückgang von Lungenentzündungen
Wir fragten auch bei der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) nach. Dominic Dellweg, Chefarzt der Pneumologie im Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft, schrieb dazu: „Auf der Außenseite der Maske befinden sich möglicherweise Bakterien und Viren, die der Träger ohne Maske eingeatmet hätte. Auf der Innenseite befinden sich allenfalls Keime des Trägers selber. Die erneute Freisetzung von Keimen von der Maskenoberfläche erfordert sehr viel Energie, hierzu reicht die normale Atmung nicht. Es ist also von physikalisch nicht vorstellbar, dass das Tragen einer Maske eine Lungenentzündung verursacht.“
Zudem erklärte Dellweg: „Insgesamt haben wir in den Kliniken den Eindruck, dass die Zahl der respiratorischen Infektionen durch die Maskenpflicht und die Kontaktbeschränkungen deutlich herunter gehen.“ Das sei in Zahlen zum Beispiel an der Influenza diesen Winter eindeutig belegbar. Auch die Zahl der normalen Pneumonien sei gefühlt eher niedriger als im Vorjahr.
Ähnliches beobachtet man auch beim Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Stefan Sauerland, Leiter des IQWiG-Ressorts Nichtmedikamentöse Verfahren, erläuterte CORRECTIV.Faktencheck: Es gebe Berichte und Hinweise, dass es unter anderem durch die Corona-Schutzmaßnahmen weniger schwere Nicht-Corona-Atemwegsinfekte gebe als in den Vorjahren. „Insgesamt muss man am ehesten davon ausgehen, dass die Maskenpflicht nicht zu einer Erhöhung, sondern zu einer Senkung der Pneumonie-Rate geführt hat“, so Sauerland.
Fazit:
Es gibt in Deutschland keine Hinweise für das vermehrte Auftreten von Lungenentzündungen durch das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Vielmehr gehen Experten davon aus, dass die Corona-Schutzmaßnahmen das Auftreten von Lungenentzündungen eher verringern.
Redigatur: Sarah Thust, Till Eckert
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: