Nein, es müssen nicht „alle“ in Deutschland FFP2-Masken tragen
Ein Facebook-Nutzer suggeriert, dass „wir jetzt alle FFP2 Masken tragen müssen“, weil das Gesundheitsministerium Anfang 2020 zu viele Masken beschafft habe. Das zeige ein ARD-Beitrag. Eine allgemeine FFP2-Maskenpflicht gibt es in Deutschland aber nicht. Und der Fernsehbeitrag wurde bereits im September 2020 ausgestrahlt.
„Darum müssen wir jetzt alle FFP2-Masken tragen“ schreibt ein Nutzer auf Facebook zu einem Beitrag des ARD-Wirtschaftsmagazins Plusminus, den er auf seinem Profil teilte. Darin geht es um Unternehmen, die für das Gesundheitsministerium FFP2- und OP-Masken beschafft und eingelagert haben. In den gezeigten Fällen wurden die Masken jedoch nie oder nur teilweise durch das Gesundheitsministerium abgenommen.
Der Facebook-Nutzer suggeriert, es gebe eine FFP2-Masken-Pflicht, weil das Bundesgesundheitsministerium zu viele Masken gekauft habe.
Doch das stimmt nicht. In Deutschland gibt es lediglich in Bayern eine Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken. Der Beitrag der ARD vom 16. September 2020 zeigt zwar, dass zu viele Masken bestellt wurden. Es gibt jedoch keine Belege dafür, ob das ursächlich zur Einführung einer Maskenpflicht geführt hat.
Eine FFP2-Masken-Pflicht gibt es nur in Bayern
Anders als in dem Beitrag suggeriert, gibt es Deutschland keine FFP2-Maskenpflicht. Der Facebook-Beitrag stammt vom 13. Januar. Einen Tag zuvor, am 12. Januar, hat der Bayerische Ministerrat „eine Verpflichtung zum Tragen einer FFP2-Maske im Öffentlichen Personennahverkehr und im Einzelhandel“ beschlossen. Mit dem Bund-Länder-Beschluss vom 19. Januar 2020 gilt im öffentlichen Nahverkehr und in Geschäften eine Pflicht „zum Tragen von medizinischen Masken“. Als medizinische Masken werden in dem Beschluss „OP-Masken oder auch Masken der Standards KN95/N95 oder FFP2“ definiert.
Dieser Vorgabe sind alle Bundesländer gefolgt und haben ihre Infektionsschutzverordnungen entsprechend geändert. Einzig das Bundesland Bayern weicht von der Vorgabe durch eine strengere Verordnung ab, die der Ministerrat am 12. Januar 2021 beschlossen hat. In Bayern gilt durch diesen Beschluss seit dem 18. Januar eine FFP2-Maskenpflicht in Geschäften und im öffentlichen Nahverkehr. Diese wurde mit dem Beschluss des Ministerrates vom 20. Januar 2021 auf Pflegeheime und Gottesdienste ausgeweitet.
ARD-Beitrag erschien bereits am 16. September 2020 und bezieht sich auf Ereignisse im April 2020
Der Facebook-Nutzer hat in seinem Beitrag einen Beitrag des Wirtschaftsmagazins Plusminus eingebunden. Er soll offenbar seine Aussage belegen. Was er nicht schreibt, ist, dass der TV-Beitrag bereits am 16. September 2020 unter dem Titel „Maskendebakel – Wer zahlt die teure Beschaffung des Bundes?“ veröffentlicht wurde und sich auf Ereignisse im April 2020 bezieht.
In der Reportage geht es darum, wie das Bundesgesundheitsministerium im März und April 2020 versuchte, Schutzausrüstung zu beschaffen. So sollte eine Versorgung mit medizinischen Schutzartikeln, wie zum Beispiel OP- und FFP2-Masken, während der Corona-Pandemie sichergestellt werden. Die Beschaffung wurde mittels eines sogenannten „Open-House-Verfahrens“ durchgeführt. Das heißt, dass jedes Unternehmen, das mindestens 25.000 Artikel wie Schutzmasken zu einem festgelegten Preis liefern konnte (beispielsweise 60 Cent pro OP-Maske), das Recht auf einen Vertragsschluss mit dem Ministerium hatte. So schreibt es auch das Gesundheitsministerium in seinen FAQ.
Wie viele Masken in Deutschland benötigt werden, ist laut dem Bundesgesundheitsministerium unklar
Auf eine Presseanfrage von CORRECTIV.Faktencheck teilte Hanno Kautz, Pressesprecher des Bundesgesundheitsministeriums, in einer E-Mail mit, dass „im Rahmen des Open House Verfahrens“ circa „380 Millionen Masken beschafft“ worden seien. In den FAQ des Gesundheitsministeriums heißt es außerdem, dass „insgesamt rund 1,7 Milliarden FFP2/KN95/FFP3-Masken sowie rund 4,2 Milliarden OP-Masken“ bis Ende 2021 „vertraglich gesichert“ worden seien.
Wie viele dieser Masken auch tatsächlich ausgeliefert worden sind, konnte der Sprecher jedoch nicht sagen. Er teilte lediglich mit, es seien „weit mehr als die im Open House Verfahren beschafften Masken ausgeliefert“ worden. Auch dazu, wie viele Masken aktuell in Deutschland verfügbar sind und wie viele bis zum Auslaufen der Maßnahmen des Bund-Länder-Beschlusses am 12. Februar gebraucht würden, machte der Sprecher keine Angaben.
Beschaffte Masken sind teilweise Beweismittel in Gerichtsverfahren und können nicht verwendet werden
Aus dem Plusminus-Beitrag geht hervor, dass nicht alle Masken, die im Rahmen des Open-House-Verfahrens beschafft worden sind, auch genutzt werden könnten. Sie seien teilweise Beweismittel in Gerichtsverfahren.
Der Fernsehbeitrag illustriert diese Problem anhand der Geschichte von Handan Celebi. Im Beitrag (ab Minute 2:04) schildert die Unternehmerin, dass sie insgesamt 24 Millionen Masken im Rahmen des Open-House-Verfahrens beschafft habe, darunter 14 Millionen FFP2-Masken. Diese Masken seien vom Bundesgesundheitsministerium, anders als vereinbart, bis auf einen einzigen Lastwagen, niemals abgenommen worden.
Auf Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck bestätigt Celebi diese Darstellung. Es seien lediglich 340.000 Masken durch das Ministerium abgenommen und bezahlt worden. Der Rest liege noch im Lager „zur Abholung“. Alle restlichen Masken habe sie nicht verkaufen können, schreibt die Unternehmerin weiter, da diese Gegenstand eines Gerichtsverfahrens vor dem Bonner Landgericht seien. Mit ihr zusammen würden 80 weitere Personen klagen.
81 Klagen beim Bonner Landgericht
Auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck bestätigte Patricia Meyer, Sprecherin des Bonner Landgerichts, diese Aussage per E-Mail. Im Zusammenhang mit der Beschaffung von Schutzmasken durch das Bundesgesundheitsministerium seien „bis zum heutigen Tage [25. Januar 2021, Anm d. Red.] insgesamt 81 solcher Klagen beim Landgericht Bonn eingegangen“. Der Streitwert der Klagen variiere dabei stark. Der höchste Streitwert betrage „38 Millionen Euro“, der niedrigste „nur knapp über 5.000 Euro“, teilte die Sprecherin mit. Um wie viele Masken es bei den Verfahren gehe, könne sie jedoch nicht sagen.
Auf die Frage, ob die Masken, die Gegenstand der Klagen sind, durch die Klägerinnen und Kläger verkauft oder zur Verwendung freigegeben werden können, heißt es von Seiten der Sprecherin, dass die Masken „je nach Fallkonstellation“ noch im Rahmen der Beweisaufnahme „durch einen Sachverständigen begutachtet werden“ müssten. Das könne „einer Verwendung bzw. einem Verkauf entgegenstehen“. Es sei aber möglich, „dass sich die Parteien während des laufenden Verfahrens über die Verwendung der Masken einigen“.
Redigatur: Till Eckert, Uschi Jonas
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: