Faktencheck

Impfkritischer Arzt aus den USA verbreitet unbelegte Behauptungen über Aluminium in Impfstoffen

Auf Facebook wird ein Video aus den USA verbreitet, in dem ein Mann behauptet, Impfstoffe würden Aluminium in Form von Nanopartikeln enthalten. Diese seien angeblich schädlich. Aussagen wie diese kursieren seit Jahren unter Impfgegnern, obwohl es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass sie stimmen.   

von Alice Echtermann

Video mit Behauptungen über Aluminium in Impfstoffen
In einer öffentlichen Anhörung in Connecticut im Februar 2020 trat der Impfkritiker Lawrence Palevsky auf. (Quelle: Connecticut Network / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
In einem Video behauptet ein Mann, Impfstoffe enthielten Aluminium in Form von Nanopartikeln, die ins Gehirn gelangen und Krankheiten auslösen könnten. 
Bewertung
Unbelegt. Das Video zeigt den Impfkritiker Lawrence Palevsky in einer öffentlichen Anhörung im US-Bundesstaat Connecticut im Februar 2020. Keine seiner Behauptungen ist wissenschaftlich belegt. 

In einem Video einer öffentlichen Anhörung in den USA spricht ein Mann über angebliche Gefahren durch Aluminium-Nanopartikel in Impfstoffen. Es wurde am 26. Februar 2021 mit deutscher Übersetzung auf Facebook veröffentlicht und bisher mehr als 1.700 Mal geteilt. 

Die Behauptungen im Video widersprechen der wissenschaftlichen Studienlage. Seit Jahrzehnten werden Aluminiumsalze als Wirkverstärker in manchen Impfstoffen verwendet. Dafür, dass sie eine Gefahr darstellen könnten, gibt es keine Belege.

Das Video auf Facebook hat keine Verbindung zur Covid-19-Pandemie. Die Anhörung fand am 19. Februar 2020 im Bundesstaat Connecticut in den USA statt. Es ging dabei um routinemäßige Impfungen von Kindern. 

Der Mann im Video heißt Larry Palevsky; er ist laut Medienberichten ein Kinderarzt aus New York und ein bekannter Impfgegner. Im schriftlichen Protokoll der Sitzung ist seine Aussage ab Seite 198 zu lesen. Im vollständigen Video von Connecticut Network ist der Ausschnitt, der auf Facebook verbreitet wird, ab Stunde 5:19:00 zu sehen. 

Anhörung befasste sich mit Gesetzesvorschlag zu Impfungen in Connecticut

In der Anhörung des Öffentlichen Gesundheitsausschusses des Bundesstaats im Februar 2020 ging es um einen Gesetzesvorschlag (Bill HB-5044). Damit sollte die Möglichkeit, Impfungen für Kinder aus religiösen Gründen abzulehnen, in Connecticut abgeschafft werden. Diese Möglichkeit gibt es in vielen US-Bundesstaaten

Offenbar kam es 2020 zu keiner Entscheidung, denn wie Yale Daily News im Februar 2021 berichtete, fand ein Jahr später in Connecticut eine erneute Anhörung zum selben Thema statt (Bill SB-568). Nach dem Gesetzesvorschlag müssten Kinder, die eine öffentliche oder private Schule besuchen, gegen Krankheiten wie Masern, Mumps und Röteln geimpft werden, falls keine medizinischen Gründe gegen die Impfung vorliegen. Covid-19-Impfstoffe wurden in dem aktuellen Gesetzentwurf nicht erwähnt.

Lawrence Palevsky wiederholt unbelegte Behauptungen über Aluminium in Impfstoffen, die seit Jahren kursieren 

Lawrence Palevsky sagte in der Anhörung im Februar 2020, dass Impfungen Aluminium in Form von Nanopartikeln enthalten würden. Tierstudien hätten angeblich gezeigt, dass diese Nanopartikel ins Gehirn gelangen könnten. Palevsky suggeriert, es gebe einen Zusammenhang zu neurologischen Erkrankungen und Impfungen könnten chronische Entzündungen im Körper oder Autoimmunerkrankungen verursachen. Diese Zusammenhänge seien bisher nicht untersucht worden. 

Impfgegner verbreiten diese oder ähnliche Behauptungen seit Jahren. Keine davon ist wissenschaftlich belegt.

Facebook-Beitrag mit Video über Aluminium in Impfstoffen
Ein Facebook-Beitrag vom 26. Februar 2021 mit dem Video (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

In der Anhörung war zuvor Kathy Kudish, Leiterin des Impfprogramms in Connecticut, auf das Thema eingegangen. Sie erklärte, Aluminium komme als Adjuvans (Wirkungsverstärker) in Impfstoffen zum Einsatz, jedoch in winzigen Mengen. Im Vergleich zu der Menge Aluminium, der wir in der Umwelt und unserer Nahrung ausgesetzt seien, falle das nicht ins Gewicht und sei kein Grund zur Besorgnis. 

Aluminiumsalze werden seit Jahrzehnten als Wirkverstärker in manchen Impfstoffen eingesetzt. Das US-amerikanische Center for Disease Control and Prevention (CDC) informiert darüber auf seiner Webseite

Laut einem Verbraucherportal aus Baden-Württemberg handelt es sich dabei aber nicht um Nanopartikel. „Die Partikelgröße der Aluminiumsalze bewegt sich üblicherweise deutlich im Bereich von Mikrometern (µm). Sie sind damit keine Nanomaterialien.“ Als Nanopartikel werden kleinste Teilchen verschiedener Stoffe bezeichnet, die weniger als 100 Nanometer groß sind. Der Einsatz von Aluminium-Nanopartikeln wird derzeit offenbar im Zusammenhang mit neuartigen Spray-Impfungen, die zum Beispiel inhaliert werden können, erforscht.   

Aluminium-Konzentration in Impfstoffen ist extrem gering

Es gibt viele wissenschaftliche Arbeiten zur Unbedenklichkeit der Aluminiumverbindungen in Impfstoffen (zum Beispiel hier von 2002). In einer Studie von 2011 heißt es, die Menge Aluminium, die der Körper durch Impfstoffe aufnehme, liege weit unter dem zulässigen Grenzwert, der als gesundheitsverträglich definiert sei. 

Ein Erwachsener nehme täglich über die Nahrung schätzungsweise 1,7 bis 13 Milligramm Aluminium auf, informiert das Deutsche Grüne Kreuz auf seiner Webseite. Davon werde etwa ein Prozent im Darm resorbiert. Die maximal erlaubte Konzentration in Impfstoffen liege pro Dosis bei 1,25 Milligramm, doch alle in der EU zugelassenen Impfstoffe lägen noch weit darunter – bei 0,125 bis 0,82 Milligramm pro Dosis. 

Abgeschwächte Lebendimpfstoffe wie die gegen Masern, Mumps, Röteln oder Windpocken enthalten keine Aluminiumsalze als Wirkverstärker, erklärt das deutsche Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Impfungen gegen Keuchhusten, Tetanus oder Meningokokken dagegen schon. Das sei aber nicht bedenklich: „Jeder Mensch nimmt tagtäglich Aluminium in gebundener Form über die Luft, das Trinkwasser und die Nahrung auf. Die zusätzliche Aufnahme von Aluminiumverbindungen über Impfungen im Leben eines Menschen ist im Vergleich dazu minimal“, schreibt das PEI.

In mRNA-Impfstoffen gegen Covid-19 (wie denen von Biontech/Pfizer und Moderna) sind laut Medienberichten übrigens gar keine Aluminium-Wirkverstärker enthalten. Auch der Impfstoff von Astrazeneca enthält keine Aluminiumsalze.

Die Behauptungen über Aluminiumsalze basieren mutmaßlich auf Studien aus Frankreich 

Die Behauptung von Palevsky basieren mutmaßlich auf Studien eines französischen Wissenschaftlers namens Romain Gherardi. Er untersuchte (zum Beispiel mit Experimenten an Ratten oder Mäusen) einen Zusammenhang zwischen einer Krankheit namens MMF und Aluminiumsalzen (hier und hier).

MMF steht für Makrophagische Myofasziitis. Eigentlich handelt es sich dabei um eine lokal auftretende Entzündung und Veränderung der Muskulatur an der Einstichstelle (am Oberarm). Sie wird laut Paul-Ehrlich-Institut (PEI) nachweislich durch das mit der Impfung injizierte Aluminium verursacht und kann auch Jahre später noch vorhanden sein (PDF, Seite 8). 

Es wird aber vermutet, dass manche Menschen zusätzlich noch eine Art Syndrom entwickeln, eine chronische Erkrankung mit Schmerzen, Müdigkeit oder neurologischen Störungen. In Frankreich wurden laut dem Forschungsinstitut Inserm von 2002 bis 2013, also innerhalb von elf Jahren, etwa 500 Fälle von MMF identifiziert und Studien dazu durchgeführt. 

Das PEI erklärte jedoch 2015, es müsse differenziert werden zwischen den lokalen Entzündungen (MMF) und „dem von einigen Autoren (vornehmlich aus Frankreich) postulierten Syndrom (MMFS)“. Bei dem Syndrom werde ein Zusammenhang zwischen den Aluminiumsalzen und zum Beispiel chronischer Müdigkeit hergestellt. „Es gibt bisher keine Daten, die einen solchen kausalen Zusammenhang belegen. Ebenfalls fehlt eine Vorstellung für den pathophysiologischen Mechanismus eines solchen Zusammenhangs.“ (PDF, ab Seite 7). 

Paul-Ehrlich-Institut: Es sind keine wissenschaftlichen Analysen bekannt, die eine Gefährdung zeigen

Die französische Gesundheitsbehörde ANSM kommentierte 2017 die Gherardi-Studie ebenfalls mit dem Hinweis, dass sie nichts am positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis der Impfstoffe ändere. 

Und eine andere französische Studie von Februar 2020 erklärte, dass keine Verbindung zwischen Aluminiumsalzen und MMF bei Menschen belegt werden könne, die über die lokalen Muskelentzündungen hinausgeht. Zudem werde außerhalb von Frankreich kaum von MMF berichtet, obwohl die Impfstoffe mit Aluminium weltweit im Einsatz seien. 

Das PEI hat 2015 eine ausführliche Sicherheitsbewertung zu Aluminiumsalzen in Impfstoffen veröffentlicht. Es kam zu dem Schluss: „Es sind keine wissenschaftlichen Analysen bekannt, die eine Gefährdung von Kindern oder Erwachsenen durch Impfungen mit aluminiumhaltigen Adjuvanzien zeigen.“ 

Sicherheitsbewertung des Paul-Ehrlich-Instituts zu Aluminium in Impfstoffen
Schlussfolgerungen des Paul-Ehrlich-Instituts zu Aluminiumsalzen in Impfstoffen (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Redigatur: Sarah Thust, Uschi Jonas

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Medienbericht über Dr. Lawrence Palevsky, Insider (2019): Link 
  • Schriftliches Protokoll der Anhörung in Connecticut (19. Februar 2020): Link
  • Video der Anhörung, Connecticut Network (Dauer: 21 Stunden): Link 
  • Informationen über Nanopartikel auf dem Verbraucherportal aus Baden-Württemberg: Link
  • Verschiedene Studien über Aluminium als Wirkverstärker in Impfstoffen: 2002 / 2011 / 2020
  • Allgemeine Informationen des Paul-Ehrlich-Instituts über Aluminium in Impfstoffen: Link
  • Sicherheitsbewertung von Aluminium in Impfstoffen und MMF durch das Paul-Ehrlich-Institut (2015): Link