Nein, die Grünen planen keine Begrenzung auf zwölf private Autofahrten im Jahr
Die Initiative „Volksentscheid Berlin autofrei“ schafft es in die Schlagzeilen: „Berliner Initiative will nur noch zwölf private Autofahrten pro Jahr erlauben“, heißt es in Medienberichten. In Sozialen Netzwerken wird anschließend suggeriert, dies sei eine Forderung der Grünen. Doch das stimmt nicht.
In einem Facebook-Beitrag am 1. Mai wird behauptet: „Bürger sollen Auto nur noch 12 mal jährlich privat nutzen dürfen.“ Der Beitrag stellt dies als eine Forderung der Grünen dar. Er zeigt ein Foto der Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Weiter ist zu lesen, wer bei der nächsten Wahl die Grünen wähle, könne „seinen Autoschlüssel mit in die Urne werfen“. Der Berliner Kurier habe darüber berichtet, dass eine Berliner Bürgerinitiative den Autoverkehr in der Stadt weitgehend verbieten wolle, heißt es weiter.
Der Beitrag wurde mehr als 660 Mal auf Facebook geteilt und kursiert auch im Messengerdienst Telegram. In einer Telegram-Gruppe, in der Qanon-Verschwörungsmythen verbreitet werden, wurde die gleiche Nachricht mehr als 218.000 Mal gesehen.
Es gibt tatsächlich eine solche Forderung einer Bürgerinitiative für Berlin. Es handelt sich aber nicht um Pläne der Grünen.
In dem erwähnten Bericht der Boulevardzeitung Berliner Kurier geht es um ein geplantes Volksbegehren. Er wurde am 18. Februar 2021 veröffentlicht und stammt ursprünglich von der Nachrichtenagentur DPA. Eine Initiative namens „Volksentscheid Berlin autofrei“ wolle im Kern von Berlin (innerhalb des S-Bahn-Ringes) pro Person nur noch zwölf private Autofahrten pro Jahr erlauben, für den Transport sperriger Gegenstände oder Urlaub, steht darin. Von der Partei Bündnis 90/Die Grünen ist in dem Text nirgendwo die Rede.
Die Grünen haben nie gefordert, dass Bürger ihre Autos nur noch zwölfmal jährlich privat nutzen sollen. Laut der Nachrichtenwebseite T-Online äußerte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Berliner Senat, Harald Moritz, Zweifel an den Zielen der Initiative. Das Ziel sei es nicht, „mit der „Verbotskeule zu kommen“. Eine Berliner Grünen-Politikerin kündigte laut Berliner Zeitung aber an, das Volksbegehren zu unterschreiben.
Die Grünen wollen verkehrsberuhigte Innenstädte, Pläne von pauschalen Privat-Fahrverboten sind nicht bekannt
Eine Sprecherin der Grünen schrieb CORRECTIV.Faktencheck auf Anfrage: „Der Grüne Bundesvorstand ist nicht mit der Initiative verbunden.“
Der Facebook-Beitrag suggeriert, dass der „Vorstoß“ der Bürgerinitiative aus Berlin für ganz Deutschland gelten könnte, wenn die Grünen bei der Bundestagswahl gewählt würden. Im Programmentwurf der Grünen zur Bundestagswahl wird eine solche Begrenzung der privaten Autofahrten pro Jahr aber nicht erwähnt. Darin stehen lediglich Aspekte wie „Weniger Autos in der Stadt bedeuten mehr Platz für uns Menschen“ oder „Wir wollen die Städte bei der Mobilitätswende gezielt unterstützen, es ihnen erleichtern, sichere Radwege und attraktive Fußwege anzulegen und verkehrsberuhigte oder autofreie Innenstädte und Stadtviertel zu schaffen“.
Eine Google-Suche und eine Suche in der Zitate-Datenbank Spaactor brachten ebenfalls keine Hinweise auf eine solche Forderung der Grünen. Stattdessen finden sich Berichte über die Initiative „Volksentscheid Berlin autofrei“, die laut eigener Angabe parteiunabhängig ist. In einem Papier fordert die Initiative eine autofreie Innenstadt. Menschen in Berlin sollten nur noch bis zu zwölfmal im Jahr eine Genehmigung für Autofahrten in der Stadt erhalten.
Auf der Webseite der Initiative steht: „Wir, das ist eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Privatpersonen, die sich im Herbst 2019 zu einer Initiative zusammengeschlossen haben“. Die Mitglieder wollen für Berlin einen Volksentscheid organisieren und ein Gesetz entwerfen. „Wir sind unabhängig von Verbänden oder Organisationen, unabhängig von staatlichen Geldern und sind parteipolitisch neutral“, heißt es weiter.
Eine Sprecherin der Initiative schrieb uns per E-Mail: „Einige der Aktiven haben sich vorher auch schon in anderen Initiativen engagiert, andere nicht. Parteimitgliedschaften können und wollen wir von den weit mehr als 100 Aktiven nicht erheben und nennen. Sie spielt für die Teilnahme an der Initiative keine Rolle.“ Eine Partei-Mitgliedschaft habe gegebenenfalls keine Bedeutung für die Ziele und das Handeln der Initiative.
Fazit: Die Grünen haben nicht gefordert, dass Personen ihr Auto nur noch zwölf Mal jährlich privat nutzen dürfen. Diese Aussage stammt von einer Bürgerinitiative, die nach eigenen Angaben parteiunabhängig ist und sich auf den Berliner Stadtkern bezieht.
Redigatur: Alice Echtermann, Uschi Jonas