Faktencheck

Coronavirus: Indien wehrt sich gegen den Begriff „indische Variante“ – bestreitet aber nicht, dass es die Mutante B.1.617 gibt

In Sozialen Netzwerken wird behauptet, die indische Regierung habe mitgeteilt, es gebe keine „indische Corona-Mutation“. Die Regierung hat jedoch nicht die Existenz der Mutante B.1.617 bestritten, sondern stört sich an der Bezeichnung als „indische Variante“.

von Till Eckert

COVID19 Vaccination drive in Kashmir, India - 26 May 2021
Eine Frau zieht in Indien eine Impfspritze auf. Derzeit wird in Sozialen Netzwerken behauptet, das Land habe bestritten, dass es eine „indische Corona-Mutation“ gebe – das stimmt aber nicht (Symbolfoto: Saqib Majeed / dpa / Picture Alliance)
Behauptung
Die indische Regierung habe verkündet, dass es keine „indische Corona-Mutation“ gebe.
Bewertung
Falscher Kontext
Über diese Bewertung
Falscher Kontext. Indien hat sich gegen die mediale Verwendung des Begriffs „indische Variante“ ausgesprochen – aber nicht bestritten, dass es die Mutante B.1.617 gibt.

„Indische Regierung stellt klar: Es gibt keine indische Corona-Mutation. Die Indische Regierung hat das Märchen von der indischen Corona-Variante entzaubert. […] Selbst die WHO führt keine sogenannte indische Variante mit der Bezeichnung B.1.617, so die indische Regierung“, heißt es in einem Telegram-Beitrag des Kanals „Ken Jebsen – Aufklärung und Information“. Dazu wird ein Schreiben des indischen Ministeriums für Elektronik und Informationstechnologie geteilt. Damit seien, so der Beitrag, „Medien und Panikmacher“ der Lüge überführt.

Ken Jebsen ist ein Blogger, zu dem wir bereits recherchierten, der Telegram-Kanal ist jedoch nach Angaben von KenFM inoffiziell. Die Behauptung wird auch in mehreren Facebook-Beiträgen (hier, hier oder hier) verbreitet. 

Die Beiträge rücken die indische Mitteilung in einen falschen Kontext: Das Ministerium hat zwar in einer Mitteilung am 21. Mai 2021 „alle Sozialen Netzwerke“ aufgefordert, die Verwendung des Begriffs „indische Variante“ zu unterlassen und entsprechende Beiträge zu entfernen. Die indische Regierung verkündet in dem Schreiben aber nicht, dass es die Mutante B.1.617 nicht gebe, wie es durch die Telegram- und Facebook-Beiträge suggeriert wird. 

Indische Regierung bittet darum, die wissenschaftliche Bezeichnung B.1.617 zu verwenden

Das indische Ministerium schreibt: „Es ist uns bekannt geworden, dass online Aussagen kursieren, die implizieren, dass sich eine ‘indische Variante’ des Coronavirus  über die Länder ausbreite. Dies ist komplett FALSCH. Es gibt keine solche Variante von Covid-19 die wissenschaftlich von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als solche bezeichnet worden wäre. Die WHO hat in keinem ihrer Berichte den Begriff ‘Indische Variante’ im Zusammenhang mit der Variante B.1.617 genutzt.“

Aus der Mitteilung des indischen Ministeriums (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Eine Google-Suche ergibt, dass die WHO im Zusammenhang mit der Variante B.1.617 lediglich von der Variante, „die ursprünglich in Indien identifiziert“ wurde, spricht.

Die Mitteilung des Ministeriums verlinkt eine Pressemitteilung vom 12. Mai, daraus geht noch konkreter hervor, dass die indische Regierung die Existenz von B.1.617 nicht bezweifelt und es lediglich um die Bezeichnung geht: „Mehrere Medien haben über die Nachricht berichtet, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) B.1.617 als weltweit besorgniserregende Variante eingestuft hat. Einige dieser Berichte haben die B.1.617-Variante des Coronavirus als ‘indische Variante’ bezeichnet.“  Mit der Pressemitteilung solle klargestellt werden, dass „die WHO den Begriff ‚Indische Variante‘ nicht mit der Variante B.1.617 des Coronavirus in Verbindung gebracht hat“. 

Zum Vorgehen der indischen Regierung gegen diese sprachliche Diffamierung gibt es mehrere Medienberichte, etwa vom Spiegel oder der BBC. Die DPA hat ebenfalls einen Faktencheck mit dem selben Ergebnis veröffentlicht: die Mitteilung wird in falschem Kontext verbreitet.

Redigatur: Uschi Jonas, Tania Röttger

Update, 1. Juni 2021: In einer vorherigen Version des Artikels war zu lesen, dass der Telegram-Beitrag von Ken Jebsen stamme. Wir haben konkretisiert, dass es sich lediglich um einen Telegram-Kanal handelt, der Jebsens Namen verwendet.