Kein Hinweis, dass illegal verpackte Abstrichstäbchen aus Indien nach Deutschland gelangt sind
Auf Whatsapp kursiert ein Video, das Kinder zeigt, die Abstrichstäbchen für Corona-Tests in Indien unter unhygienischen Bedingungen einpacken. Es wird suggeriert, dass die Stäbchen auch in Deutschland verwendet würden. Dafür gibt es nach Recherchen von CORRECTIV.Faktencheck jedoch keine Belege.
Ein Video zeigt, wie Kinder auf dem Boden einer Unterkunft sitzen und Abstrichstäbchen ohne Handschuhe verpacken. Unzählige Verpackungen und Stäbchen liegen auf dem Boden. Das Video verbreitete sich vor allem auf Whatsapp und wurde ohne Kontext weitergeleitet. Die österreichische Webseite Wochenblick griff das Video auf und suggerierte, dass die Abstrichstäbchen nach Deutschland beziehungsweise Europa gelangt sein könnten.
Unser Faktencheck zeigt: Das Video ist laut indischen Medienberichten echt. Tatsächlich waren die Abstrichstäbchen für Corona-Tests bestimmt, wurden aber offenbar illegal produziert. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sie nach Deutschland geliefert wurden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie der Tüv und die Dekra geben an, das Produkt nicht zu kennen und es weder geprüft noch in Deutschland zugelassen zu haben.
Das Video kursierte auch international; es gibt bereits einen Faktencheck der Nachrichtenagentur Reuters, sowie Berichte aus Belgien und Polen dazu.
Das Video ist echt und stammt aus Indien
Wir baten für unsere Recherche die indische Faktencheck-Redaktion Boom um Hilfe. Sie wies uns auf Medienberichte über das Video in Indien hin (hier und hier). Es stammt demnach aus einem Slum der Stadt Ulhasnagar, in der Nähe von Mumbai. Mumbai liegt an der Westküste Indiens. Den Berichten zufolge wurde das Video von einem Anwohner aufgezeichnet.
The Indian Express berichtete am 6. Mai, dutzende Haushalte in dem Slum seien von einem lokalen Geschäftsmann für das Verpacken der Abstrichstäbchen für PCR-Tests angeworben worden. Ähnliche Vorgänge habe es bereits im vergangenen Jahr gegeben. Eine Anwohnerin wird mit den Worten zitiert, ihre Familie habe etwa 5.000 Teststäbchen am Tag verpackt und so 100 Rupien verdient; genug, um Gemüse kaufen zu können.
In dem Bericht heißt es ebenfalls, dass auf den Stäbchen „Bio-Swab“ zu lesen sei. Es habe aber kein Unternehmen namens „Bio-Swab“ eine Zulassung durch die zuständigen Behörden. Recherchen der lokalen Behörden hätten außerdem ergeben, dass die Abstrichstäbchen nicht in den Krankenhäusern der Gemeinde verwendet worden sein. Ärzte und Krankenhäuser seien angewiesen worden, Produkte mit dem Namen „Bio-Swab“ nicht zu verwenden.
Medienberichte: Indische Behörden haben die Abstrichstäbchen beschlagnahmt
In einem weiteren Bericht der Zeitung The Indian Express vom 7. Mai steht, dass der Geschäftsmann, der die Tests ohne offizielle Zulassung produziert habe, von der Polizei festgenommen worden sei. Andere Hersteller von Corona-Testkits in der Region hätten angegeben, die Abstrichstäbchen darin nicht zu verwenden. Die Abstrichstäbchen wurden laut einem Bericht von The Free Press Journal beschlagnahmt.
Am 8. Mai berichtete die Times of India, der Geschäftsmann habe gegenüber der Polizei ausgesagt, dass die Abstrichstäbchen in die Stadt Nashik, 140 Kilometer nordöstlich von Ulhasnagar, geliefert worden seien. Dem Bericht zufolge hat die Polizei daraufhin auch dort Produkte beschlagnahmt.
Keine Hinweise, dass die Abstrichstäbchen in Deutschland verwendet wurden
Wir fanden keine Hinweise darauf, dass die „Bio-Swab“-Stäbchen in Deutschland verwendet wurden.
Da Abstrichstäbchen laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu den Medizinprodukten zählen, durchlaufen sie in Deutschland ein sogenanntes Konformitätsverfahren. Wir haben dazu bereits für einen anderen Faktencheck recherchiert.
In diesem Verfahren müsse der Hersteller nachweisen, dass sein Produkt sicher sei und die technischen und medizinischen Leistungen auch so erfülle, wie sie von ihm beschrieben werden, teilte uns eine Pressesprecherin des Bfarm damals in einer E-Mail mit. Am Ende des Verfahrens erhalten die Medizinprodukte eine CE-Kennzeichnung, wie sie zum Beispiel auch auf FFP2-Masken zu sehen ist. Die Überprüfung der Marktzugangsvoraussetzungen erfolge eigenständig durch den Hersteller, es könne bei Medizinprodukten aber auch eine sogenannte „Benannte Stelle“ hinzugezogen werden. Das sind beispielsweise der Tüv oder die Dekra.
CORRECTIV.Faktencheck hat daher sowohl den Tüv als auch die Dekra um Stellungnahmen zu dem Fall gebeten. Beide teilten uns per E-Mail mit, dass sie kein Produkt mit dem Namen „Bio-Swab“ geprüft hätten.
Vom Konformitätsverfahren kann allerdings auch abgewichen werden, manche Produkte erhalten eine sogenannte Sonderzulassung beim Bfarm. Bei Corona-Selbsttests (Antigen-Schnelltests) habe es in Deutschland ein solches Verfahren gegeben, teilte uns eine Sprecherin per E-Mail mit. Der Name Bio-Swab sei der Behörde aber „innerhalb der Sonderzulassung nicht geläufig“.
Redigatur: Alice Echtermann, Sarah Thust
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Bericht von The Indian Express, „Ulhasnagar: Swab stick supplier held, did not have FDA licence“: Link
- Bericht der Times of India, „Maharashtra: Ulhasnagar cops arrest supplier in swab stick case“: Link