Nein, Covid-19 ist nicht die erste Krankheit, an der sich Geimpfte anstecken können
Ein Satz auf Facebook soll offenbar Zweifel an den Corona-Schutzimpfungen wecken. Demnach könne man „zum ersten Mal in der Geschichte“ eine Krankheit, die man nicht habe, an Menschen übertragen, die dagegen geimpft seien. Das stimmt nicht, denn die Aussage trifft beispielsweise auch auf die Influenza zu.
Ein Facebook-Nutzer schrieb Ende Juli: „Zum ersten Mal in der Geschichte kann man eine Krankheit, die man nicht hat, an Menschen übertragen, die dagegen geimpft sind.“ Der Beitrag bezieht sich anscheinend auf die Corona-Pandemie und wurde mehr als 28.000 Mal auf Facebook weiterverbreitet.
Die Behauptung ist irreführend: Es waren schon vor der Corona-Pandemie Krankheitserreger bekannt, mit denen man sich infizieren kann, ohne es zu merken – und die trotz Impfung zu einer Infektion führen können. Dazu gehören beispielsweise Hepatitis oder Influenzaviren.
Das Coronavirus kann trotz der Impfung in den Körper gelangen – richtet aber nicht so großen Schaden an
Covid-19 ist nicht die einzige Krankheit, bei der keine „sterile Immunität“ durch die Impfung gegeben ist. In Bezug auf die saisonale Influenza schrieb das Robert-Koch-Institut (RKI) auf seiner Webseite im Jahr 2019, dass es „auch bei geimpften Personen zu einer Infektion mit dem Influenzavirus kommen (Impfversager)“ könne. „Häufig verlaufen solche Infektionen dann mit milderen Krankheitssymptomen oder völlig unbemerkt.“
Die in Deutschland zugelassenen Covid-19-Impfstoffe schützen laut RKI vor einem schweren Verlauf der Krankheit und reduzieren auch die Weiterverbreitung des Virus „in erheblichem Maß“. Das Coronavirus kann dennoch – trotz Impfung – in den Körper gelangen.
Das RKI schrieb im Mai 2021: „Bereits in präklinischen Studien an nicht humanen Primaten wurde deutlich, dass die zugelassenen Covid-19-Impfstoffe keine sog. sterile Immunität erzeugen, d.h. dass bei Exposition auch nach erfolgter Impfung noch ein Erregernachweis im Respirationstrakt der Versuchstiere möglich war.“
In der Summe sei das Risiko einer Virusübertragung durch die Impfung stark vermindert, erklärt das RKI. Es müsse zwar davon ausgegangen werden, „dass einige Menschen nach Kontakt mit SARS-CoV-2 trotz Impfung (asymptomatisch) PCR-positiv werden und dabei auch infektiöse Viren ausscheiden“. Geimpfte spielten jedoch mutmaßlich für die Verbreitung des Coronavirus „keine wesentliche Rolle“ mehr.
Viren können sich an den Schleimhäuten festsetzen – deshalb wird an Nasenspray-Impfstoffen geforscht
Der Virologe Christian Drosten erklärte in einem NDR-Podcast am 2. April 2021, bei einer saisonalen Erkältungskrankheit könne der „Schleimhaut-Schutz“, also die Schutzbarriere gegen Keime über die Schleimhäute, sinken. Menschen könnten sich dann im nächsten Winter wieder infizieren.
Wie das Wissenschaftsmagazin Spektrum berichtete, zeigen Studien, dass sich bei klassischen Impfungen keine speziellen Antikörper in den Schleimhäuten bilden. Es ist folglich möglich, dass sich Viren wie SARS-CoV-2 in der Nase festsetzen, bevor das Immunsystem darauf reagieren kann. Darum gibt es auch Forschungsprojekte an Impfstoffen, die als Nasenspray verabreicht werden – und die theoretisch eine sterile Immunität erreichen könnten.
Update, 1. September 2021: Wir haben die Formulierung der Überschrift und in der Bewertung konkretisiert.
Redigatur: Steffen Kutzner, Alice Echtermann
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Antwort des Robert-Koch-Instituts auf die Frage, ob geimpfte Personen andere mit Influenza anstecken können (September 2019): Link
- Antwort des Robert-Koch-Instituts auf die Frage, ob geimpfte Personen andere mit Covid-19 anstecken können (August 2021): Link
- Epidemiologisches Bulletin des Robert-Koch-Instituts zur Schutzwirkung der Covid-19-Impfung (Mai 2021): Link