Faktencheck

Astroworld Festival: Warum es zu Herzstillständen bei Opfern von Massenpaniken kommt

Nach einer Massenpanik bei einem Konzert in Texas sind acht Menschen gestorben. Auf Telegram wird geraunt, es sei verdächtig, dass so viele junge Menschen „Herzinfarkte“ hatten. Doch Todesfälle sind bei Massenpaniken leider nicht ungewöhnlich und haben eine eindeutige medizinische Ursache.

von Alice Echtermann

Astroworld Festival
Das Gelände des Astroworld Festivals im US-Bundesstaat Texas zwei Tage nach dem Konzert, bei dem acht Menschen starben (Foto: Picture Alliance / Associated Press / Mark Mulligan)
Behauptung
Ungewöhnlich viele Jugendliche hätten beim Astroworld Festival „Herzinfarkte“ erlitten. 
Bewertung
Unbelegt. Die genauen Todesursachen der Konzertgäste wurden noch nicht veröffentlicht. Bei Massenpaniken sterben Menschen meist durch Ersticken und Kammerflimmern, was zum Herzstillstand führt. Solche Fälle gab es auch bei der Loveparade 2010. 

Ein Beitrag auf Telegram, der rund 127.000 Mal angesehen wurde, deutet an, es sei ungewöhnlich, dass so viele junge Menschen beim Astroworld Festival in Texas einen „Herzinfarkt“ erlitten hätten. „Könnt ihr euch daran erinnern, als früher bei Festivals reihenweise Jugendliche an einem Herzinfarkt verstarben? Ich auch nicht“, heißt es. 

Hinter dieser Andeutung steht ein seit mehreren Wochen in Sozialen Netzwerken verbreitetes Narrativ von Impfgegnern, dass es aufgrund der Corona-Impfungen zu Herzproblemen bei jungen Menschen komme.

Es gibt jedoch keine Belege für die Spekulationen, dass die Todesfälle auf dem Festival etwas mit den Impfungen zu tun hätten. Beim Astroworld Festival in Houston kam es laut Medienberichten am 5. November während des Konzerts von Rapper Travis Scott zu einer Massenpanik. Acht Menschen starben, bei Massenpaniken kann das vorkommen. Bei der Loveparade 2010 in Duisburg starben zum Beispiel 21 Menschen. Sie waren zwischen 17 und 38 Jahre alt. 

Medien berichten: Mehrere Menschen hatten beim Astroworld Festival „eine Art Herzstillstand“ 

Zunächst haben wir in den Medienberichten über das Astroworld Festival nach Begriffen wie „Herzstillstand“ oder „Herzinfarkt“ gesucht. Dabei fanden wir unterschiedliche Formulierungen. 

Laut eines Berichts des Houston Chronicle vom 8. November sagte Larry Satterwhite von der örtlichen Polizei, mehrere Menschen seien zu Boden gefallen und hätten „eine Art Herzstillstand oder eine Art von medizinischem Vorfall“ erlitten. Auch beim Spiegel wurden die Aussagen der Ermittler so zitiert. In einem anderen Bericht des Houston Chronicle heißt es, mindestens elf Personen hätten einen Herzstillstand gehabt, und in einem weiteren, dass sie „einen Herzstillstand oder plötzlichen Stopp der Herzfunktion“ gehabt hätten. 

ABC News zitiert eines der Opfer der Massenpanik, einen 23-Jährigen, der sagte, sein Herz habe zwischenzeitlich ausgesetzt, als er von der Menge überrannt wurde. Ärzte hätten ihm gesagt, er habe einen „Herzinfarkt“ (heart attack) gehabt. Die Veranstalter des Astroworld Festivals selbst schrieben auf Instagram am 6. November von einer „Serie von Herzstillständen“.  

Am 10. November veröffentlichte die Polizei Houston ein Update zu den Ermittlungen. Polizeichef Troy Finner sprach von Gerüchten und Spekulationen, die sich verbreiten würden. Er sagte auch, man kenne die genauen Todesursachen der Opfer noch nicht. Allerdings berichtet das Medium Slate, der Anwalt eines der Opfer habe die Todesursache bekannt gegeben: Es sei eine „kompressive Asphyxie“ gewesen. 

Menschen sterben bei Massenpaniken durch Erstickung

In Berichten über Massenpaniken bei Großveranstaltungen kann man nachlesen, dass die „traumatische Asphyxie“ dabei die häufigste Todesursache sei. 

Wir haben die Deutschen Gesellschaft für Kardiologie um eine Erklärung dazu gebeten. Professor Daniel Steven vom Herzzentrum der Universität zu Köln schrieb uns per E-Mail, eine Asphyxie sei eine Erstickung. Die Opfer bekämen aufgrund von Druck auf den Brustkorb keine Luft mehr. Das geschehe durch das Schieben der Masse, Tritte und das Gewicht von anderen Menschen. 

„Im schlimmsten Fall können Rippenbrüche oder Blutungen hinzukommen. Im Rahmen dieser Erstickung sammelt sich Kohlendioxid an, es kommt zu einer verminderten Versorgung mit Sauerstoff und in der Folge zu Ohnmacht, Organschäden und Kammerflimmern, was dann die unmittelbare Todesursache des Patienten ist.“ Kammerflimmern ist ein unkontrolliertes, sehr schnelles Zusammenziehen des Herzmuskels, das zu Bewusstlosigkeit und zum Herzstillstand führen kann.

Eine Asphyxie sei etwas anderes als ein Herzinfarkt, erklärte Steven weiter. Einem Herzinfarkt liege eine Ablagerung von Fetten in der Gefäßinnenwand der Herzkranzgefäße zugrunde. Es könne sich ein Blutgerinnsel bilden, dass das Gefäß verstopft, so dass kein Blut mehr fließen kann. „Dies ist also ein lokales Problem am Herzen. Bei der Asphyxie kommt es durch den mechanischen Druck auf den Brustkorb zu einem Sauerstoffmangel im ganzen Körper.“ Er fügte noch hinzu: „Dies alles hat nichts mit einer Impfung zu tun.“

Redigatur: Matthias Bau, Sarah Thust

Update, 18. November 2021: Wir haben einen Satz am Textanfang angepasst, damit deutlicher wird, dass es für die Spekulationen über einen Zusammenhang zwischen den Vorfällen auf dem Festival und Impfungen keine Belege gibt. 

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • „Massenpanik: Ursachen und Folgen“, gesundheit.de: Link