Es stimmt nicht, dass Japan auf Ivermectin statt auf Covid-19-Impfstoffe setzt
Auf mehreren Internetseiten wird behauptet, Japan stoppe Impfungen gegen Covid-19 und habe auf das Medikament Ivermectin „umgestellt“. Das ist falsch: In Japan wird weiterhin gegen Covid-19 geimpft – das Entwurmungsmittel Ivermectin ist dort nicht zur Behandlung einer Coronavirus-Infektion zugelassen.
Japan habe die Einführung von Impfstoffen „fallen lassen“ und auf das Medikament Ivermectin umgestellt, schrieb die Internetseite Uncut-News am 3. November. Die Behauptungen sind falsch: In Japan wird weiterhin gegen Covid-19 geimpft und das Medikament Ivermectin ist dort nicht zur Behandlung einer Coronavirus-Infektion zugelassen. Einige Behörden in den USA und auch in Europa warnten vor der Anwendung von Ivermectin – einerseits wegen möglicher Nebenwirkungen und andererseits, weil die Wirkung gegen Covid-19 nicht bewiesen sei.
Ivermectin ist ein Entwurmungsmittel, das vor allem für den Einsatz bei Pferden oder Kühen bekannt ist. In bestimmten Dosierungen (zum Beispiel in Tablettenform) ist es in Deutschland und in den USA auch gegen Parasiten bei Menschen zugelassen. Hohe Dosen von Ivermectin können für Menschen jedoch giftig sein (PDF, Seite 11).
Vor allem in den USA, aber auch in Deutschland verbreitet sich seit Monaten die Behauptung, das Entwurmungsmittel könne Covid-19 verhindern oder heilen. Dass Japan Ivermectin angeblich zur Behandlung von Covid-19 zugelassen habe, wurde bereits im Oktober im Netz behauptet (hier und hier). Besonders im englischsprachigen Raum kursierten zuvor ähnliche Behauptungen, wie das Poynter-Institut berichtete.
Ursprung der Behauptung über Ivermectin und Japan ist eine Radiosendung aus den USA
Eine Google-Suche nach den Schlagworten „Japan“ und „Ivermectin“ führt zu mehreren Faktenchecks, die die Behauptungen widerlegen. Der Ursprung der Falschinformation ist offenbar die Webseite einer englischsprachigen Radio-Show, die laut den US-Faktencheckern von Politifact häufiger Verschwörungsmythen verbreitet. Der Beitrag auf der Webseite ist vom 27. Oktober. Er wurde von Uncut-News eins zu eins ins Deutsche übersetzt.
Als Belege für die Behauptung, Japan wende sich von den Covid-19-Impfungen ab, werden hauptsächlich Medienberichte und Blog-Beiträge verlinkt. Wir haben uns die Quellen angesehen: In keinem der Texte steht etwas von einem Impf-Stopp, oder davon, dass Ivermectin in Japan gegen Covid-19 zugelassen worden sei (hier, hier, hier, hier, hier).
In Japan wurden Verunreinigungen in vereinzelten Impfstoffdosen entdeckt, die aus dem Verkehr gezogen wurden
In drei der als Quellen angegebenen Texte geht es darum, dass in Japan einige verunreinigte Impfstoffdosen der Hersteller Moderna und Biontech/Pfizer entdeckt wurden. Wie das deutsche Ärzteblatt berichtete, hatten laut Hersteller Produktionsfehler in einer Fertigungsanlage in Spanien zu Verunreinigungen in einer der Chargen geführt. Ende August zog das japanische Gesundheitsministerium 1,6 Millionen Impfstoff-Dosen von Moderna zurück. Zur gleichen Zeit wurde bekannt, dass zwei Männer offenbar nach Erhalt einer Impfung aus einer der betroffenen Chargen gestorben waren.
Mitte September meldete die Japan Times, in fünf unbenutzten Fläschchen des Covid-19-Impfstoffs von Biontech/Pfizer sei eine weiße Substanz oder Partikel gefunden worden. Die betroffenen Impfstoffe wurden offenbar nicht verimpft. Japans Gesundheitsminister Norisha Tamura sagte laut Nachrichtenagentur Reuters: „Was auch immer der Grund (für die Fremdkörper) ist, wir wurden informiert, dass es keine Sicherheits- oder andere Bedenken gibt.“
Dass Impfungen gegen das Coronavirus wegen dieser Fälle generell gestoppt worden seien, stimmt aber nicht.
Japan bestellte im Oktober 120 Millionen Impfstoff-Dosen von Pfizer für das Jahr 2022
Sowohl im Oktober als auch November 2021 waren die Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer auf der Webseite des Gesundheitsministeriums aufgelistet, wie archivierte Versionen der Seite zeigen.
Zudem berichtete Reuters im Oktober, Japan habe 120 Millionen Pfizer-Impfstoffdosen für 2022 bestellt. Anfang November wurde berichtet, dass die Regierung die dritte Booster-Impfung für Personen ab 18 Jahren – ebenfalls mit dem Pfizer-Impfstoff – ab Dezember freigegeben habe.
Am Tag nachdem die falschen Behauptungen im Netz aufgetaucht waren, also am 28. Oktober, wurden laut Regierung knapp 600.000 Covid-19-Impfungen in Japan durchgeführt. Am 29. Oktober waren insgesamt 71,2 Prozent der Bevölkerung doppelt geimpft. Die aktuelle Impfquote in Japan liegt bei 76,2 Prozent (Stand 23. November).
Nein, Ivermectin ist in Japan nicht zur Behandlung von Covid-19 zugelassen
Uncut-News verweist außerdem – wie auch der Radiosender – auf einen Blog-Beitrag, der den Vorsitzenden der Tokyo Medical Association, Haruo Ozaki zitiert. Er habe gesagt, dass Ivermectin bei einer SARS-CoV-2-Infektion möglichst breit verwendet werden sollte.
Ozaki ist Arzt und Vorsitzender der Tokyo Medical Association, dabei handelt es sich um einen Verein. Laut der japanischen Internetseite Nikkei.com schlug er in einer Pressekonferenz im Februar die alternative Behandlung von Covid-19-Infizierten mit Ivermectin vor.
Offiziell zugelassen ist das Entwurmungsmittel dafür in Japan aber nicht. Die japanische Agentur für Arzneimittel und Medizinprodukte (PMDA) überwacht die Regulierung von Arzneimitteln. Ivermectin wird auf ihrer Webseite nicht als Arzneimittel zur Behandlung von Covid-19 aufgeführt. Laut Internet-Archiv war das auch Ende Oktober, kurz nachdem die Radiosendung in den USA erschienen war, nicht der Fall.
Ein Sprecher der PMDA schrieb den Faktencheckern der AFP am 9. November: „Eine klinische Studie mit Ivermectin ist Berichten zufolge im Gange. Ivermectin ist aber nicht für die Behandlung von Krankheiten zugelassen, die durch eine SARS-CoV-2-Infektion (Covid-19) verursacht werden.“
Von der Einnahme von Ivermectin zur Vorbeugung oder Behandlung von Covid-19 raten mehrere Länder ab
Es gibt bisher nicht ausreichend wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit von Ivermectin gegen Covid-19, das berichteten wir bereits in einem Faktencheck im September. Behörden in den USA, Deutschland oder Österreich warnten davor, das Mittel selbst einzunehmen.
Das Robert-Koch-Institut veröffentlichte im Oktober eine Liste zu Medikamenten, deren Wirksamkeit während der Pandemie untersucht wird. Zu Ivermectin schrieb das RKI, bisher vorliegende Studien hätten wenig Aussagekraft („niedriger Evidenzgrad“). Das Medikament solle nur im Rahmen von kontrollierten klinischen Studien verabreicht werden. Es bestehe das Risiko einer „schwerwiegenden Toxizität bei unkontrollierter Anwendung“. Wer also zu viel Ivermectin einnimmt, kann sich damit vergiften.
Redigatur: Matthias Bau, Alice Echtermann
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- In Japan zugelassene Impfstoffe und Arzneimittel gegen Covid-19 laut der Agentur für Arzneimittel und Medizinprodukte PMDA (Stand 29. Oktober, Englisch): Link
- Japanisches Gesundheitsministerium zu den zugelassenen Impfungen, archiviert am 4. November (Englisch): Link
- Corona-Fälle und Sterbezahlen laut WHO in Japan, archiviert am 22. November (Englisch): Link
- RKI zur Bewertung von medikamentösen Therapien bei Covid-19, Ivermectin auf Seite 11 (PDF, Stand 20. Oktober): Link
- Arzneimittel-Informationssystem für Deutschland: Link