Faktencheck

Covid-19-Impfung: Irreführende Behauptungen über Fehlgeburten und Krankheiten bei Kindern in der Stillzeit

Der Blog Wochenblick verbreitet verschiedene Behauptungen über negative Effekte einer Corona-Schutzimpfung während Schwangerschaft und Stillzeit. Dabei stellt er unbelegte Meldungen aus Datenbanken wie gesicherte Informationen dar und ein dubioses Dokument dient als Quelle, die jedoch eine Studie falsch wiedergibt.

von Tania Röttger

Baby eating breast milk. Caucasian blonde young mother breastfeeding her baby horizontal photo. Concept of lactation.
Baby eating breast milk. Caucasian blonde young mother breastfeeding her baby horizontal photo. Concept of lactation. || Modellfreigabe vorhanden
Behauptung
Eintragungen im VAERS-Register würden belegen, dass es wegen der Impfung zu 2.620 Fehlgeburten kam. Eine Corona-Schutzimpfung während der Schwangerschaft oder in der Stillzeit führe zu Fehlgeburten oder Krankheiten beim Kind, zeige eine Studie.
Bewertung
Falsch. Die VAERS-Einträge belegen die Fälle nicht, die angebliche Studie ist keine und interpretiert Daten aus einer anderen Studie falsch. Bisherige Studien zeigten, dass die Corona-Schutzimpfungen in der Schwangerschaft nicht zu einer erhöhten Fehlgeburtsrate führten. In der Muttermilch wurden bislang keine Impfstoffbestandteile, sondern nur Antikörper nachgewiesen.

Update, 7. Oktober 2022: Dieser Faktencheck gibt den Stand der Forschung zum Datum der Veröffentlichung (Dezember 2021) wieder. Eine (damals Preprint-)Studie von 2021 hatte keine Bestandteile des Impfstoffes in der Muttermilch nachgewiesen. Am 26. September 2022 erschien eine neue Studie zu diesem Thema mit einem anderen Ergebnis: Sie untersuchte an elf Teilnehmenden, die innerhalb von sechs Monaten nach Entbindung mit mRNA-Impfstoffen geimpft wurden. Bei sieben Proben von fünf Teilnehmenden fanden sich in der Muttermilch Rückstände bis zu 45 Stunden nach der Impfung. Nach 48 Stunden wurden keine solchen Inhaltsstoffe in der Muttermilch mehr festgestellt. Negative Auswirkungen wurden durch die Studie nicht untersucht.

Die angebliche Meldung ist erschütternd: „2.620 tote Babys nach Impfungen und Berichte schrecklicher Nebenwirkungen“ habe es gegeben, schreibt der Wochenblick. Ähnliche Meldungen verbreiten zahlreiche Blogs, sowohl in Deutschland als auch international

Die Zahlen existieren tatsächlich in einem öffentlichen Register: dem VAERS (Vaccine Adverse Effects Reporting System). Das ist das Register der US-Gesundheitsbehörde CDC, die Berichte über mögliche Impfnebenwirkungen erfasst. Allerdings handelt es sich hier um Verdachtsfälle, bei denen ein Zusammenhang zur Impfung nicht bewiesen ist. 

Der Artikel des Wochenblicks zu dieser Zahl verweist außerdem auf eine angebliche Studie, die einen Zusammenhang zwischen Impfung und Fehlgeburten belegen soll. Das Dokument basiert jedoch auf einer Fehlinterpretation offizieller Daten.

Daten in VAERS sind kein Beleg für Impfnebenwirkungen

Der Wochenblick-Artikel verlinkt auf eine Webseite namens Med-Alert als Quelle für die Zahl 2.620. Diese Seite ermöglicht Suchen in den gemeldeten Nebenwirkungen von VAERS – entweder nach Art der Nebenwirkung oder nach Impfstoff oder beidem.

Die Datenbank VAERS nimmt Berichte über mögliche Nebenwirkungen von Beteiligten auf – von Menschen, die im Gesundheitssystem arbeiten, Herstellern von Impfstoffen sowie von der Öffentlichkeit, also jeder Bürgerin oder jedem Bürger, die etwas melden. In einem Hinweis über die Daten steht, dass die Berichte alleine nicht dazu benutzt werden können um festzustellen, ob ein Impfstoff ein unerwünschtes Ereignis oder eine Krankheit hervorgerufen oder dazu beigetragen hat. Denn die Information könnte unvollständig, nicht korrekt, zufällig oder unbelegbar sein.  

Auch die Meldungen selbst geben Aufschluss darüber, dass nicht jede glaubhaft sein kann. Eine lautet zum Beispiel so: „Ich kenne jemanden, die gerade eine Fehlgeburt deswegen hatte (Covid Impfung).“ Oder: „Hatte Fehlgeburt nachdem ich bei jemandem war, der den Impfstoff von Pfizer hatte.“ Bei den meisten Meldungen fehlen außerdem genaue Daten – etwa über die zeitlichen Abfolgen oder ob es Hinweise gibt, dass die Fehlgeburt tatsächlich durch den Impfstoff ausgelöst wurden.

Immer wieder dienen Einträge in VAERS und anderen ähnlichen Systemen als Stütze für irreführende Behauptungen über die Sicherheit von Impfstoffen. Das haben wir und andere Redaktionen in zahlreichen Faktenchecks eingeordnet: Die Daten sind nur Hinweis, nicht Beweis. 

Wochenblick verlinkt auf dubiose „Studie“ als Beleg für angebliche Fehlgeburten

Der Wochenblick stellt die falsche Behauptung auf dass die Impfung während der ersten 20 Wochen der Schwangerschaft – die rechnerisch insgesamt 40 Wochen dauert –  in 82 bis 91 Prozent zu einer Fehlgeburt führe. Das soll eine „Studie“ belegen, die allerdings gar keine Studie ist.

Das verlinkte Dokument kommt vom „Institute for Pure and Applied Knowledge“ (IPAK), das in Pennsylvania registriert ist und impfgegnerische Artikel mit Fehlinformationen veröffentlicht. Das Papier ist auf Oktober 2021 datiert und der Inhalt bezieht sich auf eine Studie der US-Behörde CDC. Schon im Juli behauptete Report24 dazu: „CDC Schock-Studie: 81,8 Prozent Fehlgeburten bei früh geimpften Schwangeren“. Dies haben wir in einem anderen Faktencheck als falsch bewertet: die Daten der Studie wurden falsch interpretiert. 

Auch das IPAK interpretiert die Daten der CDC jetzt in seinem Papier fehl. Die Rechnung beruht auf einer falschen Annahme: Weil 700 der Teilnehmerinnen, die ihre Schwangerschaft mit der Geburt eines lebenden Kindes beendeten, die Impfung im dritten Trimester erhielten, lasse sich angeblich rückschließen, dass die übrigen 127 Frauen die Impfung davor erhielten – also im ersten oder zweiten Trimester. In der Studie wird der Zeitraum eines Trimesters mit 14 Wochen angegeben. 

Da alle 104 Fehlgeburten vor der 20. Schwangerschaftswoche geschahen, schließen die Autoren, dass man diese beiden Zahlen aufeinander beziehen müsse. Sie stellen also die 104 Fehlgeburten in Beziehung zu 127 „früh geimpften“ Frauen. So kommt man auf die angeblichen 81,8 Prozent Fehlgeburten bei „früh geimpften Schwangeren“.

Studien über Impfung während der Schwangerschaft: Kein Hinweis auf erhöhte Fehlgeburtsrate

Das Journal of the American Medical Association (Jama) veröffentlichte im September 2021 den Artikel „Spontane Fehlgeburt nach Covid-19-Impfung in der Schwangerschaft“. Die Forschenden analysierten Daten von mehr als 105.000 Schwangeren, von denen etwas mehr als 13.000 in einer Fehlgeburt endeten. Etwa 14 Prozent der rund 105.000 Teilnehmerinnen wurde innerhalb der ersten 20 Wochen der Schwangerschaft entweder mit dem Vakzin von Pfizer/Biontech, Moderna oder Johnson & Johnson geimpft. Die Analyse fand heraus, dass es keine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt bei den Geimpften gab. 

Eine weitere Untersuchung, die im Oktober im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, analysiert explizit Daten der Schwangeren, die eine Covid-19-Impfung in den ersten 20 Schwangerschaftswochen erhielten. Die Untersuchung fand heraus, dass in dieser Gruppe das Risiko für Fehlgeburten (zwischen der 6. und 20. Schwangerschaftswoche) bei 12,8 bis 14,1 Prozent lag. Der Anteil schwankte je nachdem, ob bei der Analysemethode das Alter einbezogen wurde, denn je höher das Alter der Schwangeren, desto wahrscheinlicher werden Fehlgeburten.

Offizielle Statistiken, wie viele Schwangerschaften mit einer Fehlgeburt enden, gibt es für Deutschland nicht, da Fehlgeburten nicht meldepflichtig sind. 

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt derweil eine Impfung für Schwangere ab dem 2. Trimester und Stillende. Insbesondere Schwangere haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung. In Deutschland werden Schwangere allerdings in der Regel nicht im ersten Trimester geimpft.  

Studien über Corona-Schutzimpfung in der Stillzeit: Bisher keine Hinweise auf Antikörper in der Muttermilch

Eine Studie von März 2021, die allerdings bisher noch nicht das Peer-Review-Verfahren durchlaufen hat, konnte Inhaltsstoffe der mRNA-Vakzine nicht in der Muttermilch feststellen. Dafür untersuchten die Forschenden mehrere Proben Muttermilch von sechs Personen im Zeitraum zwischen vier und 48 Stunden nach der Impfung. 

Drei Untersuchungen (von März 2021, Mai 2021 und September 2021) fanden Antikörper gegen Covid-19 nach einer mRNA-Impfung in der Muttermilch – zwei der Untersuchungen sind allerdings erst als Preprints erschienen. Es gibt also keine Belege, dass Impfstoffbestandteile auf gestillte Säuglinge übertragen werden, aber dafür schützende Antikörper. Dazu schreibt das RKI: „Nach einer Covid-19-Impfung sind vermehrt IgG-Antikörper in der Muttermilch zu finden. Je höher der Antikörperspiegel im Blut der Mutter ist, desto höher ist auch der Antikörperspiegel in der Muttermilch.“ Eine schützende Wirkung von diesen Antikörpern gegen eine Covid-19-Erkrankung bei Säuglingen von geimpften Müttern sei jedoch bisher nicht belegt, schreiben das RKI und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.   

Die Preprint-Studie von September 2021 untersuchte auch, ob es zu unerwünschten Nebenwirkungen kam. In der Testgruppe von 50 Teilnehmenden berichteten demnach zwölf Prozent von Nebenwirkungen nach der ersten Impfdosis beim Säugling– allerdings nur von leichten, etwa Änderungen des Schlafverhaltens oder Magen-Darm beschwerden. Diese Symptome waren nach spätestens 72 Stunden wieder verschwunden. Niemand berichtete eine schwere Nebenwirkung oder von einer Nebenwirkung nach der zweiten Impfdosis.

Beleg für die Behauptung über die Studie zur Corona-Schutzimpfung in der Stillzeit.
Die Studie vom 21. September zeigte, dass eine Impfung der stillenden Mutter nicht zu schwerwiegenden Nebenwirkungen bei den gestillten Säuglingen führte. (Quelle: MedRvix / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Artikel verbreiten Bilder von Kindern, die an anderen Krankheiten litten

Belege für „furchtbare Impf-Nebenwirkungen bei Babys“, wie der Wochenblick behauptet, gibt es demnach nicht. Der Wochenblick und andere Artikel verbreiten mehrere schwer ertragbare Bilder von Kindern. Diese seien angeblich wegen Nebenwirkungen der Corona-Schutzimpfung erkrankt oder gar gestorben. 

Eine Gruppe von Fotos zeigt eine blonde Frau, zuerst schwanger und dann mit einem entstellten Baby im Arm. Wir fanden ihr Profil auf Facebook und hatten mit ihr Kontakt per E-Mail. Tatsächlich hatte sie sich in der Schwangerschaft impfen lassen – allerdings nachdem bei ihrem Baby bereits eine schwere Erkrankung diagnostiziert worden war, ein seltener Halstumor. Sie schrieb uns: „Mein Baby sollte nicht für Angstmacherei benutzt werden.“ 

Belegt, was die Frau geschrieben hat
E-Mail von der Frau auf den Fotos, die der Artikel verbreitet. (Screenshot und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)

Ein Video zeigt außerdem ein Baby, das Wunden und Pusteln an der Haut aufweist. Wir haben das Bild an die Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin geschickt mit der Frage, was das für eine Krankheit sein könnte und ob sie mit der Impfung zusammenhängt.

Burkhard Rodeck, der Generalsekretär, antwortete uns: „Es ist nicht immer leicht, allein anhand von Bildern eine Diagnose zu stellen. Im dargestellten Fall handelt es sich aber wahrscheinlich um eine bullöse Impetigo des Neugeborenen, in der Regel durch Staphylokokken, seltener Streptokokken verursacht. Eine Antibiotikatherapie ist angebracht. Mit einer Impfung hat das nichts zu tun.“

Redigatur: Uschi Jonas, Till Eckert