Faktencheck

Covid-19: Geimpfte infizieren sich weniger wahrscheinlich und haben seltener schwere Verläufe als Ungeimpfte

Auf Facebook wird suggeriert, es sei gefährlicher, geimpft als ungeimpft zu sein. Das ist irreführend. Den Behauptungen fehlt relevanter Kontext.

von Uschi Jonas

Wer vollständig geimpft ist, hat eine geringe Wahrscheinlichkeit, sich mit Sars-CoV-2 zu infizieren oder schwer an Covid-19 zu erkranken (Symbolbild: Unsplash/ Kaja Reichardt)
Wer vollständig geimpft ist, hat eine geringe Wahrscheinlichkeit, sich mit Sars-CoV-2 zu infizieren oder schwer an Covid-19 zu erkranken (Symbolbild: Unsplash/ Kaja Reichardt)
Behauptung
Da sich auch Geimpfte mit SARS-CoV-2 infizieren und daran sterben können, sei es riskanter, sich impfen zu lassen als ungeimpft zu bleiben.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Für Geimpfte sinkt die Wahrscheinlichkeit sich mit dem Coronavirus zu infizieren, das Virus zu übertragen und an dem Virus zu sterben im Vergleich zu Un- oder Teilgeimpften. Corona-Impfungen haben zehntausende Covid-19-Todesfälle verhindert.

Auf Facebook verbreitet sich das Foto eines Zettels, auf dem Geimpfte und Ungeimpfte anhand von vier Fragen gegenübergestellt werden. Laut dieses Zettels können sich sowohl Geimpfte als auch Ungeimpfte mit dem Coronavirus infizieren, es weitergeben und daran sterben. Die letzte Frage, „Kann man an der Impfung sterben?“, wird mit „Ja“ für Geimpfte und „nein“ für Ungeimpfte beantwortet. Es wird also suggeriert, wer sich nicht impfen lasse, lebe in Bezug auf das Coronavirus sicherer. 

Doch das ist irreführend, es fehlt relevanter Kontext.

Es stimmt, dass sich auch Geimpfte mit dem Coronavirus infizieren, es übertragen, und schwer daran erkranken können – doch die Wahrscheinlichkeit dafür ist geringer als für Un- oder Teilgeimpfte.

Dieses Bild, das Risiken für Geimpfte und Ungeimpfte miteinander vergleicht, kursiert aktuell auf Facebook (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Dieses Bild, das Risiken für Geimpfte und Ungeimpfte miteinander vergleicht, kursiert aktuell auf Facebook (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Die Wahrscheinlichkeit, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, ist für Geimpfte geringer als für Ungeimpfte

Das Robert-Koch-Institut (RKI) erklärt, dass nach derzeitigem Stand (7. Dezember 2021) die Impfstoffe von Astrazeneca, Biontech/Pfizer und Moderna „einen guten Schutz“ vor einer Covid-19-Erkrankung bieten. Der Impfstoff von Johnson und Johnson schützt ebenfalls, ist aber weniger wirksam als die anderen drei Impfstoffe vor der Delta-Variante.

Da keine der Impfungen einen 100-prozentigen Schutz bietet, kann es trotzdem zu einer Sars-CoV-2-Infektion und zu einer Covid-19-Erkrankung kommen. Auch ist es erwartbar, dass mit steigender Impfquote und steigenden Corona-Fallzahlen die Zahl der Impfdurchbrüche zunimmt. Laut RKI könne die aktuell sinkende Impfeffektivität „für eine Abnahme der Schutzwirkung über die Zeit sprechen, da in der Bevölkerung der Anteil derjenigen wächst, die vor mehr als sechs Monaten geimpft wurden“. Deshalb empfahl die Ständige Impfkommission (Stiko) bereits Anfang Oktober Booster-Impfungen für ältere Menschen, seit dem 18. November für alle über 18-Jährigen.  

Zur Omikron-Variante heißt es im RKI-Wochenbericht vom 16. Dezember: „Die Wirksamkeit der Impfung gegen die Omikron-Variante ist noch nicht endgültig zu beurteilen“ (PDF, Seite 3). Aufgrund der sich rasant verbreitenden Omikron-Variante hat das RKI seine Risikobewertung am 20. Dezember geändert. Darin heißt es: „Das Robert-Koch-Institut schätzt die Gefährdung durch Covid-19 für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein.“ 

Die Infektionsgefährdung wird aktuell (Stand 20. Dezember) für die Gruppe der Ungeimpften als „sehr hoch“, für die Gruppen der Genesen und Geimpften mit Grundimmunisierung (zweimalige Impfung) als „hoch“ und für die Gruppe der Geimpften mit Auffrischimpfung (dreimalige Impfung) als „moderat“ eingeschätzt.  Das RKI geht (mit Stand 21. Dezember 2021) davon aus, dass die Wirksamkeit der Impfstoffe gegenüber der Omikron-Variante bei einer vollständigen, zweifachen Impfung, bereits stark reduziert ist. Nach Auffrischungsimpfungen zeige sich jedoch wieder eine gute Wirksamkeit.

Die Wahrscheinlichkeit, das Coronavirus auf andere zu übertragen, ist für Geimpfte geringer als für Ungeimpfte

Bezüglich der Übertragbarkeit des Virus schreibt das RKI mit Stand 21. Dezember, Daten aus Zulassungsstudien wie auch aus Untersuchungen im Rahmen der breiten Anwendung der Impfstoffe würden belegen, dass die Virusübertragung bei infizierten Geimpften „kürzer als bei ungeimpften Personen“ mit einer Sars-CoV-2-Infektion sei. In welchem Maß die Impfung die Übertragung des Virus reduziere, könne aber derzeit nicht genau angegeben werden. Wie hoch das Übertragungsrisiko unter Omikron sei, könne „derzeit noch nicht bestimmt werden“. 

Die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu sterben, ist für Geimpfte geringer als für Ungeimpfte

„Alle Impfstoffe, die zurzeit in Deutschland zur Verfügung stehen, schützen nach derzeitigem Kenntnisstand bei vollständiger Impfung die allermeisten geimpften Personen wirksam vor einer schweren Erkrankung“, schreibt das RKI im aktuellsten Wochenbericht vom 16. Dezember (PDF, Seite 3). 

Der Vergleich der Inzidenzen zeigt zudem, dass Ungeimpfte häufiger schwer an Covid-19 erkranken. Dafür werden die geimpften Covid-19-Fälle zu allen geimpften Menschen in der Bevölkerung ins Verhältnis gesetzt und die ungeimpften Covid-19-Fälle zu allen Ungeimpften in der Bevölkerung. 

Daten zum Impfstatus wurden dem RKI aktuell für 84 Prozent aller Covid-19-Fälle und für 66 Prozent der hospitalisierten Covid-19-Patienten übermittelt (Wochenbericht vom 16. Dezember, PDF, Seite 22). Über die Gründe, warum der Impfstatus von neu aufgenommenen Covid-19-Patientinnen und -patienten von den Krankenhäusern nicht immer tagesaktuell gemeldet werden kann, haben wir einen ausführlichen Hintergrundbericht veröffentlicht. 

Der Blick auf die aktuellen Inzidenzen (symptomatische Fälle) und Hospitalisierungsinzidenzen für Fälle mit bekanntem Impfstatus zeigt, dass diese Zahlen bei Ungeimpften deutlich höher sind als bei Geimpften (Wochenbericht vom 16. Dezember, Seite 22). Ungeimpfte erkranken also mit einer höheren Wahrscheinlichkeit an Covid-19 und müssen auch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt werden als Geimpfte:

Vergleich der Inzidenzen für symptomatische Covid-19-Fälle und Hospitalisierungen getrennt nach Geimpften und Ungeimpften in unterschiedlichen Altersgruppen anhand der verfügbaren Daten zum Impfstatus (Quelle: RKI-Wochenbericht vom 16. Dezember 2021; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Vergleich der Inzidenzen für symptomatische Covid-19-Fälle und Hospitalisierungen getrennt nach Geimpften und Ungeimpften in unterschiedlichen Altersgruppen anhand der verfügbaren Daten zum Impfstatus (Quelle: RKI-Wochenbericht vom 16. Dezember 2021; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Auch sterben nicht oder nicht vollständig Geimpfte mit einer höheren Wahrscheinlichkeit an einer Covid-19-Erkrankung als Geimpfte. Laut RKI-Wochenbericht vom 16. Dezember sind von denjenigen mit bekanntem Impfstatus in den Kalenderwochen 46 bis 49 in der Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen 21 vollständig Geimpfte und 124 Un- oder Teilgeimpfte mit einer Covid-19-Erkrankung gestorben. In der Altersgruppe der über 60-Jährigen waren 691 der Verstorbenen vollständig geimpft, 848 waren un- oder teilgeimpft (PDF, Seite 24). Es sterben demnach mehr Menschen an Covid-19, wenn sie nicht oder nicht vollständig geimpft sind. (PDF, Seite 24).

Imfpdurchbrüche nach verschiedenen Altersgruppen (Quelle: RKI-Wochenbericht vom 16. Dezember 2021; Screenshot und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)
Imfpdurchbrüche nach verschiedenen Altersgruppen (Quelle: RKI-Wochenbericht vom 16. Dezember 2021; Screenshot und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Sehr seltene Verdachtsmeldungen über Todesfälle in zeitlichem Zusammenhang mit Impfungen

In dem verbreiteten Bild wird zudem behauptet, eine Covid-19-Impfung könne zum Tod führen. Im Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach einer Covid-19-Impfung vom 26. Oktober heißt es, dass lediglich 0,2 schwerwiegende Reaktionen pro 1.000 Impfdosen gemeldet werden (PDF, Seite 12). Insgesamt wurden bis zum 30. September rund 108 Millionen Impfdosen in Deutschland verimpft (PDF, Seite 11).

In 1.802 Verdachtsfallmeldungen sei „über einen tödlichen Ausgang in unterschiedlichem zeitlichem Abstand zur Impfung berichtet“ worden, schreibt das PEI (PDF, Seite 15). Diese Fälle sind also sehr selten. Eine Verdachtsfallmeldung belegt auch lediglich einen Verdacht, nicht einen gesicherten Zusammenhang mit der Impfung. Die Analyse dieser Daten ergebe „keine wesentliche Änderung zur Auswertung der vorhergehenden Sicherheitsberichte“, schreibt das PEI weiter. 

Zum Vergleich: Eine RKI-Berechnung hat im August ergeben, dass die Covid-19-Impfungen bis zum Sommer 2021 38.300 Todesfälle verhindert haben. Covid-19-Impfungen retten folglich nachweislich zehntausende Menschenleben.

Fazit: Nicht oder nicht vollständig Geimpfte infizieren sich mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als Geimpfte mit dem Coronavirus und haben häufiger schwere Verläufe, müssen also öfter wegen der Infektion im Krankenhaus behandelt werden. Ungeimpfte übertragen das Coronavirus zudem länger als Geimpfte. Es sterben mehr ungeimpfte oder nicht vollständig geimpfte Personen an Covid-19 als geimpfte. Da aber keiner der Impfstoffe eine Wirksamkeit von 100 Prozent erreicht und der Antikörperspiegel nach einiger Zeit sinkt, empfiehlt die Stiko eine Auffrischungsimpfung. Bei den Verdachts-Todesfällen im Zusammenhang mit Covid-19-Impfungen handelt es sich um sehr seltene Fälle.

Redigatur: Steffen Kutzner, Till Eckert

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts (RKI), Stand 20. Dezember 2021: Link
  • Hinweise des RKI zur Wirksamkeit der Covid-19-Impfstoffe, Stand 7. Dezember 2021: Link
  • Hinweise des RKI „Covid-19 und Impfen: Antworten auf häufig gestellte Fragen“, Stand 21. Dezember: Link
  • Wochenbericht des RKI vom 16. Dezember 2021: Link
  • Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom 26. Oktober 2021: Link