Faktencheck

Ostfildern: Nein, es gibt keinen Schießbefehl gegen „friedliche Spaziergänger“

In Blogartikeln und auf Telegram wird behauptet, in Ostfildern bei Stuttgart sei ein „Schießbefehl“ gegen „friedliche Spaziergänger“ erteilt worden. Dies basiert jedoch auf einer Fehlinterpretation.

von Steffen Kutzner

Zwei tote Polizisten in Kusel
Angeblich habe es in Ostfildern bei Stuttgart einen Schießbefehl gegen „friedliche Spaziergänger“ gegeben – das stimmt aber nicht (Symbolbild: Picture Alliance/ DPA /Sebastian Gollnow)
Behauptung
In Ostfildern sei der Schusswaffengebrauch gegen „friedliche Spaziergänger“ befohlen worden.
Bewertung
Falsch. Eine Allgemeinverfügung der Stadt Ostfildern wird falsch interpretiert. Die Stadt stellte bereits klar, dass der Einsatz der Schusswaffe zur Durchsetzung des Versammlungsverbots ausgeschlossen sei.

„Als erste Stadt, und wohl nicht letzte, in Deutschland, befiehlt nun Ostfildern in Baden-Württemberg den Schusswaffengebrauch gegen friedliche Spaziergänger“, wird in einem Artikel der Webseite Unser Mitteleuropa am 29. Januar behauptet. Gemeint sind die Umzüge von Gegnern der Corona-Maßnahmen. Der österreichische Wochenblick griff die Behauptung vom vermeintlichen Schießbefehl ebenfalls auf. Auf Telegram wird zudem die Behauptung verbreitet, der Bürgermeister habe „einen Schießbefehl gegen Spaziergänger erlassen“. Die Behauptungen sind falsch. Eine Verfügung der Stadt wird falsch interpretiert. Der Einsatz einer Schusswaffe zur Durchsetzung eines Versammlungsverbots ist ausgeschlossen. 

Als Quelle für die Behauptung wird bei Telegram und in den Artikeln auf eine Allgemeinverfügung der Stadt Ostfildern vom 26. Januar verwiesen. Darin ging es um nicht angemeldete Versammlungen und dort findet sich der Satz: „Um sicherzustellen, dass das Versammlungsverbot eingehalten wird, wird die Anwendung unmittelbaren Zwangs, also die Einwirkung auf Personen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch angedroht.“

Dass die Polizei Maßnahmen ergreifen darf, um ein Verbot durchzusetzen, ist jedoch nicht außergewöhnlich und die Androhung von „Waffengebrauch“ ist auch nicht gleichbedeutend mit einem „Schießbefehl“. 

Stadtverwaltung Ostfildern: Behauptung „entbehrt jeder Grundlage“ 

Wir haben die Stadtverwaltung Ostfildern kontaktiert und gefragt, was es mit der Formulierung in der Allgemeinverfügung auf sich hat.

Ein Pressesprecher antwortete uns mit Verweis auf eine Pressemitteilung der Stadtverwaltung und der zuständigen Polizeidienststelle vom 31. Januar. Auf die Pressemitteilung verwies auch Unser Mitteleuropa in einem Update. In der Mitteilung heißt es, dass in der Allgemeinverfügung „lediglich korrekterweise darauf hingewiesen [wurde], dass ein Versammlungsverbot auch zwangsweise durchgesetzt werden kann und welche Bandbreite an Einsatzmitteln der Polizei allgemein – für verschiedenste Einsatzlagen – per Gesetz zur Verfügung stehen.“ 

Die Behauptung, die Polizei würde Schusswaffen einsetzen, um das Versammlungsverbot durchzusetzen, „entbehrt jeder Grundlage“, heißt es in der Mitteilung. Das Gegenteil der Behauptung sei der Fall: „Der Einsatz der Schusswaffe zur Durchsetzung eines Versammlungsverbots ist ausgeschlossen.“

In der Allgemeinverfügung werden also lediglich die juristischen Grundlagen erklärt, wozu auch die Androhung von Waffengewalt gehört. Dass dies einem Schießbefehl gleichkomme, wurde in die Verfügung falsch hineininterpretiert.

Redigatur: Uschi Jonas, Tania Röttger