Faktencheck

Nein, in der Oberpfalz wurden nicht sechs LKW-Ladungen mit Hilfsgütern für die Ukraine entsorgt

In Sozialen Netzwerken kursiert ein Foto mit der Behauptung, Hilfsgüter für die Ukraine würden in der Oberpfalz verbrannt. Stattdessen sollen die bereitgestellten LKW angeblich Waffen liefern. Das ist größtenteils falsch – tatsächlich brachte der Konvoi Essen und Arzneimittel an die polnisch-ukrainische Grenze.

von Viktor Marinov

Spenden Ukraine Telegram Behauptung
Dieses Bild kursiert in Sozialen Netzwerken mit der Behauptung, Spenden für die Ukraine würden verbrannt (Quelle: Telegram; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
In der Oberpfalz sollen Hilfsgüter für die Ukraine aus mehreren LKW entladen worden sein und in der örtlichen Müllverbrennung landen. Die LKW sollen dann mit Zollpapieren für Spenden Waffen in die Ukraine bringen.
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Größtenteils falsch. Das Foto zeigt tatsächlich aussortierte Spenden einer Hilfsaktion für die Ukraine, die entsorgt wurden. Mehrere LKW mit Nahrungsmitteln und Arzneimitteln sind jedoch zur polnisch-ukrainischen Grenze gefahren.

In Sozialen Netzwerken wie Telegram (hier) und Facebook (hier) kursiert ein Foto von einer Spendenaktion für die Ukraine. Auf dem Bild sieht man geöffnete Kartons, Tüten und einen Berg aus herumliegenden Gegenständen. In den Beiträgen wird behauptet, es seien sechs LKW mit Hilfsgütern entladen worden, deren Spenden in der örtlichen Müllverbrennung gelandet seien. Es wird suggeriert, die Organisatoren missbrauchten Spendenpapiere, um Waffen in die Ukraine zu liefern. Das ist falsch. 

Die Logistikfirma Alfred Böhm hat nach eigenen Angaben bereits mehrere LKW mit Arzneimitteln und Essen bis zur polnisch-ukrainischen Grenze gebracht – das belegen Fotos, Videos und Medienberichte. Die falsche Behauptung wurde allein auf Telegram rund 500.000 Mal gesehen.

Mitorganisator der Spendenaktion: „Das Bild zeigt den Müll, der nach der Sortierung übrig geblieben ist“

Die Beiträge machen keine konkreten Angaben zu der Spendenaktion. Es wird lediglich die Region genannt – das Foto sei in der Oberpfalz gemacht worden. Wir finden mit einer Google-Suche nach den Begriffen ‚Oberpfalz‘, ‚Hilfsgüter‘ und ‚Ukraine‘ mehrere Medienberichte über einen Konvoi mit Sachspenden, der in der Stadt Auerbach in der Oberpfalz am 4. März gestartet ist, einige Tage bevor das Foto auftauchte. 

Auf der Facebook-Seite der Spendenaktion „Gemeinsame Hilfe für die Ukraine“ finden wir Fotos der LKW der Logistikfirma Alfred Böhm, die zusammen mit einem Pflegedienst und einem Rettungsdienst den Konvoi organisiert hat. Die Fahrzeuge von Alfred Böhm haben zwei markante Merkmale: eine rote Fahrerkabine und ein roter Schriftzug mit dem Firmennamen an der Seite der weißen Auflieger. Ein Vergleich mit dem Foto aus Telegram zeigt, dass die dort fotografierten LKW ebenfalls eine rote Fahrerkabine und weiße Auflieger haben. Der Schriftzug an der Seite ist schlecht zu lesen, könnte aber zu den LKW von Alfred Böhm passen. 

Auf der Facebook-Seite der Aktion „Gemeinsame Hilfe für die Ukraine“ sind die LKW mit dem roten Führerhaus zu sehen (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Auf der Facebook-Seite der Aktion „Gemeinsame Hilfe für die Ukraine“ sind die LKW mit dem roten Führerhaus zu sehen (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Auf unsere Anfrage bestätigt Ilhan Altincik, Geschäftsführer von Alfred Böhm, dass es sich bei dem Foto um eine Aufnahme von seinem Firmengelände handelt. „Natürlich erkenne ich das Gelände“, sagt Altincik am Telefon. Auch die Fahrzeuge auf dem Bild kann er identifizieren. Bei den Gegenständen auf der Aufnahme handle es sich um aussortierte Spenden. Auch die Stadt Auerbach bestätigt das auf unsere Anfrage schriftlich.

„Das Bild zeigt den Müll, der nach der Sortierung übrig geblieben ist“, sagt Altincik. Es habe sich dabei teilweise um Haushaltsmüll oder unbrauchbare Sachen gehandelt. „Die Menschen an der Grenze brauchen keine Bikinis oder Sommerschuhe. Und definitiv keine Sachen in schlechtem Zustand.“ Die Organisatoren der Aktion hatten im Vorfeld dazu aufgerufen, medizinisches Verbandmaterial und Nahrung zu spenden, zum Beispiel Reis, Nudeln, Öl oder Fleisch- und Fischkonserven. Nach Angaben von Altincik haben zwölf LKW insgesamt mehr als 250 Tonnen mit Lebens- und Arzneimitteln geliefert. 

Auch den Vorwurf, seine Firma habe Waffen geliefert, dementiert Ilhan Altincik. Auf keinem der vielen Fotos und Videos von den Hilfsgütern finden sich Hinweise dafür, dass die LKW Waffen transportiert hätten. Die Unterstellungen seien erfunden, schreibt uns auch der Zweite Bürgermeister von Auerbach. 

Medien fuhren drei Tage mit dem Konvoi mit und dokumentierten die Spenden

Dass der Konvoi tatsächlich Spenden bis an die ukrainisch-polnische Grenze lieferte, belegen Medienberichte. Besonders ausführlich dokumentierte die Mittelbayerische Zeitung die Aktion: Journalisten und Journalistinnen der Zeitung sind mit dem Konvoi mitgefahren und haben drei Tage lang in einem Blog darüber berichtet. Auf Fotos und Videos sieht man die LKW von Alfred Böhm, ein Foto zeigt einen Karton mit Hilfsgütern.

Wie die Zeitung dokumentierte, landeten nicht alle Spenden in einer Müllverbrennungsanlage. Es wurden zwar Gegenstände, entsorgt, allerdings weil sie unbrauchbar waren. Diese machten laut den Organisatoren der Initiative nur einen kleinen Teil der Gesamtspenden aus. Die restlichen Hilfsgüter wurden bis an die polnisch-ukrainische Grenze geliefert. Die Organisatoren der Aktion in Auerbach planen den Start eines weiteren Konvois am 17. März.

An der Grenze verluden Helfer die Spenden in ukrainische LKW für den Weitertransport, wie die Mittelbayerische Zeitung in ihrem Blog festhält – auch auf diesem Foto sind keine Hinweise auf Waffenlieferungen zu sehen.

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Russland-Ukraine-Krieg finden Sie hier.

Redigatur: Steffen Kutzner, Tania Röttger

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