Faktencheck

Ja, Wolodymyr Selenskyj war in Geschäfte mit Offshore-Firmen verwickelt

Auf Facebook kursiert die Behauptung, der ukrainische Präsident Selenskyj sei in ein Netz von Offshore-Firmen verwickelt gewesen. Das ist richtig, allerdings enthält der Beitrag einige Ungenauigkeiten.

von Matthias Bau

Wolodymyr Selenskyj
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am 10. Mai bei einer Videoansprache (Picture Alliance / Zumapress / Ukraine Presidency)
Behauptung
Wolodymyr Selenskyj und seine engsten Mitarbeiter hätten ein Netzwerk aus Offshore Briefkasten-Firmen gegründet. Selenskyjs TV-Produktionsfirma habe so 41 Millionen Dollar steuerfrei vom Oligarchen Ihor Kolo­mo­js­kyj erhalten. Vor seiner Wahl zum Präsidenten habe Selenskyj seine Firmenanteile umschreiben lassen, er erhalte aber weiterhin Zahlungen. Mit den Tarnfirmen seien Luxuswohnungen für mehrere Millionen gekauft worden. Das gehe aus einer Veröffentlichung der Bundeszentrale für politische Bildung hervor.
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Größtenteils richtig. Durch journalistische Recherchen wurde bekannt, dass Wolodymyr Selenskyj und Mitarbeiter seiner Produktionsfirma ab 2012 ein Geflecht von Offshore-Firmen gegründet haben. Anteile an einer Offshore-Firma ließ er vor seiner Wahl auf einen Vertrauten umschreiben. Dafür, dass seine Produktionsfirma 41 Millionen Dollar bekam, gibt es Hinweise, aber keine Belege. Dass Selenskyj weiterhin Zahlungen erhält, geht aus dem Artikel nicht hervor.

Auf Facebook kursiert seit März dutzendfach ein Bild mit Text, auf dem es heißt, der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskyj, habe gemeinsam mit seinen Mitarbeitern Offshore-Firmen gegründet und so steuerfrei 41 Millionen Dollar von einem Oligarchen erhalten. Obwohl er vor seiner Wahl seine Firmenanteile verkauft habe, erhalte er immer noch regelmäßige Zahlungen. 

Laut den Beiträgen seien die Aussagen über Selenskyj so in einem Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) zu finden. Das stimmt nur in Teilen. Zwar ist in einem Artikel vom 19. Oktober 2021 zu lesen, dass durch die sogenannten Pandora-Papers enthüllt wurde, dass eine TV-Produktionsfirma, an der Selenskyj beteiligt war, steuerfrei 41 Millionen Dollar erhalten haben soll, nachgewiesen wurde das aber nicht. Für die angebliche Zahlung von Dividenden an Selenskyj oder seine Frau liefern die Dokumente Hinweise, diese seien geplant gewesen – über eine Zahlung selbst gibt es jedoch keine Belege. 

Auf Facebook kursiert dieses Bild mit Text über die Verwicklungen des ukrainischn Präsidenten Selenkyj in Geschäfte mit Offshore-Briefkasten-Firmen
Auf Facebook kursiert dieses Bild mit Text über die Verwicklungen des ukrainischen Präsidenten Selenkyj in Geschäfte mit Offshore-Briefkasten-Firmen (Quelle: Facebook; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Pandora-Papers enthüllten Selenskyjs Beteiligung an Offshore-Firma

Am 3. Oktober 2021 veröffentlichten das International Consortium of Investigative Journalists Rechercheergebnisse zur Verwicklung von Politikern aus aller Welt in Geschäfte mit Firmen in Steueroasen. In den „Pandora Papers“ geht es auch um den ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj. Weltweit waren Medien an der Recherche beteiligt, darunter Journalistinnen und Journalisten vom ukrainischen Medium Slidstvo.info, die sich intensiv mit den Unterlagen über Selenskyj beschäftigten. In einer rund einstündigen Reportage berichteten diese über die Verstrickungen des Präsidenten und seiner damaligen TV-Produktionsfirma Kwartal 95. Auf diese Quellen beruft sich der Artikel der BPB.

Behauptung: Wolodymyr Selenskyj und seine engsten Mitarbeiter hätten ein Netzwerk aus Offshore Briefkasten-Firmen gegründet.

Laut den Berichten stimmt das. Aus der Recherche, die Slidstvo.info zusammen mit dem Journalisten-Netzwerk Organized Crime and Corruption Reporting Project auch auf Englisch in Textform veröffentlicht hat, geht hervor, dass Selenskyj und Mitarbeiter seiner Produktionsfirma Kwartal 95 ab dem Jahr 2012 ein Geflecht von Offshore-Firmen gegründet haben, darunter eine Firma names Maltex. Zu diesem Zeitpunkt war Selenskyj noch Schauspieler und produzierte Inhalte für den TV-Sender des Oligarchen Ihor Kolo­mo­js­kyj. Das geht auch aus einem Artikel der BPB vom 19. Oktober 2021 hervor, der sich über eine Google-Suche leicht finden lässt und für die Behauptung auf Facebook mutmaßlich als Quelle herangezogen wurde. 

Behauptung: Selenskyjs TV-Produktionsfirma habe so 41 Millionen Dollar steuerfrei vom Oligarchen Ihor Kolomo­js­kyj erhalten.

In dem Artikel der BPB heißt es, es sollen „41 Mio. Dollar von der PrivatBank auf das Konto von Selenskijs Produktionsfirma Kwartal 95 überwiesen worden sein“. Das geht aus den Veröffentlichungen von Slidstvo.info so jedoch nicht hervor. Sowohl in der Video-Reportage, die Slidstvo.info publizierte, als auch der Textversion der Recherche ist lediglich von einem „Firmengeflecht“ die Rede, das Selenskyj und seinen Partnern gehört habe, an welches das Geld geflossen sei. Dokumente zeigten, dass Geld als sogenannte Kapitaleinlage für verschiedene Firmen gezahlt worden sei, die laut Experten steuerfrei überwiesen werden könne. 

Behauptung: Vor seiner Wahl zum Präsidenten habe Selenskyj seine Firmenanteile umschreiben lassen.

Das stimmt. Übereinstimmend geht aus der Slidstvo.info-Reportage und dem Artikel der BPB hervor, dass Selenskyj die Beteiligung an einer der Offshore-Firmen (Maltex) vor der Präsidentschaftswahl im Jahr 2019 auf einen Mann namens Serhij Schefir umschrieb, der anschließend sein Berater wurde. 

Behauptung: Selenskyj soll jedoch weiterhin Zahlungen erhalten, obwohl er diese nicht mehr besitze. 

Über die Zahlung von Dividenden, die auf Facebook erwähnt wird („regelmäßige Zahlungen“), heißt es bei der Bundeszentrale für Politische Bildung und in den Recherchen von Slidstvo.info: Ein Dokument belege, dass die Firma – deren Anteile Selenskyj auf Schefir umschreiben ließ – beabsichtige, weiterhin Dividenden an eine weitere Firma des Präsidenten und seiner Frau zu zahlen. Anders als bei Facebook behauptet, heißt es bei der BPB nicht, dass Selenskyj weiter Zahlungen erhalten habe.

Denn dafür, dass es diese Dividendenzahlungen wirklich gegeben hat, gibt es keine Nachweise. Die BPB schreibt, dass sie „in der Einkommensdeklaration des Ehepaares für das Jahr 2020“ nicht angegeben worden seien. Slidstvo.info schreibt, dass die Pandora-Papers keine Details dazu enthielten, ob und wie oft es solche Zahlungen gegeben habe. Die Firma, an die die Zahlungen angeblich fließen sollten, gehört seit dem Jahr 2019 zudem ausschließlich Selenskyjs Frau, alle Zahlungen wären somit zunächst an sie geflossen.

Behauptung: Mit den Tarnfirmen seien Luxuswohnungen für mehrere Millionen gekauft worden.

Das stimmt. Selenskyjs Berater, Serhij Schefir, und ein weiterer Geschäftspartner von Selenskyj kauften über die Offshore-Firmen für mehrere Millionen drei Wohnungen in London.

Redigatur: Viktor Marinov, Sophie Timmermann

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Artikel der Bundeszentrale für Politische Bildung: Link
  • Artikel von Organized Crime and Corruption Reporting Project und Slidstvo.Info: Link
  • Video von Slidstvo.Info: Link

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