Faktencheck

Dieses Foto zeigt eine Demo 2013 in der Ukraine, unter anderem mit russischen Neonazis 

Immer wieder wird altes Bildmaterial im Kontext des Ukraine-Kriegs verbreitet. Auch momentan kursiert ein Foto, das angeblich eine aktuelle Demonstration in Kiew abbilden soll. Es ist aber neun Jahre alt und zeigt Neonazis aus verschiedenen Ländern, die sich anlässlich des 70. Jahrestags der Gründung einer SS-Division in Lwiw trafen. 

von Alice Echtermann

Titelbild_Neonazis 2013 in Lwiw
Dieses Foto wird im Kontext des Ukraine-Kriegs als vermeintlicher Beleg für Neonazis in der Ukraine verwendet. Es entstand jedoch 2013 und in vorderster Reihe läuft ein russischer Neonazi. (Quelle: Facebook; Screenshot und Verpixeln eines Hakenkreuz-Tattoos: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Foto mit Neonazis stamme aktuell aus Kiew.
Bewertung
Falscher Kontext
Über diese Bewertung
Falscher Kontext. Das Foto zeigt eine Demonstration 2013 im ukrainischen Lwiw, unter anderem mit Beteiligung von Neonazis aus Russland. 

Hinweis: In diesem Artikel sind als Belege Fotos von Symbolen des Nationalsozialismus und des Hitlergrußes zu sehen. Hakenkreuze haben wir unkenntlich gemacht. 

Im Netz verbreitet sich ein Foto, das Neonazis bei einer Demonstration zeigt. Sie schwenken unter anderem ukrainische Flaggen. Dazu heißt es, das Bild stamme „frisch aus Kiew“. Die Behauptung wurde am 10. Oktober auf Twitter als Antwort auf einen Beitrag der Bild-Zeitung veröffentlicht und kursierte anschließend auch auf Facebook. 

Das Foto ist weder aktuell noch entstand es in Kiew. Es zeigt eine Demonstration in der ukrainischen Stadt Lwiw im Jahr 2013. Wir fanden das Originalfoto in der Bilddatenbank Getty Images – es wurde am 28. April 2013 von einem Pressefotografen der AFP aufgenommen. In der Bildbeschreibung steht, Neonazis hätten die Demonstration zum 70. Jahrestag der Gründung der 14. Waffen-Grenadier-Division der SS organisiert. Diese Division bestand im Zweiten Weltkrieg unter anderem aus ukrainischen Freiwilligen. 

Verschiedene Rechtsextreme, unter anderem aus Russland, nahmen an der Demonstration 2013 teil 

Was als Kontext zu dem Foto der Demonstration in Lwiw zudem fehlt: Laut der Beschreibung in der Fotodatenbank nahmen nicht nur Ukrainer, sondern auch Neonazis aus Litauen und Russland daran teil. Tatsächlich handelt es sich bei dem Mann mit Glatze im Vordergrund des Fotos nach unseren Recherchen um einen russischen Neonazi namens Alexej Maximov. 

Maximov lebte Berichten zufolge um 2014 herum in St. Petersburg und hat auffällige Tattoos mit rechtsextremen Symbolen – unter anderem einen SS-Totenkopf am Hals. Das Tattoo ist auch bei den Fotos von der Demo in Lwiw deutlich zu erkennen. Auch weitere Tattoos auf seinem rechten Arm stimmen mit Aufnahmen von Maximov in einem Blog-Artikel von 2015 überein. Er tauchte auch bei einer Demonstration 2012 in Russland auf

eine Collage aus Fotos eines russischen Neonazis mit zahlreichen Tattoos
Ein Vergleich der Bilder von der Demonstration 2013 in Lwiw (links) mit anderen Fotos des russischen Neonazis Alexej Maximov zeigen, dass es sich um dieselbe Person handelt. Das belegt ein auffälliges Tattoo am Hals (Mitte). Auf einer Demonstration in Russland 2012 (rechts) trug er dasselbe T-Shirt wie in Lwiw. (Quellen: Facebook / Blog „Inform Napalm“ / Reuters; Collage und Verpixeln der Hakenkreuz-Tattoos: CORRECTIV.Faktencheck)

Ein Foto von Maximov wurde erst kürzlich in falschem Kontext im Internet verbreitet. Damit wurde behauptet, er sei Ukrainer und der ehemalige Polizeichef von Kiew. 

Rechtsextreme waren um 2013 herum präsent in der Ukraine, danach nahm ihr Einfluss stark ab

Auf dem neun Jahre alten Foto aus Lwiw tragen Maximov und die drei Personen neben ihm identische T-Shirts mit SS-Abzeichen. Das könnte bedeuten, dass es sich bei ihnen um Mitglieder derselben Neonazi-Gruppe handelt. Der deutsche Aufdruck ihrer Hemden lautet „Totenkopf – meine Ehre heißt Treue“, der Wahlspruch der SS. 

Berichten zufolge wurde bei der Demonstration 2013 auch ein Abgeordneter der rechtsextremen ukrainischen Swoboda-Partei gesehen. Diese erzielte ihr bestes Wahlergebnis (etwa 10 Prozent) bei den nationalen Wahlen in der Ukraine 2012. 2014 kam sie nur noch auf 4,7 Prozent der Stimmen. Auch bei der letzten Wahl 2019 scheiterte sie trotz eines Bündnisses mit anderen rechten Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde. 

Hintergründe zu den Vorwürfen über Rechtsextremismus in der Ukraine und den historischen Kontext haben wir hier ausführlich recherchiert.

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Viktor Marinov, Steffen Kutzner

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