Faktencheck

Doch, CO2 hat einen Einfluss auf den Klimawandel

Im Bundestag behauptete ein Sachverständiger bei einer Anhörung, CO2 habe keinen Einfluss auf das Klima. Seine Aussage wird bei Twitter weiterverbreitet, doch sie widerspricht dem wissenschaftlichen Konsens. Ein Faktencheck.

von Matthias Bau

CO2-Klima-Begrünung-Grünung-Klimawandel
In einigen Teilen der Welt führt die Konzentration von CO2 zwar zu mehr Pflanzenwachstum, wie Peter Vögele bei einer Anhörung im Bundestag sagte. Das heißt aber nicht, dass der Klimawandel keine Gefahr darstellt. (Symbolbild: Picture Alliance / DPA / Hendrik Schmidt)
Behauptung
Bei einer Anhörung im deutschen Bundestag habe ein Sachverständiger gesagt, CO2 habe keinen Einfluss auf das Klima.
Bewertung
Fehlender Kontext
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Fehlender Kontext. Peter Vögele ist Physiker, veröffentlicht jedoch selbst keine Forschung zum Klimawandel, und er ist AfD-Politiker. Er wurde in die Anhörung von der AfD-Bundestagsfraktion berufen. Seine Behauptung widerspricht dem wissenschaftlichen Konsens: Zahlreiche Forschungsergebnisse zeigen, dass CO2 den Klimawandel vorantreibt.

„In der Tagesschau verpasst? Sachverständigen-Anhörung vor wenigen Tagen im deutschen Bundestag: CO2 hat keinen Einfluss auf das Klima“, so lautet ein Tweet vom 16. Oktober, der bisher mehr als 1.800 Mal geteilt wurde. Der Tweet verbreitet ein Video, in dem ein Mann namens Peter Vögele bei einer Anhörung im Bundestag behauptete, CO2 habe keinen Einfluss auf das Klima und daher hätten auch die CO2-Emissionen der Industrieländer dies ebenfalls nicht. Aufgegriffen wurde das Video auch von den für Desinformation bekannten Webseiten Deutschland-Kurier und Gloria-TV

Bei der Anhörung am 12. Oktober ging es eigentlich um die Frage, wie arme Länder bei Klima­schäden unterstützt werden können. Vögele trat dort als Sachverständiger für die AfD auf, wie ein Fraktionssprecher der Partei auf Anfrage des „Faktenfinders“ der Tagesschau mitteilte. Vögele ist Physiker und Sprecher des AfD-Ortsverbands Böblingen / Sindelfingen. Er ist also selbst AfD-Politiker.

In solche Anhörungen können Parteien berufen, wen sie wollen. Ob eine Person wirklich Experte für ein bestimmtes Gebiet ist, werde nicht geprüft, sagte Kai-Uwe Schnapp, Politikwissenschaftler an der Universität Hamburg, dem „Faktenfinder“. Vögele hat offenbar bisher keine eigene Forschung zu CO2 oder dem Klimawandel veröffentlicht. Wir konnten beispielsweise über Google Scholar keine Veröffentlichungen von ihm finden. Auch auf Nachfrage des „Faktenfinder“ benannte Vögele keine entsprechenden Studien, sondern verwies auf das für Klima-Desinformation bekannte „Europäische Institut für Klima und Energie“ (EIKE), über das CORRECTIV schon im Jahr 2020 in einer ausführlichen Recherche berichtete.

Anhörung im Deutschen Bundestag: Rechts sitzt der Physiker und AfD-Politiker Peter Vögele
Anhörung im Deutschen Bundestag: Rechts sitzt der Physiker und AfD-Politiker Peter Vögele (Quelle: Twitter; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Peter Vögele vertritt in der Anhörung eine Position, die der Forschung zum Klimawandel widerspricht 

Ein vollständiges Video der Anhörung ist auf dem Youtube-Kanal des Deutschen Bundestages zu finden. Vögeles Aussage, die in dem Ausschnitt auf Twitter zu sehen ist, beginnt ab Minute 8:50, ab Minute 42:34 führt er seine ursprüngliche Behauptung weiter aus. 

So behauptet er, CO2 habe keinen Einfluss auf das Klima, weil es sich dabei lediglich um ein Spurengas in der Atmosphäre, also der gasförmigen Hülle der Erde handele. Es mache lediglich 0,04 Prozent der Atmosphäre aus, 99 Prozent seien hingegen Stickstoff- und Sauerstoffmoleküle. Damit führt Vögele ein unter Klimawandelleugnern beliebtes Argument an, das wir bereits im Juni 2021 geprüft haben. 

Das Argument führt in die Irre: Nur weil CO2 einen geringen prozentualen Anteil an der Atmosphäre hat, bedeutet das nicht, dass ein Anstieg keinen Effekt haben kann. Fachleute der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina erklärte in einer Faktensammlung von Mai 2021 (PDF-Download), weshalb der geringe Anteil CO2 große Auswirkungen auf das Klima hat.  

Treibhausgase wie CO2 speichern Wärme und tragen so zum Klimawandel bei – trotz ihrer geringen Menge

Treffen Sonnenstrahlen auf die Oberfläche der Erde, werden demnach ein Drittel der Strahlen reflektiert, zwei Drittel werden von der Erde „aufgenommen“ und als Wärme wieder abgestrahlt. Dass die abgestrahlte Wärme nicht einfach ins Weltall entweicht, liegt daran, dass die Erde eine Atmosphäre hat. 

Erreichen Sonnenstrahlen die Erde, werden sie zum Teil reflektiert und zum Teil absorbiert und als Wärme wieder abgestrahlt. Treibhausgase speichern die reflektierte Wärme.
Erreichen Sonnenstrahlen die Erde, werden sie zum Teil reflektiert und zum Teil absorbiert und als Wärme wieder abgestrahlt. Treibhausgase speichern die reflektierte Wärme. (Quelle: Leopoldina Factsheet 2021: Klimawandel: Ursachen, Folgen und Handlungsmöglichkeiten)

Wasserdampf, Kohlenstoffdioxid (CO2) und Methan in der Atmosphäre sorgen dafür, dass von der reflektierten Strahlung der Sonne nicht alles verloren geht. Das nennt man den natürlichen Treibhauseffekt. „Ohne diesen natürlichen Treibhauseffekt“, schreiben die Forschenden der Leopoldina, „läge die globale Durchschnittstemperatur nicht bei rund 14 Grad Celsius, sondern bei −18 Grad Celsius.“ 

CO2-Konzentration in der Atmosphäre steigt seit Jahren

Treibhausgase wie CO2 oder Methan sind „infrarotaktive“ Gase, wie der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten schreibt, das heißt, sie können Wärme absorbieren. Das sei nur bei etwa 0,1 Prozent aller Gase in der Atmosphäre der Fall. 

Seit Jahren steigt jedoch die Konzentration von Treibhausgasen wie Methan oder CO2. Vor allem der CO2-Gehalt in der Atmosphäre sei so hoch wie noch nie in den letzten 800.000 Jahren, heißt es in dem Faktenblatt der Leopoldina. Zu diesem Ergebnis kam der Weltklimarat bereits in einem Bericht aus dem Jahr 2014. Durch diese Veränderung der Zusammensetzung der Atmosphäre komme es zur globalen Erwärmung.

Seit Jahren steigt der CO2-Gehalt in der Atmosphäre. Forschende führen das auf den CO2-Ausstoß durch Menschen zurück
Seit Jahren steigt der CO2-Gehalt in der Atmosphäre. Forschende führen das auf den CO2-Ausstoß durch Menschen zurück (Quelle: Leopoldina)

CO2 kann zwar das Pflanzenwachstum fördern, ist aber auch Haupttreiber des Klimawandels

Weiter behauptet Vögele (ab Minute 41:03), ein Spezialbericht des Weltklimarates IPCC aus dem Jahr 2018 belege, dass es durch die vermehrte CO2-Konzentration zu einer „Vergrünung“ der Erde gekommen sei. Auf welchen Bericht Vögele sich genau bezieht, wird durch seine Aussage nicht klar. 

Richtig ist: In einem Spezialbericht aus dem Jahr 2019 wies der Weltklimarat darauf hin, dass die „photosynthetische Aktivität der Vegetation (d. h. die Begrünung)“ weltweit zugenommen habe. Dies allein sei aber kein Hinweis darauf, in welchem Zustand sich das Ökosystem befinde. Weil die Daten von Satelliten stammten, sei zum Beispiel unklar, wie es um die Artenzusammensetzung bestellt sei. Möglich sei zum Beispiel, dass „eine regionale Begrünung, die auf die Ausweitung oder Intensivierung von Anbauflächen zurückzuführen ist, auf Kosten der biologischen Vielfalt des Ökosystems“ gehe. 

Auch das Argument, dass CO2 das Pflanzenwachstum fördere, ist beliebt unter Klimawandelleugnern. Im September berichteten wir über eine ähnliche Behauptung des AfD-Abgeordneten Martin Sichert. Er sagte, die Erde sei in den letzten 30 Jahren grüner geworden und führte als Beleg eine Studie aus dem Jahr 2016 an. 

Die Studie beschreibt tatsächlich einen positiven Effekt des gestiegenen CO2-Gehaltes in der Atmosphäre auf Pflanzenwachstum. Doch das bedeutet nicht, dass es keine negativen Effekte haben kann. Auf Nachfrage teilten uns die Autorinnen und Autoren der Studie mit, der globale, durch CO2 verursachte Klimawandel führe zu einem Anstieg der Temperaturen und zu mehr Extremwetterereignissen. Damit würden die negativen Folgen der erhöhten CO2-Konzentration überwiegen – auch in Bezug auf die Vegetation. 

Die Zunahme der Vegetation ist zudem nicht nur auf das natürliche Wachstum von Wäldern zurückzuführen. Klimawissenschaftler und Mitautor der Studie, Benjamin Stocker von der Universität Bern, erklärte uns: „In hohen Breiten ist es zum Beispiel der Temperaturtrend, der ein Greening verursacht. In China und Indien ist das beobachtete Greening stark durch intensivierte Landwirtschaft verursacht. Auch Aufforstungen scheinen in China einen Einfluss zu haben.“

Studien-Autor Sönke Zaehle, Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie, schrieb uns zudem: Die Frage, ob mehr CO2 zu mehr Pflanzenwachstum führe, sei unabhängig von der Tatsache zu betrachten, dass CO2 ein Treibhausgas sei und seine Konzentration in der Atmosphäre zur globalen Erwärmung führe. 

Redigatur: Sarah Thust, Alice Echtermann

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Sachverständigen-Anhörung im Bundestag „Wie arme Länder bei Klima­schäden unterstützt werden können“, vom 13. Oktober 2022: Link (Youtube-Video)
  • Faktensammlung der Leopoldina, Nationale Akademie für Wissenschaften, „Klimawandel: Ursachen, Folgen und Handlungsmöglichkeiten“: Link
  • Spezialbericht des Weltklimarates aus dem Jahr 2019, „On Climate and Change and Land“: Link