Faktencheck

Nein, die Produktion des Ford-Werks Saarlouis wird nicht nach Spanien verlagert

Gefälschte Facebook-Seiten behaupten, große Firmen würden Deutschland wegen der Energiekrise verlassen. Betroffen ist auch der Autohersteller Ford – die Desinformation baut geschickt auf tatsächlichen Medienberichten über das Werk in Saarlouis auf. 

von Alice Echtermann

Demo bei Ford in Saarlouis
Im Sommer demonstrieren Beschäftigte von Ford in Saarlouis gegen die Entscheidung, die neuen Elektroautos in Spanien zu produzieren. Die Zukunft des Standorts sei ungewiss, heißt es. (Foto: BeckerBredel / Picture Alliance)
Behauptung
Ford wolle sein Werk „im Saar“ schließen und die Produktion nach Spanien verlagern. Alle Mitarbeitenden würden entlassen werden.
Bewertung
Unbelegt. Der Standort Saarlouis im Saarland produziert das Modell Ford Focus noch bis 2025. Es gibt keine Belege für Pläne für eine komplette Schließung. Die Produktion wird auch nicht nach Spanien verlegt. Richtig ist, dass am spanischen Standort Valencia in Zukunft neue E-Auto-Modelle gebaut werden sollen. 

„Berichten zufolge will Ford sein Werk im Saar schließen und die Produktion nach Spanien verlagern. Wir werden alle entlassen werden!“, behauptet eine Facebook-Seite des angeblichen Ford-Mitarbeiters „Curt Messner“ am 2. Dezember. Viele deutsche Firmen würden jetzt schließen und in die USA und nach China umziehen, um billige Energie zu bekommen, heißt es weiter. Offensichtlich soll der Beitrag Stimmung im Kontext des Ukraine-Kriegs machen. Dieser führte zu einem Anstieg der Energiepreise, weil Deutschland kein Gas mehr als Russland bekommt. Die deutsche Regierung stelle die Interessen der Ukraine über die der eigenen Bürgerinnen und Bürger, wettert „Curt Messner“.

Es handelt sich bei der Facebook-Seite jedoch um eine Fälschung, und für die Behauptungen über Ford gibt es keine Belege. Der Beitrag wurde als Werbeanzeige verbreitet. Er ist Teil einer gesteuerten Kampagne, die das Narrativ einer Deindustrialisierung Deutschlands wegen der Energiekrise verbreitet.

ein Facebook-Beitrag über Ford
Dieser Facebook-Beitrag wurde auch als Werbeanzeige Menschen im Saarland und in Lothringen angezeigt (Quelle: Facebook / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Desinformation verdreht tatsächliche Vorgänge rund um das Ford-Werk in Saarlouis 

Mit dem Ford-Werk „im Saar“ kann nur der Standort Saarlouis im Saarland gemeint sein. Pressesprecherin Ute Mundolf schrieb uns per E-Mail, die Darstellung im Facebook-Beitrag sei nicht korrekt: „Korrekt ist, dass wir den Ford Focus in Saarlouis noch bis 2025 bauen werden. Es wird jedoch kein Nachfolgemodell nach 2025 geben.“

Zu der angeblichen Verlagerung der Produktion nach Spanien schrieb uns Mundolf: Der Ford-Standort in Valencia sei für die Produktion eines potentiellen weiteren Elektrofahrzeugs in Europa in Erwägung gezogen worden. 

Die Desinformation hat also einen wahren Hintergrund, auf dem geschickt aufgebaut wurde: Wie das Handelsblatt und die FAZ im Juni berichteten, hatte der Standort Saarlouis bei der Frage, wo die Elektroautos künftig produziert werden sollen, im firmeninternen Wettbewerb gegen Valencia verloren. In einer Pressemitteilung des Konzerns von Juni dazu steht, dass Ford zukünftige Optionen für den Standort Saarlouis prüfe und sein „Bekenntnis zum Standort Deutschland“ bekräftige. Was das für die Zeit nach 2025 bedeutet, ist jedoch unklar. 

Gegen die Entscheidung, die E-Auto-Modelle in Valencia zu produzieren, demonstrierten im Juni laut Medienberichten in Saarlouis zahlreiche Mitarbeitende von Ford. Sie bemängeln, der Auswahlprozess sei nicht fair gewesen, auf Plakaten der Demonstrierenden ist von „Betrug“ und „Wortbruch“ die Rede. Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger sehe aber dennoch eine Zukunft für den Standort, heißt es.

Behauptung stammt von einer Fake-Seite

Der Facebook-Beitrag über Ford ist nach unseren Recherchen Teil einer Kampagne, bei der über mehrere große Unternehmen behauptet wird, sie würden Deutschland wegen der Energiekrise verlassen. Betroffen waren zum Beispiel auch Volkswagen oder BASF. Mehr dazu lesen Sie hier

Die falschen Behauptungen wurden über Fake-Profile auf Facebook abgesetzt. Die Fälschungen sind etwa daran zu erkennen, dass die biografischen Angaben in den Profilen widersprüchlich sind. Bei einigen Profilen fanden wir Bezüge zu Russland oder der Ukraine.

Das ist bei „Curt Messner” nicht der Fall, in seinen Kontaktinformationen steht nur eine Adresse im Saarland und die Homepage von Ford. Doch es gibt viele Parallelen zwischen dieser Seite und den anderen. So ist der Wortlaut der Beiträge nahezu identisch, es heißt etwa: „Warum werden die Interessen der Ukraine über die Interessen der deutschen Bürger gestellt?“ Häufig behaupten die erfundenen Personen auch, bei dem jeweiligen Unternehmen zu arbeiten, in zwei Fällen dementierten die Firmen das uns gegenüber.

Alle Facebook-Seiten haben außer den jeweiligen Beiträgen über die Unternehmen nichts veröffentlicht. Die Seite „Curt Messner“ wurde erst am 2. Dezember 2022 erstellt und damit an dem Tag, an dem sie die unbelegte Behauptung über Ford verbreitete. Abgesehen davon wurden auf der Seite lediglich innerhalb von wenigen Minuten verschiedene Profilbilder von Autos und einem unbekannten Mann hochgeladen.

Gezielte Verbreitung im Saarland und in Lothringen

Einige Beiträge der Kampagne wurden gegen Geld als Werbeanzeigen auf Facebook und Instagram verbreitet und gezielt einem bestimmten Publikum angezeigt. Im Fall des Beitrags über Ford waren das vor allem Personen im Saarland und einige in Lorraine, also Lothringen. Am meisten gesehen wurde er von Männern zwischen 55 und 64 Jahren, wie das Werbearchiv von Facebook zeigt. 

Facebooks Werbearchiv gibt Aufschluss über die Zielgruppe der Anzeige (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Insgesamt wurde die Anzeige 2.000 bis 3.000 Mal angesehen. Nach zwei Tagen wurde sie aber durch die Plattform entfernt, weil sie gegen die Werberichtlinien von Facebook verstoßen haben soll.

Redigatur: Gabriele Scherndl, Matthias Bau

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