Faktencheck

Nein, Brustkrebs ist keine „typische Nebenwirkung“ der Covid-19-Impfung

Beiträgen in Sozialen Netzwerken zufolge verursache die Covid-19-Impfung Brustkrebs. Das stimmt nicht. Die Daten, die das belegen sollen, beziehen sich auf geschwollene Lymphknoten – eine vorübergehende Reaktion nach einer Impfung, die keinen Zusammenhang mit Brustkrebs hat.

von Paulina Thom

Mammographie
Mit einer Mammographie kann Brustkrebs identifiziert werden. Im Netz wird behauptet, das Verfahren habe bei 11 beziehungsweise 16 Prozent der gegen Covid-19 geimpften Frauen Brustkrebs entdeckt. Doch das stimmt nicht. (Quelle: Michael Hanschke / Picture Alliance / DPA)
Behauptung
Eine „Auswertung tausender Mammographien“ habe ergeben, dass sich bei 11 Prozent der einmal und bei 16 Prozent der zweimal gegen Covid-19 geimpften Frauen Brustkrebs als „typische Nebenwirkung“ zeige.
Bewertung
Falsch. Die Beiträge geben Daten des Impfstoffherstellers Moderna falsch wieder: Nach der Covid-19-Impfung mit Moderna kam es bei einigen Personen vorübergehend zu geschwollenen Lymphknoten. Laut Fachleuten ist das eine bekannte Reaktion, die nichts mit Brustkrebs zu tun hat. Es gibt keine Hinweise dafür, dass die Corona-Impfung Brustkrebs auslöst. Die Bilder von Mammographien haben keinen Bezug zur Covid-19-Impfung.

Mit einem Foto mehrerer Röntgenaufnahmen wird in Sozialen Netzwerken vor einer angeblich „typischen Nebenwirkung“ der Covid-19-Impfstoffe gewarnt: Die „Auswertung tausender Mammographien“ habe gezeigt, dass 11 Prozent der einfach und 16 Prozent der zweifach gegen Corona geimpften Frauen Brustkrebs hätten, heißt es. Die Behauptung kursierte bereits im Februar 2021 und wird seitdem immer wieder verbreitet.

Wie wir bereits in 2021 berichteten, sind die geteilten Röntgenbilder mehrere Jahre alt und zeigen keinen Brustkrebs. Die Prozentangaben aus der Behauptung stammen ursprünglich vom Impfstoffhersteller Moderna und beziehen sich auf Personen, bei denen nach einer Impfung geschwollene Lymphknoten auftraten – laut Fachleuten eine unbedenkliche und vorübergehende Reaktion des Immunsystems auf eine Impfung.

Wir haben für diesen Faktencheck zudem den aktuellen Stand der Forschung recherchiert: Es gibt weiterhin keinerlei Hinweise darauf, dass Brustkrebs eine Nebenwirkung der Corona-Impfung ist. 

Screenshot eines Telegram-Beitrages mit der Behauptung
Mit vier Röntgenaufnahmen wird in Sozialen Netzwerken die Behauptung verbreitet, die Covid-19-Impfung könne bei Frauen zu Brustkrebs führen. Die Röntgenbilder sind von 2016, sie haben keinen Bezug zur Covid-19-Impfung und Brustkrebs. (Quelle: Telegram; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Richtlinien für Mammographien werden falsch interpretiert 

Die geteilten Röntgenaufnahmen haben keinen Bezug zu Corona-Impfungen: Wir fanden sie in einem Artikel eines Gesundheitsmagazins aus den USA von 2016. Sie zeigen zwar Röntgenaufnahmen einer Brust, jedoch keinen Brustkrebs. 

Die Beiträge in Sozialen Netzwerken verlinken auf einen Blog-Beitrag von Mai 2021. Darin heißt es, Ärzte in Utah, USA, hätten bei Mammographien – also Röntgenuntersuchungen, die zur Früherkennung von Brustkrebs durchgeführt werden – nach der Corona-Impfung bei Frauen „Symptome von Brustkrebs“ entdeckt. Der Text ist zum Großteil eine Übersetzung eines englischsprachigen Blog-Beitrages von März 2021, der als Quelle einen Artikel des US-Fernsehsenders Fox 13 vom Monat zuvor zitiert. Dessen Inhalt wird jedoch falsch wiedergegeben. 

Laut Bericht hätten Ärzte eines regionalen Gesundheitszentrums (Intermountain Healthcare Breast Care Center) die Richtlinien für Mammographien angepasst. Grund dafür sei laut dem medizinischen Leiter des Zentrums, Brett Parkinson, dass die Corona-Impfung geschwollene Lymphknoten auslösen könne. Wie Parkinson in einer Pressemitteilung erklärte, sei dies nicht ungewöhnlich, Schwellungen seien eine Reaktion des Immunsystems und könnten auch nach anderen Impfungen vorkommen. Die Schwellung erscheine normalerweise in der Achselhöhle auf der Seite, wo die Impfung erhalten wurde, und klinge nach zwei bis vier Wochen wieder ab. 

Geschwollene Lymphknoten kommen allerdings auch bei Brustkrebs vor. Um Fehldiagnosen zu vermeiden, empfahl das Krebszentrum deswegen, eine Mammographie entweder vor oder frühestens vier Wochen nach einer Corona-Impfung zu machen. Auch die US-amerikanische Gesellschaft für Mammographie (SBI) empfahl im März 2021 einen solchen Zeitplan. Dass Brustkrebs eine „typische Nebenwirkung“ der Corona-Impfung sei, steht weder in dem Artikel von Fox 13 noch in der Pressemitteilung des Krebszentrums. Im Gegenteil, man wolle Patientinnen mit diesen Richtlinien „unnötigen Stress und Ängste mit Folgeuntersuchungen“ ersparen, wenn diese nicht nötig seien, sagte Parkinson. 

Prozentangaben beziehen sich nicht auf Brustkrebs, sondern auf vorübergehend geschwollene Lymphknoten nach der Corona-Impfung

Parkinson bezieht sich in seiner Pressemitteilung auf Zahlen der US-Gesundheitsbehörde, dem Center for Disease Control and Prevention (CDC), wonach bei mehr als 11 Prozent der gegen Covid-19 Geimpften nach der ersten Dosis und bei 16 Prozent nach der zweiten Dosis geschwollene Lymphknoten auftreten würden. Diese Zahlen werden in den Beiträgen falsch weiterverbreitet.

Die Daten finden sich in einer Tabelle (archiviert) auf der Webseite der CDC. Sie stellt Reaktionen bei Geimpften nach Erhalt des Impfstoffes von Moderna bei Personen zwischen 18 und 64 Jahren rund um die Einstichstelle dar. Die Angaben stammen ursprünglich aus der Phase-3-Studie von Moderna, deren Ergebnisse im Februar 2021 veröffentlicht wurden. Anders als in den Beiträgen behauptet, beziehen sich die Prozentangaben nicht ausschließlich auf Frauen. In der Tabelle heißt es, es handle sich um eine „erwünschte” Reaktion. 

Screenshot der Daten, die auf der Seite der CDC in einer Tabelle veröffentlicht sind
Laut dieser Tabelle des CDC kam es bei dem Impfstoff von Moderna bei manchen Personen zu geschwollenen Lymphknoten. Unter der Tabelle steht ergänzend, dass es sich dabei um eine „erwünschte lokale Reaktion“ handelt. (Quelle: CDC; Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Die Richtlinien für Mammographien wurden im Februar 2022 von der US-Gesellschaft für Mammographie überarbeitet: Neuere Studien hätten ergeben, dass die Schwellung nach der Impfung auch länger (bis zu 43 Wochen) anhalten könne. Um Verzögerungen bei der Brustkrebsvorsorge zu vermeiden, sollten Frauen ihre Mammographie deshalb nicht mehr verschieben.

Eine allgemeine Empfehlung, Mammographien zu verschieben, hat es in Deutschland nicht gegeben. Laut dem Krebsinformationsdienst und dem Referenzzentrums Mammographie am Universitätsklinikum Münster sollten Patientinnen ihre Ärztin oder ihren Arzt jedoch über eine kürzliche Impfung informieren, um Fehldiagnosen zu vermeiden.

Forschungsstand ist weiterhin: Lymphknotenschwellung nach der Impfung ist kein Brustkrebs

Wir haben beim Krebsinformationsdienst nachgefragt, ob es neuere Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Corona-Impfung und Brustkrebs gibt. Die Leiterin Susanne Weg-Remers verneinte dies. Auch allen neueren Untersuchungen zufolge könne es nach einer Covid-19-Impfung zu Lymphknotenschwellungen in der Achselhöhle kommen. Diese bildeten sich jedoch im weiteren Verlauf wieder zurück und seien daher „nicht mit Lymphknotenschwellungen durch eine Brustkrebserkrankung zu verwechseln“, so Weg-Remers. 

Kathrin Stewen, Oberärztin am Brustzentrum der Universitätsmedizin Mainz, hat für uns gezielt nach Forschungen zum Thema Brustkrebs nach einer Corona-Impfung gesucht. Die allermeisten Artikel, so schrieb sie uns, würden sich mit der „reversiblen und unbedenklichen Lymphknotenschwellung im Achselbereich“ befassen. „Anhalt für eine erhöhte Inzidenz von Brustkrebs nach einer Covid 19 Impfung gibt es weiterhin nicht“, so Stewen.

Auch im Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts – in dem unerwünschte Ereignisse nach Covid-19-Impfungen in Deutschland dokumentiert werden – werden Brustkrebs sowie Krebs allgemein nicht genannt.

Redigatur: Gabriele Scherndl, Sophie Timmermann

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Pressemitteilung von „Intermountain Healthcare“ zu den neuen Mammographie-Richtlinien, 9. Februar 2021: Link (Englisch, archiviert)
  • Empfehlungen der Gesellschaft für Mammographie (SBI), 9. März 2021: Link (Englisch, archiviert)
  • Aktuelle Empfehlungen der Gesellschaft für Mammographie (SBI), Februar 2022: Link (Englisch, archiviert)
  • Mitteilung des Krebsinformationsdienstes zum Thema „Corona-Impfung kann Brustkrebs-Untersuchungen beeinflussen“, 15. April 2021: Link (archiviert)
  • Mitteilung des Referenzzentrums Mammographie am Universitätsklinikum Münster: Link (archiviert)
  • Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts: Link (Pdf)
  • Phase-3-Studie von Moderna: Link (archiviert)