Faktencheck

ZDF sendete zwei Videos mit falschen Ortsangaben – und entschuldigte sich kurz darauf

Irak, Syrien, Afghanistan – wo sind diese Gewaltvideos entstanden? Glaubt man einem Video im Netz, beweisen die Bilder angeblich, dass „uns“ ARD und ZDF belügen. Die Videos sind aber mehr als zehn Jahre alt, der Sender korrigierte die Fehler jeweils wenige Tage nach Ausstrahlung.

von Viktor Marinov

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In einem viralen Video kursieren zwei ältere ZDF-Videos, bei denen der Sender Fehler bei der Ortsangabe gemacht hat (Symbolfoto: Picture Alliance / Fotostand / Fritsch)
Behauptung
Ein Video zeige zwei Ausschnitte aus ZDF-Sendungen, in denen eine Explosion in Syrien mit der falschen Ortsangabe Afghanistan und ein Folter-Video aus dem Irak mit der falschen Ortsangabe Syrien gesendet worden sei. Dies sei ein Beispiel dafür, dass „alles“, was wir im Fernsehen sehen, gelogen sei.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Das ZDF hat die beiden Ausschnitte aus den Jahren 2011 und 2012 mit falschen Ortsangaben gesendet und korrigierte sie wenige Tage danach. Der Sender hat beide Fehler öffentlich eingestanden und sich dafür entschuldigt.

Triggerwarnung: In diesem Beitrag wird Material verlinkt, das Gewalt zeigt.

„Alles was wir sehen im Fernsehen, ist gelogen“, sagt ein Mann in einem Video auf Facebook. Er raunt gegen Rundfunkgebühren, die EU und das Fernsehen in Deutschland. Mit roter Schrift auf schwarzem Hintergrund wird darin der Text eingeblendet: „So belügt uns ARD und das ZDF“. Ein Facebook-Beitrag mit diesem Video erhielt mehr als 11.000 „Gefällt mir“-Angaben, es kursiert auch auf Youtube.

Beleg für die Behauptung sollen zwei kurze Ausschnitte von Nachrichtenbeiträgen des ZDF sein. Im ersten Fall geht es um Aufnahmen einer Explosion: Bei der Tagesschau hieß es, sie stammten aus Syrien, das ZDF sendete dieselben Aufnahmen mit der Ortsangabe Afghanistan. Im zweiten Fall geht es um ein Foltervideo, zu dem es beim ZDF laut dem Video hieß, es zeige Szenen aus Syrien – eigentlich zeigten sie aber den Irak, heißt es in den Beiträgen in Sozialen Netzwerken. 

Unsere Recherche zeigt: Die Beispiele sind authentisch und die Behauptungen stimmen. In beiden Fällen hat das ZDF tatsächlich die falschen Orte angegeben – und zwar in den Jahren 2011 und 2012. Beide Berichte wurden jedoch innerhalb von wenigen Tagen öffentlich korrigiert.

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Ein Video mit Ausschnitten von Sendungen der ARD und des ZDF kursiert online. Die darin bemängelten Fehler sind echt – das ZDF hat sie aber kurz nach dem Vorfall öffentlich eingeräumt (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Das Video stammt von einem Verein, der sich zu einer christlichen Glaubensgemeinschaft bekennt

Zunächst haben wir nach der Quelle des Videos gesucht. Ab Minute 0:44 werden in dem auf Facebook kursierenden Ausschnitt das Jahr 2015 und der Name eines Vereins eingeblendet: „Amazing Discoveries e.V.“ Auf Youtube fanden wir mit den Stichworten „Medien“, „belügen“ und dem Namen des Vereins das Originalvideo, das rund 80 Minuten lang ist. Der aktuell kursierende Ausschnitt fängt bei Minute 6:20 an. 

Der Titel des Videos lautet: „Mindcontrol [Gehirnkontrolle, Anm. der Red.] – und sie sind doch in unseren Köpfen“. Es wurde 2016 auf dem Youtube-Kanal von „Amazing Discoveries“ veröffentlicht und von Youtube mit dem Warnhinweis versehen, dass es „für jüngere oder sensible Zuschauer nicht geeignet“ sei. 

Der Begriff Gedankenkontrolle spielt auch eine Rolle in dem Clip, der in Sozialen Netzwerken kursiert. Über dem Video ist auf weißem Grund mit schwarzer Schrift der Text eingeblendet: „Öffentliche Medien sind MK-Ultra.“ MK-Ultra ist der Name eines geheimen Programms zur Gedankenkontrolle des US-Geheimdienstes CIA aus den 1950er-Jahren. 

„Amazing Discoveries“ ist nach eigenen Angaben ein gemeinnütziger Verein mit Büros in Deutschland und der Schweiz. Der Verein gehört laut eigener Angabe zur protestantischen Freikirche der Siebenten-Tag-Adventisten, die in Deutschland rund 34.000 Mitgliederinnen und Mitglieder hat. 

Erster Ausschnitt: ZDF zeigte Aufnahmen aus Homs fälschlicherweise im Kontext von Kabul

Die erste Szene des aktuell verbreiteten Videos zeigt drei Sekunden lang Explosionen in einer Wohngegend, es sind schwarzer Rauch und Flammen zu sehen. Rechts oben ist das Logo der Tagesschau zu erkennen, unten links steht als Ortsangabe Syrien. „Drei Menschen sollen getötet worden sein“, sagt ein Nachrichtensprecher. Der Mann, der die Sendung von „Amazing Discoveries“ moderiert, kommentiert danach: „Selber Tag, ZDF Heute Journal: Plötzlich geht es um Kabul und Taliban“. Dann zeigt er einen weiteren Clip, in dem oben links das ZDF-Logo zu sehen ist. Dieser zeigt dieselbe Explosion, allerdings hört man im Beitrag diesmal den Satz: „Die Botschaft der Taliban ist klar: Wir sind noch da“ – die Bilder werden hier also im Kontext von Afghanistan gezeigt. Beide Beiträge wurden am 15. April 2012 gesendet. Seit mehr als einem Jahr dauerte der Bürgerkrieg in Syrien damals an, in Afghanistan griffen die Taliban mehrere Städte an.

Eine Google-Suche mit den Stichworten „Explosion“, „Syrien“, „Homs“ und „Kabul“ führt zu einem Artikel der Medienkritik-Seite Bildblog vom 17. April 2012. Der Bildblog dokumentiert darin den Fehler des ZDF. Die Redaktion des „Heute Journal“ hat demnach den Beitrag in der Mediathek nach einer Reihe von Zuschauerhinweisen entfernt.

Auch ein Statement des Senders ist im Bildblog zu finden: „Diese 7 Sekunden lange Einstellung zeigte Aufnahmen aus dem syrischen Homs. Ursache der bedauerlichen Verwechslung war eine falsche Zuordnung der Bilder in unserer Bildschnittdatenbank. Leider ist uns das durchgegangen, obwohl in unseren Sendungen für praktisch jedes Wort und Bild ein Sechsaugen-Prinzip gilt“, so der zuständige ZDF-Redakteur damals gegenüber dem Bildblog.

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Am 15. April 2012 haben die Tagesschau und das ZDF Heute Journal ein Video mit unterschiedlichen Ortsangaben gesendet. Die Szene zeigt Syrien und nicht Afghanistan, wie das ZDF zunächst fälschlicherweise berichtete. (Quelle: Bildblog; Screenshots und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Auch uns gegenüber bestätigte das ZDF den Fehler. Ein Sprecher schrieb uns, dass wenige Sekunden in einem knapp zweiminütigen Beitrag über die Taliban-Offensive in Afghanistan vom 15. April 2012 falsch zugeordnet worden seien. Der Sender habe seit 2018 eine Korrekturen-Rubrik auf seiner Seite, in der Fehler dokumentiert werden.

Zweiter Ausschnitt: Video zeigt Szenen aus dem Irak, nicht aus Syrien

Das zweite Beispiel stammt ebenfalls vom ZDF, diesmal aus dem Morgenmagazin. Zu sehen ist am Anfang die Moderatorin Dunja Hayali, die einen Beitrag über die Proteste in Syrien anmoderiert. Daraufhin ist ein Video zu sehen, auf dem mehrere Männer in Uniform auf Menschen einprügeln. Dazu erklärt der damalige ZDF-Korrespondent Christian Sievers, es handle sich um ein Video aus Syrien, das Misshandlungen im Gefängnis zeige. Über eine Google-Suche mit den Stichworten „Christian Sievers“, „Video“ und „Syrien“ fanden wir das Datum der Sendung heraus: 17. Mai 2011. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Bürgerkrieg in Syrien bereits begonnen.

Die Sendung selbst ist in der ZDF-Mediathek nicht mehr abrufbar, Aber wir fanden einen längeren Ausschnitt des Beitrags auf Youtube. Dieser zeigt, dass „Amazing Discoveries“ Kontext ausgelassen hat: Korrespondent Sievers ordnete das Video im Anschluss noch wie folgt ein: „Wir können nicht unabhängig kontrollieren und überprüfen, wo genau diese Videos entstanden sind, wann genau sie entstanden sind.“ Syrien sei komplett abgeschottet, unabhängig berichtende Journalisten gebe es in dem Land nicht mehr. 

Richtig ist: Dieselbe Szene findet sich seit mindestens 2007 im Netz, ältere Videos ordnen es dem Irak zu. Sucht man bei Google nach „Christian Sievers“, „Video“ und „Syrien“ findet man einen Blogbeitrag, in dem das Video eines arabischen Senders zu sehen ist. Das Video wurde 2007 hochgeladen; es handelt sich laut dem Titel um eine Gewaltszene aus einem Gefängnis im Irak während des Regimes von Saddam Hussein. Ein Vergleich der Videos zeigt, dass es sich um dieselbe Szene handelt: Die Fassade des Gebäudes im Hintergrund, ein Baum und die Position der einzelnen Personen sind identisch.

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Das ZDF hat 2011 ein Video gezeigt, das angeblich aus Syrien stammen sollte (oben), doch dieselbe Szene findet sich in einem Bericht von 2007 über den Irak. Das ZDF hat den Fehler zugegeben und sich dafür entschuldigt. (Quelle: Youtube; Collage und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Das ZDF-Morgenmagazin entschuldigte sich für die falsche Ortsangabe am Tag nach dem Fehler

Ebenfalls auf Youtube zu finden: die Entschuldigung vom ZDF-Morgenmagazin am 18. Mai 2011, also einen Tag nach der Ausstrahlung. „An dieser Stelle haben wir Ihnen gestern Bilder gezeigt – vermeintliche Folterbilder aus Syrien, die man uns hat zukommen lassen. Wir hatten eingeräumt, dass wir die Quelle nicht kennen, dass wir nicht einordnen können, woher die Bilder stammen und wann sie gemacht wurden“, sagt Dunja Hayali. Die Bilder stammten wahrscheinlich aus dem Irak. 

Zu der Korrektur äußerte sich auch Korrespondent Christian Sievers in der ZDF-Sendung. Er sagte: „Man muss ganz klar sagen, dass alle Bilder, die wir in den letzten Wochen aus Syrien gesehen haben, aus zweiter und dritter Hand stammen. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als immer wieder darauf hinzuweisen, dass wir selbst gar nicht klären können, wo diese Bilder gemacht wurden, wann diese Bilder gemacht wurden – es ist ganz wichtig, dass wir unsere eigene Unsicherheit, unsere eigene Unklarheit bei diesen Bildern transparent machen.“

Fazit: Beide Fehler sind dem ZDF tatsächlich passiert, der Sender hat falsche Ortsangaben zu gezeigten Aufnahmen gemacht. Der aktuell auf Facebook kursierende Beitrag lässt doch wesentlichen Kontext aus: Die Fehler liegen inzwischen mehr als zehn Jahre zurück. Das ZDF hat beide Fehler wenige Tage nach der Ausstrahlung transparent zugegeben.

Redigatur: Sarah Thust, Uschi Jonas

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • „Wie eine Explosion der anderen“, Bildblog, 17. April 2022: Link
  • Tagesschau, 15. April 2011: Link