Faktencheck

Nein, in Großbritannien müssen männliche Geflüchtete aus der Ukraine nicht gemeldet werden

Fordert eine britische Behörde Gastgeberinnen und Gastgeber ukrainischer Geflüchteter dazu auf, die Männer unter ihnen zu melden? Das soll ein angeblich offizielles Schreiben belegen. Doch es handelt sich um eine Fälschung, wie die Behörde auf Twitter mitteilte.

von Matthias Bau

Ukraine Männer Großtbritannien
Ukrainische Soldaten bei einem Besuch des Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Cherson (Symbolbild: Picture Alliance / Sven Simon / Presidential Office of Ukraine)
Behauptung
Die Regierungsbehörde für Wohnungswesen in Großbritannien habe auf Anfrage der ukrainischen Botschaft einen Brief versandt, in dem danach gefragt werde, ob die Empfänger volljährige männliche Geflüchtete aus der Ukraine beherbergen. Falls ja, sollen sie diese auffordern, sich bei der ukrainischen Botschaft zu melden.
Bewertung
Manipuliert. Die britische Regierungsbehörde für Wohnungswesen dementiert die Echtheit des Briefes. Auf eine Fälschung deuten auch Rechtschreib- und Grammatikfehler hin.

„So läuft Mobilisierung im Ausland“, heißt es auf Telegram und Twitter zu einem angeblichen Schreiben der britischen Regierungsbehörde für Wohnungswesen. Darin fordert die Behörde Gastgeberinnen und Gastgeber von ukrainischen Geflüchteten auf, Daten über sie weiterzugeben: Handelt es sich um Männer, die 18 Jahre oder älter sind? Wie heißt die Person und wo befindet sie sich? Personen, die ukrainische Geflüchtete beherbergen, sollten, so heißt es weiter, die Geflüchteten dazu auffordern, die Botschaft der Ukraine aufzusuchen.

In einem Tweet vom 6. Februar dementierte die Behörde, solche Briefe verschickt zu haben: „Wir wissen, dass in Sozialen Medien betrügerische Briefe im Zusammenhang mit dem Programm ‚Unterkünfte für die Ukraine‘ kursieren. Diese stammen nicht von unserer Behörde.“ Auf eine Fälschung deuten zudem Rechtschreib- und Grammatikfehler in dem Brief hin. 

In Sozialen Netzwerken kursiert dieser gefälschte Brief der britischen Wohnungsbehörde
In Sozialen Netzwerken kursiert dieser gefälschte Brief der britischen Wohnungsbehörde (Quelle: Twitter; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Männer zwischen 18 und 60 Jahren dürfen Ukraine nicht verlassen

Das gefälschte Schreiben bedient das Narrativ, die Ukraine versuche mit allen Mitteln, Männer für den Krieg einzuziehen – und das auch im Ausland. Grundlage für die Mobilisierung von Soldaten in der Ukraine ist das Gesetz „Über Militärdienst und Wehrdienst“ von 1992. 

Daraus geht hervor, dass Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren das Land aufgrund des Krieges gegen Russland nicht verlassen dürfen. Das schreibt auch die britische Regierung in einem Informationstext auf ihrer Webseite. Männer in dieser Altersgruppe, die aus der Ukraine nach Großbritannien geflüchtet sind, halten sich dort also illegal auf. Das gilt solange das Kriegsrecht über das Land verhängt ist. Die ukrainische Regierung verhängte das Kriegsrecht am 24. Februar 2022 und verlängerte es im November 2022 für 90 Tage

Britinnen und Briten haben die Möglichkeit, ukrainische Geflüchtete aufzunehmen

In der Ukraine versuchen Männer den Kriegsdienst zu verweigern oder zu flüchten, wie aus Medienberichten hervorgeht. So schrieben etwa der Spiegel und die Welt am 30. Dezember 2022, dass laut ukrainischen Grenztruppen seit Beginn des Krieges 12.000 Männer bei dem Versuch gefasst wurden, illegal die Grenze des Landes zu überqueren. 

Britinnen und Briten können ukrainische Geflüchtete über das Programm „Unterkünfte für die Ukraine“ bei sich aufnehmen oder ihnen finanzielle Unterstützung anbieten

Die angebliche Meldepflicht gegenüber der britischen Regierungsbehörde gibt es aber nicht, denn der Brief, der sich aktuell in Sozialen Netzwerken verbreitet, ist eine Fälschung. Das zeigen neben dem Tweet der Regierungsbehörde für Wohnungswesen auch die Rechtschreib- und Grammatikfehler: In der zweiten Zeile des Briefes steht zum Beispiel „governmen“ statt „government“ („Regierung“). Insgesamt ist der Satz in der zweiten Zeile sprachlich fehlerhaft, wie auch die englischsprachigen Faktencheck-Redaktionen von Reuters und Full Fact anmerken. 

Rechtschreib- und Grammatikfehler sowie eine unfunktionale E-Mail-Adresse deuten darauf hin, dass es sich bei dem angeblich offiziellen Schreiben um eine Fälschung handelt
Rechtschreib- und Grammatikfehler sowie eine unfunktionale E-Mail-Adresse deuten darauf hin, dass es sich bei dem angeblich offiziellen Schreiben um eine Fälschung handelt (Quelle: Twitter; Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Ein weiterer Hinweis darauf, dass das Schreiben eine Fälschung ist: Die angegebene Mailadresse. Sie soll „report@levellingup.gov.uk“ lauten. Unsere Testmail an diese Adresse konnte jedoch nicht zugestellt werden. Wir erhielten eine Fehlermeldung. 

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Steffen Kutzner, Kimberly Nicolaus

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

Tweet der britischen Regierungsbehörde für Wohnungswesen vom 6. Februar 2023: Link (archiviert)

Hybride Attacken, politische Morde, Propaganda und Schmiergelder – das alles im neuen CORRECTIV-Buch „Europas Brandstifter: Putins Krieg gegen den Westen“