AfD-Politiker verbreitet irreführende Behauptungen über Rentenhöhe und Kosten für Geflüchtete
Über seine Social-Media-Kanäle verbreitet der AfD-Politiker Jonas Dünzel ein Video, in dem er Stimmung gegen Asylsuchende macht. Diese würden in Dresden in Hotels untergebracht und alleine für ihre Verpflegung Kosten von 28 Euro pro Tag verursachen. Dabei lässt er relevanten Kontext aus – ebenso wie bei seiner Behauptung über die Rentenhöhe von Frauen.
Jonas Dünzel, Kreisvorsitzender des AfD-Kreisverbandes Zwickau, macht online mit einem fehlerhaften Vergleich Stimmung gegen Asylsuchende. In einem Video auf seinen Social-Media-Kanälen (hier, hier und hier) behauptet er, Asylsuchende, die in Dresdner Hotels untergebracht seien, würden Verpflegungskosten in Höhe von 850 Euro pro Monat beziehungsweise knapp 28 Euro pro Tag verursachen. Das habe eine Anfrage der AfD-Fraktion im Stadtrat Dresden ergeben. Er sagt auch: Eine deutsche Rentnerin erhalte „nach jahrzehntelanger Arbeit“ hingegen nur 856 Euro für Kleidung, Essen und Wohnen. Was ist an den Behauptungen dran?
Es gibt zwei Anfragen der AfD zum Thema Verpflegung von Geflüchteten. Doch diese belegen Dünzels Behauptung nicht. Die durchschnittlichen täglichen Verpflegunskosten für Geflüchtete in Dresdener Hotels belaufen sich auf 19,64 Euro. Der Betrag von 28 Euro betrifft lediglich eine bestimmte Situation – dazu später mehr. Zudem werde den Asylsuchenden, die ihre Verpflegung durch Hotels gestellt bekommen, der Regelsatz um rund 130 Euro gekürzt, schrieb uns Diana Petters, Pressesprecherin der Stadt Dresden.
Auch Dünzels Aussage über die Rentenhöhe einer deutschen Rentnerin fehlt Kontext. Dazu teilte uns Dirk Manthey, Pressesprecher der Deutschen Rentenversicherung, mit: Bei den 856 Euro handele es sich um die durchschnittliche Höhe der Altersrente von Frauen, die im Jahr 2021 in Rente gegangen seien. Aber der Betrag für Frauen, die – so wie in Dünzels Beispiel – viele Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben, liege höher.
Wir haben Jonas Dünzel mit den Ergebnissen unserer Recherche konfrontiert, in seiner Antwort ging er auf unsere Fragen jedoch nicht ein.
Anfrage der AfD von Januar widerspricht Jonas Dünzels Behauptung
Weil die Stadt Dresden nicht genug Unterkünfte für Asylsuchende hatte, richtete sie im vergangenen Jahr provisorische Unterkünfte auf dem Gelände der Messe ein, wie der MDR Anfang Januar berichtete. Diese wurden zu Beginn des Jahres aufgelöst, die Menschen in Wohnheimen und Hotels untergebracht.
In diesem Zusammenhang stellte der AfD-Stadtrat Heiko Müller am 20. Januar eine Anfrage mit dem Titel „Unterbringung von Menschen im Kontext mit Flucht und Asyl in Dresdner Hotels“ an die Stadt. Antwort bekam er am 16. Februar. Darin heißt es, seit Februar seien Geflüchtete insgesamt in fünf Hotels untergebracht und könnten dort auf ein Verpflegungsangebot zurückgreifen, da es keine Möglichkeit zur Selbstversorgung gebe.
Auf die Frage, wie hoch die Kosten pro Kopf seien, antwortete die Stadt: „Die täglichen Verpflegungskosten pro Kopf – dies beinhaltet das Frühstücksangebot durch das Hotel sowie das Mittag- und Abendbrotangebot durch ein externes Catering – belaufen sich im Durchschnitt auf insgesamt 19,64 Euro/brutto.“ Das deckt sich also nicht mit Dünzels Behauptung, die Kosten lägen bei 28 Euro.
Wir haben bei Dünzel nachgefragt, wie er auf die Angabe von 28 Euro gekommen ist. Darauf antwortete er uns, er habe sich in seinem Video auf eine Anfrage der AfD-Fraktion Dresden bezogen, die am 14. März beantwortet worden sei. In vier Wochen sei diese im Ratsinformationssystem der Stadt einsehbar.
Anfrage der AfD Dresden von März bezieht sich lediglich auf zwei Hotels, in denen Geflüchtete untergebracht sind
Da er selbst nicht Mitglied der Stadtratsfraktion sei, riet er uns, die Fraktion zu kontaktieren. Diese verwies auf unsere Anfrage hin wiederum auf den Fragesteller – erneut war das Stadtrat Heiko Müller, er reagierte nicht auf unsere Anfrage.
Für unseren Faktencheck stellte uns die Stadt Dresden die Anfrage und die Antwort jedoch vor ihrer Veröffentlichung zur Verfügung. In der Antwort geht es nicht um fünf, sondern nur um zwei Hotels, in denen Geflüchtete untergebracht sind – nämlich jene, in denen nur Frühstück angeboten wird. In diesen beiden Hotels werde, so schreibt die Stadt in der Antwort auf die AfD-Anfrage, Mittag- und Abendessen von einem externen Caterer in dessen Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Der Caterer sei ein Tochterunternehmer der Stadt und 3,3 Kilometer entfernt. Und nur bei diesen beiden Hotels würde die Verpflegung dann 28 Euro pro Person und Tag kosten.
Auf Nachfrage erhielten wir von der Stadt die Auskunft, aktuell seien Geflüchtete in insgesamt sieben Hotels untergebracht. Im Januar seien, es fünf gewesen, im Februar seien zwei weitere angemietet worden, im Sommer solle ein weiteres folgen, so Sprecherin Diana Petters in ihrer E-Mail an uns.
Wir haben Jonas Dünzel gefragt, warum er sich lediglich auf die Angabe der Stadt bezieht, die nicht alle Hotels miteinbezieht, die eine Verpflegung für Geflüchtete anbieten. Eine Antwort auf die Frage erhielten wir nicht.
856 Euro Rente für Frauen? Dieser Behauptung fehlt Kontext
Dünzels Aussage, Asylsuchende kosteten die Stadt Dresden rund 28 Euro am Tag, fehlt also relevanter Kontext. Doch wie steht es um seine Behauptung, eine deutsche Rentnerin erhalte eine Rente von 856 Euro pro Monat?
Eine Google-Suche führte uns zunächst zu zwei Medienberichten: einem von der Tagesschau vom 24. Mai 2022 und einem der Stuttgarter Nachrichten vom 28. September 2022. In beiden steht, die reguläre Altersrente bei Frauen habe im Jahr 2021 bei 856 Euro gelegen – das ist die Zahl, die Dünzel nennt. Sie stammt, wie uns Dirk Manthey von der Deutschen Rentenversicherung mitteilte, aus der Statistik der Deutschen Rentenversicherung „Rentenversicherung in Zeitreihen“. Genauer: von Seite 119 in der Spalte „Renten wegen Alters insgesamt“.
Manthey erklärte aber auch, dass die Zahl nicht geeignet ist, um daraus eine realistische Durchschnittsrente von Frauen abzuleiten. Etwa, weil die 856 Euro lediglich die Rente der Frauen wiedergebe, die im Jahr 2021 in Rente gegangen sind, aber nicht derjenigen, die zu diesem Zeitpunkt bereits in Rente waren. Und: Der Betrag beschreibe den Durchschnittswert aller Altersrenten, die die Deutsche Rentenversicherung an Frauen auszahlt. Je nach Versicherungsjahren verändert sich die Höhe des Anspruchs aber.
Wer mindestens fünf Jahre eingezahlt hat, hat einen Mindestanspruch. Die Rentenhöhe für Beitragszahlerinnen nach „jahrzehntelanger Arbeit“ – wie es Dünzel betont – liegt jedoch höher und sei aus Sicht der Deutschen Rentenversicherung auch aussagekräftiger. Denn in diesem Fall könne man davon ausgehen, so Manthey, dass die Beitragszahlerinnen ihre Rente vor allem über die gesetzliche Rentenversicherung decken wollen. Für Beitragszahlerinnen nach mindestens 35 Versicherungsjahren lag die Altersrente 2021 bei 1.235 Euro. Nach Abzug der Beiträge zur Pflegeversicherung und zur Krankenversicherung sind es 1.101 Euro.
Fallstricke bei der Rentenberechnung: Steuern und Versicherungsbeiträge geraten schnell aus dem Blick
Diese Zahl gilt aber vor Abzug der Steuern. Wie viele Steuern Rentnerinnen auf diese Rente durchschnittlich zahlen müssen, hängt von weiteren Faktoren ab. Zum Beispiel vom Rentenfreibetrag und vom Grundfreibetrag.
Dahinter verbirgt sich Folgendes, wie der Verein Vereinigte Lohnsteuerhilfe erklärt: Wer 2023 in Rente geht, hat einen Rentenfreibetrag von 17 Prozent. Das heißt, dass 17 Prozent der Rente gar nicht versteuert werden müssen. Die restlichen 83 Prozent der Bruttorente müssen nur dann versteuert werden, wenn sie den Grundfreibetrag übersteigen. Dieser liegt 2023 für Alleinstehende bei 10.908 Euro pro Jahr. Der Rentenfreibetrag wird aber bis 2040 immer kleiner werden. Ab dann muss die gesamte Rente versteuert werden – sofern sie über dem dann gültigen Grundfreibetrag liegt.
Einen pauschalen Steuersatz, den Rentnerinnen und Rentner auf ihre Rente zahlen müssen, gibt es nicht. Der sogenannte persönliche Steuersatz ist von der individuell gezahlten Einkommensteuer und vom gesamten zu versteuernden Einkommen abhängig, wie die Vereinigte Lohnsteuerhilfe weiter erklärt.
Rentnerinnen haben laut Deutscher Rentenversicherung häufig neben der Altersrente weitere Einkommensquellen
Das Einkommen besteht bei Rentnerinnen häufig nicht nur aus ihrer regulären Altersrente, schreibt uns der Sprecher der Deutschen Rentenversicherung. Rentnerinnen erhielten in zahlreichen Fällen Alterseinkünfte aus weiteren Quellen, beispielsweise „Beamtenpensionen, Betriebsrenten, Einkünfte aus Vermietung/Verpachtung, Einkünfte des (Ehe-)Partners oder daraus abgeleitete Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen.“
Diese weiteren Einkünfte bezieht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in seinem „Alterssicherungsbericht“ in seine Berechnungen mit ein. In dem aktuellsten Bericht von 2020 heißt es, Rentnerinnen hätten ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 1.305 Euro (PDF, Seite 104). Bei alleinstehenden Rentnerinnen macht die gesetzliche Rente durchschnittlich 71 Prozent des Gesamteinkommens im Alter aus, wie das BMAS in der folgenden Tabelle aufschlüsselt:
Wir haben Jonas Dünzel gefragt, inwiefern diese Tatsachen in seine Behauptung eingeflossen sind, eine Frau habe in Deutschland eine Durchschnittsrente von 856 Euro. Er antwortete uns auf diese Frage jedoch nicht.
Fazit: Die Behauptung, Asylsuchende kosteten die Stadt Dresden 28 Euro pro Tag beziehungsweise 850 Euro im Monat, stimmt so nicht. In der Zahl enthalten sind lediglich die Verpflegungskosten für zwei Hotels, untergebracht sind Asylsuchende laut der Stadt aber in insgesamt sieben Hotels. Berücksichtigt man das, liegen die Kosten bei durchschnittlich 19,64 Euro pro Tag. Zudem wird denjenigen, die in den Hotels mit der Verpflegungspauschale von 28 Euro untergebracht sind, der Regelsatz um 130 Euro im Monat gekürzt.
Der Behauptung, Rentnerinnen bekämen in Deutschland 856 Euro Rente, fehlt Kontext. Die Zahl beschreibt die sogenannte reguläre durchschnittliche Altersrente von Frauen, die 2021 in Rente gingen – bezieht also nicht alle Rentnerinnen mit ein und ist somit nicht repräsentativ. Die Rente ist zudem sehr individuell, weil sie unter anderem von den Beitragsjahren und dem persönlichen Steuersatz abhängt. Laut der Deutschen Rentenversicherung haben Frauen häufig weitere Alterseinkünfte, die ihr finanzielles Budget erhöhen.
Redigatur: Uschi Jonas, Gabriele Scherndl
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Anfrage der AfD im Stadtrat Dresden vom 20. Januar 2023: Link
- Publikation der Deutschen Rentenversicherung „Rentenversicherung in Zeitreihen“ von Oktober 2022: Link
- Alterssicherungsbericht 2020 des BMAS: Link