Künstliche Intelligenz: Nein, diese Aufnahme von Julian Assange im Gefängnis ist nicht echt
Zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer teilen momentan ein Bild, das Julian Assange zeigt – offensichtlich angeschlagen. Doch: Es wurde mit Hilfe künstlicher Intelligenz erstellt. Der vermutliche Ersteller sagt, er wollte damit auf Assanges Situation aufmerksam machen.
Julian Assange mit verquollenem Gesicht unter einer dreckigen Decke und offensichtlich in schlechtem Zustand: Dieses Bild des Wikileaks-Gründers wird aktuell in Sozialen Netzwerken hunderttausendfach gezeigt. Vier Jahre Gefängnis hätten ihn so zugerichtet, schreiben manche Nutzer dazu. Auf Facebook heißt es, das sei sein „letztes Foto“.
Reichweitenstarke Telegram-Kanäle wie Russländer & Friends oder Vladimir Tupin teilten das Bild, so auch ein Kanal namens Dmitriy Vasilets, er ist Politiker in der Ukraine. Auf dem russischen Sozialen Netzwerk VKontakte schreibt ein Nutzer, Assange werde „langsam getötet“. Die russische Botschaft in Kenia veröffentlichte das Bild ebenfalls.
Doch das Bild wurde mit Hilfe einer künstlichen Intelligenz erstellt. Ein Aktivist belegte das laut AFP und Reuters mit einem Screenshot von der KI-Software. Die Ehefrau von Assange sagte auch gegenüber der Bild-Zeitung, das Bild sei nicht echt.
Assanges Ehefrau äußerte sich zu der Aufnahme
Über das Foto ist ein Wasserzeichen gelegt, da steht „Photo Property of ‘E‘“. Eine Bilderrückwärtssuche mit diesen Stichwörtern führt zu mehreren Twitter-Beiträgen mit dem Bild. Unter einem davon verlinkte ein Nutzer das Profil von einem Account namens „The Errant Friend“ und schrieb, das Foto sei gefälscht. In dessen Profilbeschreibung steht „Free Assange“, er veröffentlichte auch andere Bilder von Assange in Haft. Jenes, das nun so häufig geteilt wird, hat der Nutzer am 30. März gegen Mittag veröffentlicht. Das ist die früheste auffindbare Quelle des Bildes.
„The Errant Friend“ antwortete bisher nicht auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck. Der AFP und Reuters bestätigte er aber, dass er das Foto mithilfe der KI-Software Midjourney erstellt habe. Reuters veröffentlichte den Beleg des Nutzers – ein Screenshot von Midjourney mit dem Textbefehl und dem Bild als Ergebnis. Die Eingabe lautet: „Foto von Julian Assange, der im Belmarsh-Gefängnis festgehalten wird, ausgehungert, abgemagert und gebrochen, aber entschlossen gegen die Prozesse. Er liegt zusammengesunken auf einer dreckigen Bank in der Krankenstation, aber er bleibt am Leben. Die düstere Atmosphäre ist greifbar.“
Ein Telegram-Account mit dem Namen „The official E“, offenbar der Account von „The Errant Friend“, veröffentlichte mehrere Stellungnahmen zu dem Foto. Er habe viele Anfragen von Medien bekommen, und ja, er habe das Bild erstellt. Er habe damit das Leiden von Assange „real“ werden lassen wollen. „Das Foto musste nicht echt sein, um die Realität abzubilden“, schreibt er in einem anderen Beitrag.
Die Bild-Zeitung kontaktierte auch Assanges Ehefrau Stella Assange. Laut der Redaktion gab sie an, dass es sich bei dem Foto um eine mit Hilfe von KI produzierte Fälschung handele.
Künstlich erstelltes Bild von Assange hat Makel
Bei genauerem Hinsehen sind auch Fehler im konstruierten Bild erkennbar: An der Schulter von Assange hat die Decke einen eigenartigen Farbverlauf, seine Augenlider wirken glatt und verschwommen. Außerdem ist auf seinem Nasenflügel ein Fleck, der aussieht wie ein halbes Piercing.
Assange gründete 2006 WikiLeaks, ein Portal, auf dem Dokumente ungefiltert veröffentlicht werden können. Er sitzt seit vier Jahren in einem britischen Gefängnis, die USA warten auf seine Auslieferung – dort soll ihm wegen Spionage-Vorwürfen der Prozess gemacht werden. Assange legte im Juli 2022 Berufung gegen die Auslieferung ein. Seine Unterstützerinnen und Unterstützer sehen ihn als politischen Gefangenen.
In den vergangenen Monaten sorgten mehrere mit KI erstellten Bilder für Aufsehen. Darunter eines vom Papst in Daunenjacke, von Donald Trump bei seiner Verhaftung und von Putin, wie er vor dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping kniet.
Tipps zum Erkennen eines manipulierten oder mit einer KI erstellten Fotos
- Wenn Sie unsicher sind, ob ein Ereignis so stattgefunden hat, wie es auf einem Bild zu sehen ist: Suchen Sie mit Stichworten nach potenziellen Medienberichten zu dem Ereignis.
- Achten Sie auf Ungereimtheiten und Details in dem Bild.
- Suchen Sie, wenn möglich, nach der ursprünglichen Quelle für das Bild. Helfen kann dabei manchmal auch eine Bilderrückwärtssuche. Wie die funktioniert, können Sie hier nachlesen.
Redigatur: Viktor Marinov, Sophie Timmermann