Faktencheck

Nein, Deutschland haftet nicht generell für Kriegsschäden in der Ukraine

Eine Aussage von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zu Investitionen in der Ukraine wird online missverstanden. Anders als in einigen Beiträgen in Sozialen Netzwerken behauptet wird, haftet der deutsche Steuerzahler nicht für jegliche Kriegsschäden in der Ukraine. Habeck sprach davon, dass der deutsche Staat für Kriegsschäden an Firmengebäuden deutscher Unternehmen in der Ukraine hafte, wenn sogenannte Investitionsgarantien abgeschlossen wurden.

von Kimberly Nicolaus

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck reiste am 3. April 2023 mit einer Wirtschaftsdelegation nach Kiew (Symbolbild: Christoph Soeder / DPA / Picture Alliance)
Behauptung
Laut einer Aussage von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hafte der deutsche Steuerzahler für Kriegsschäden in der Ukraine.
Bewertung
Manipuliert. Die Aussage wurde aus dem Kontext gerissen. Habeck sprach davon, dass Deutschland für Kriegsschäden an deutschen Firmengebäuden in der Ukraine hafte, wenn mit ihnen ein Vertrag über sogenannte Investitionsgarantien abgeschlossen wurde. Davon, dass Deutschland generell für Kriegsschäden in der Ukraine hafte, ist nicht die Rede.

„Deutschland soll die Ukraine wieder aufbauen nach dem Krieg? Ist das jetzt ein Witz?“, fragt ein Nutzer zu einem Beitrag auf Facebook. Darin wird ein etwa zweiminütiger Videoausschnitt eines ZDF-Interviews mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gezeigt. Seine Aussage wird in Sozialen Netzwerken zum Teil so gedeutet, dass Personen, die in Deutschland Steuern zahlen, generell für Kriegsschäden in der Ukraine und den dortigen Wiederaufbau zahlen würden. Der Facebook-Beitrag wurde über 22.000 Mal aufgerufen und führte in knapp 1.000 Kommentaren zu Diskussionen. Auf Tiktok erreicht ein 13-sekündiger Videoausschnitt 1 Million Aufrufe, auf Youtube rund 60.000.

Unser Faktencheck zeigt: Der deutsche Staat haftet nicht für jegliche Kriegsschäden, den Beiträgen in Sozialen Netzwerken fehlt wesentlicher Kontext. Habeck erklärte, dass Deutschland über sogenannte Investitionsgarantien Schäden an Fabrikgebäuden deutscher Firmen absichere. 

In Sozialen Netzwerken wird eine Aussage von Wirtschaftsminister Robert Habeck missverstanden. Richtig ist, dass Deutschland in bestimmten Fällen für Kriegsschäden an deutschen Firmengebäuden in der Ukraine haftet. (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Kriegsschäden in der Ukraine: Deutschland haftet laut Habeck nur in ganz bestimmten Fällen

Der in Sozialen Netzwerken geteilte Videoausschnitt stammt aus einem knapp neunminütigen Interview, das Moderator Christian Sievers mit Robert Habeck im ZDF Heute Journal am 3. April 2023 führte. Habeck wurde live aus Kiew zugeschaltet. Dorthin war er mit einer Wirtschaftsdelegation gereist und traf unter anderem den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. 

Im Interview spricht Habeck über die Investitionen deutscher Unternehmen in der Ukraine, explizit nennt er den Chemie- und Pharmakonzern Bayer und den Baustoffhersteller Fixit. Die Verdopplung der Kapazitäten der Fixit-Gruppe werde in der Ukraine dringend gebraucht, denn als erstes müssten Gebäude, Straßen und Brücken repariert werden, so Habeck. 

Ab Minute 5:01 ist der Video-Ausschnitt zu sehen, der in Sozialen Netzwerken kursiert. Habeck sagt darin: „Wichtig daran ist, dass wir ein Instrument einsetzen, dass wir normalerweise nicht für Kriegsgebiete vorhalten, nämlich eine Investitionsgarantie, und das gilt auch für andere Unternehmen: Sollte dieses Fabrikgebäude zerstört werden, durch Raketenangriffe beispielsweise, garantiert oder haftet der deutsche Staat.“ Mithilfe von Investitionsgarantien sichert die Bundesregierung Investitionen deutscher Firmen im Ausland ab, unter anderem in der Ukraine, zum Beispiel gegen Risiken, die nicht vorhersehbar sind, wie Währungsschwankungen oder auch Kriegsschäden. 

Deutschland haftet also nur für solche Kriegsschäden in der Ukraine, die dort ansässige deutsche Firmen betreffen, mit denen Investitionsgarantien abgeschlossen wurden – und nicht, wie online behauptet, grundsätzlich für jegliche Kriegsschäden in dem Land.

Investitionsgarantien für deutsche Unternehmen in der Ukraine

Robert Säverin, Pressesprecher des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, schrieb uns per E-Mail: „Diese Investitionsgarantien sind Bestandteil der wirtschaftlichen Unterstützung der Ukraine mit dem Ziel, die ukrainische Wirtschaft unter den Bedingungen des Angriffskrieges lebensfähig zu erhalten und der Ukraine eine wirtschaftliche Friedensperspektive zu verschaffen.“ Die Entscheidung darüber, ob eine Investitionsgarantie gewährt wird, treffe im Einzelfall der zuständige Ausschuss, der aus Mitgliedern verschiedener Ministerien besteht.

Laut Medienberichten sichert die Bundesregierung derzeit elf Projekte in der Ukraine mit 21 Investitionsgarantien ab, mit einer Kapitaldeckung von insgesamt 221 Millionen Euro. Auch im Jahresbericht der Investitionsgarantien 2022 sind für die Ukraine 21 Investitionsgarantien mit einem Volumen von gerundet 300 Millionen Euro aufgeführt (Seite 20). Darin heißt es auch, für die Übernahme von Investitionsgarantien sei im Haushaltsgesetz aktuell ein Ermächtigungsrahmen von bis zu 60 Milliarden Euro festgelegt (Paragraf 3, Absatz 1, Satz 2). 

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Steffen Kutzner, Matthias Bau

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Jahresbericht der Investitionsgarantien 2022, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, März 2023: Link (archiviert)
  • Informationen zur Unterstützung für die Ukraine, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 17. Februar 2023: Link