Faktencheck

Nein, Deutschland beeinflusst nicht nur 0,000028 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes

Ein Video verbreitet sich im Netz, es zeigt eine Rede von Robert Farle, fraktionsloses Mitglied im Deutschen Bundestag. Er präsentiert eine Rechnung, die belegen soll, dass der Einfluss des Menschen und Deutschlands auf das Klima gering sei. Seine Rechnung stimmt jedoch nicht.

von Kimberly Nicolaus

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Die Wissenschaft ist sich einig, dass der Klimawandel durch den Menschen verursacht ist (Symbolbild: Jochen Eckel / DPA / Picture Alliance)
Behauptung
78 Prozent unserer Luft sei Stickstoff, 21 Prozent Sauerstoff, 1 Prozent seien Edelgase und Spurengas wie Kohlendioxid. Der CO2-Anteil betrage 0,04 Prozent. Vom jährlichen CO2-Ausstoß produziere die Natur selbst 96 Prozent und lediglich 4 Prozent seien menschengemacht. 4 Prozent von 0,04 Prozent würden 0,0016 Prozent menschengemachtes CO2 ergeben. Der Anteil Deutschlands daran sei 1,76 Prozent. Deutschland beeinflusse vom weltweiten CO2-Anteil in der Luft 0,000028 Prozent.
Bewertung
Größtenteils falsch
Über diese Bewertung
Größtenteils falsch. Es stimmt, dass der CO2-Anteil in der Luft 0,04 Prozent beträgt. Die folgende Rechnung ist jedoch irreführend. Sie lässt außer Acht, dass der natürliche CO2-Ausstoß wieder vollständig von der Natur aufgenommen wird – die menschlichen Treibhausgas-Emissionen jedoch nur zum Teil. Dadurch ist die CO2-Konzentration auf inzwischen 420 ppm angestiegen, was zu globaler Erwärmung führt. Der vom Menschen verursachte Anteil daran beträgt rund 33 Prozent. Auch die Behauptung, Deutschland beeinflusse nur 0,000028 Prozent des weltweiten CO2-Anteils ist falsch. Sie setzt Deutschlands Anteil am weltweit vom Menschen verursachten CO2-Ausstoß in Bezug zur gesamten Luft. Dieser Vergleich ergibt jedoch keinen Sinn, da nicht alle Bestandteile der Luft für die globale Erwärmung sorgen. Deutschlands Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß liegt laut Umweltbundesamt aktuell bei rund 1,8 Prozent.

Als der fraktionslose Abgeordnete Robert Farle am 27. April im Bundestag spricht, nennt er die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung einen „Irrsinn“. Denn Deutschland habe einen sehr kleinen Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß. Wie klein dieser sei, rechnet er seinen Kolleginnen und Kollegen wie folgt vor: 

„78 Prozent unserer Luft ist Stickstoff, 21 Prozent Sauerstoff, 1 Prozent sind Edelgase und Spurengas wie Kohlendioxid. Der CO2-Anteil beträgt 0,04 Prozent. Vom jährlichen CO2-Ausstoß produziert die Natur selbst 96 Prozent und lediglich 4 Prozent sind menschengemacht. 4 Prozent von 0,04 Prozent ergeben 0,0016 Prozent menschengemachtes CO2. Der Anteil Deutschlands daran ist 1,76 Prozent. Deutschland beeinflusst vom weltweiten CO2-Anteil in der Luft 0,000028 Prozent.“

Farles Rechnung zum „Klima-Irrsinn“ verbreitet sich anschließend in Sozialen Netzwerken. Auf Tiktok wurde sie mehr als 800.000 Tausend Mal angezeigt und mehrfach auf Telegram und Twitter verbreitet. Leserinnen und Leser schickten sie uns auch zur Überprüfung per Whatsapp. Eine ähnliche Rechnung verbreitet sich seit mehr als zehn Jahren: Deutschlands CO2-Anteil in der Luft liege nur bei 0,00004712 Prozent. Wie wir bereits 2019 in einem Faktencheck berichteten, stimmt das ebenso wie die aktuelle Rechnung nicht. 

Deutschlands Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß liegt aktuell bei rund 1,8 Prozent – diesen Anteil dann noch einmal ins Verhältnis zur gesamten Luft zu setzen, wie Farle es macht, macht keinen Sinn. Die vom Menschen verursachte CO2-Konzentration, gemessen an der gesamten CO2-Konzentration, beträgt rund 33 Prozent. Eine generelle Gegenüberstellung mit dem CO2-Ausstoß der Natur ist nicht schlüssig. Die Natur nimmt – im Gegensatz zum Menschen – ihren CO2-Ausstoß vollständig wieder auf. 

Wir haben Robert Farle unsere Ergebnisse vorgelegt und um eine Rückmeldung zu seiner Rechnung gebeten. Eine Antwort erhielten wir bislang nicht.

Screenshot eines Tiktok-Videos.
Ein Tiktok-Video zeigt die Rede des fraktionslosen Bundestagsabgeordneten Robert Farle vom 27. April 2023. Darin stellte er eine falsche Berechnung zum Anteil des menschengemachten CO2-Ausstoßes auf. (Quelle: Tiktok; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Wie hoch ist der CO2-Anteil in der Luft?

Farle sagt zunächst, dass 78 Prozent Stickstoff, 21 Prozent Sauerstoff, 1 Prozent Edelgase und Spurengas wie Kohlendioxid in der Luft seien. Der CO2-Anteil in der Luft betrage 0,04 Prozent. Dieser Teil der Rechnung stimmt. Laut dem Global Monitoring Laboratory der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), einer Klima- und Ozeanografiebehörde in den USA, liegt der CO2-Anteil in der Atmosphäre im März 2023 bei 420,13 ppm (etwa 420 Moleküle pro einer Million Moleküle trockener Luft). Das sind mit 0,042 Prozent tatsächlich etwa 0,04 Prozent der gesamten Luft, wie Farle sagt. Dieser Wert ist in den letzten Jahrzehnten immer weiter gestiegen.  

Die Zusammensetzung der Atmosphäre schlüsselt auch eine Grafik des Jet Propulsion Laboratory auf, einem Forschungsinstitut der amerikanischen Weltraumbehörde NASA. Sie weist den Anteil von Stickstoff mit 78 Prozent aus, etwa 21 Prozent seien Sauerstoff, knapp 1 Prozent seien Edelgase und 0,04 Prozent seien Kohlendioxid. 

Welcher Anteil am CO2 in der Luft ist vom Menschen verursacht? 

Weiter behauptet Farle: „Vom jährlichen CO2-Ausstoß produziert die Natur selbst 96 Prozent und lediglich 4 Prozent sind menschengemacht.“ Doch stimmt das? 

Wir haben beim Umweltbundesamt nachgefragt. Demnach beträgt der jährliche Umsatz des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs weltweit etwa 771 Milliarden Tonnen CO2. Dabei geht es um natürliche CO2-Austauschprozesse, die immer schon in der Natur vorgekommen sind, etwa zwischen der Atmosphäre und Ozeanen sowie zwischen der Atmosphäre und Landflächen. 

Die menschengemachten Treibhausgas-Emissionen liegen laut Umweltbundesamt jährlich bei etwa 55 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente. Darunter werden verschiedene Treibhausgase wie Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O), die eine unterschiedlich starke Klimawirksamkeit haben, zusammengefasst. Der reine menschengemachte CO2-Anteil pro Jahr beträgt laut Umweltbundesamt rund 40 Milliarden Tonnen, davon stammten etwa 37 Milliarden Tonnen CO2 aus der Verbrennung fossiler Energieträger und aus Industrieprozessen. 

Wenn man die vergleichsweise große Menge des natürlichen Kohlenstoffkreislaufes von 771 Milliarden Tonnen CO2 jährlich mit den vom Menschen verursachten CO2 von 40 Milliarden Tonnen zusammenrechnet, beläuft sich die Gesamtmenge auf 811 Milliarden Tonnen CO2. Davon beträgt der menschengemachte Anteil (40 Milliarden Tonnen) etwa 4,9 Prozent, nicht 4, wie Farle behauptet. Doch so oder so: Der Vergleich des natürlichen mit dem menschengemachten CO2-Ausstoß, wie Farle ihn aufstellt, ergibt keinen Sinn.

Von der Natur ausgestoßenes CO2 wird vollständig wieder aufgenommen – menschengemachte Emissionen nicht

Entscheidend ist: Die Natur ist in der Lage, ihren CO2-Ausstoß wieder vollständig aufzunehmen, hingegen nur einen Teil der menschengemachten Treibhausgas-Emissionen. Denn von den 40 Milliarden Tonnen menschengemachtem CO2-Ausstoß würden die Landflächen etwa 11 Milliarden Tonnen CO2 aufnehmen, die Ozeane etwa 10,6 Milliarden. Bleiben also laut Umweltbundesamt etwa 18 Milliarden Tonnen menschlich verursachtes CO2, das die Natur nicht wieder aufnimmt. Das Problem bestehe in der Verwechslung von „Umsatz“ und „Netto-Zuwachs“, schreibt uns das Umweltbundesamt. 

Und neben dem Anteil an CO2 in der Luft, ist es relevant, einen Blick auf die CO2-Konzentration zu werfen. 

Farle vergleicht Äpfel mit Birnen – menschlicher CO2-Ausstoß für 33 Prozent der CO2-Konzentration in der Luft der verantwortlich

Grafik zum Verhältnis der CO2-Konzentration verursacht von der Natur und des Menschen.
Aufgrund des zusätzlich durch den Menschen verursachten CO2-Ausstoßes gerät der natürliche Kohlenstoffkreislauf aus dem Gleichgewicht (Quelle: Umweltbundesamt; Grafik: CORRECTIV.Faktencheck)

Zwischen dem Ende der letzten Eiszeit und vor Beginn der Industrialisierung habe es eine „konstante atmosphärische CO2-Konzentration von etwa 280 ppm“ gegeben, schreibt uns das Umweltbundesamt. Diese Konzentration sei so etwas wie der natürliche Füllstand der Badewanne. Doch dieses Gleichgewicht existiere seit Beginn der Industrialisierung nicht mehr. Die etwa 18 Milliarden Tonnen menschlich verursachtes CO2 weltweit pro Jahr, die nicht von Land- oder Meeresflächen aufgenommen werden können, sorgten aktuell für einen jährlichen Anstieg der CO2-Konzentration in einem Bereich zwischen 2 und 3 ppm, auf jetzt rund 420 ppm. Daraus ergibt sich, dass der Mensch für rund 33 Prozent der CO2-Konzentration in der Luft verantwortlich ist.

Grafik zur CO2-Konzentration.
Vor Beginn der Industrialisierung betrug der CO2-Anteil in der Atmosphäre etwa 280 ppm. Aufgrund des menschengemachten CO2-Ausstoßes ist dieser Wert deutlich gestiegen, auf aktuell rund 420 ppm. (Quelle: Scripps Institution of Oceanography, UC San Diego; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Deshalb ist der nächste Teil von Farles Rechnung irreführend: „4 Prozent von 0,04 Prozent ergeben 0,0016 Prozent menschengemachtes CO2.“ Er setzt den menschengemachten CO2-Ausstoß ins Verhältnis zur gesamten Luft, doch das ergibt keinen Sinn. Sinnvoll wäre, ihn ins Verhältnis zur CO2-Konzentration zu setzen, die sich in der Luft befindet – und dieser Anteil beträgt, wie oben beschrieben, 33 Prozent.

Dass die CO2-Konzentration steigt, ist ein Problem, denn Treibhausgase wie CO2 speichern Wärme. Dadurch kommt es zu erhöhten Temperaturen, wie wir bereits in einem Faktencheck erklärten. Die globale Erwärmung, also der Klimawandel, ist vom Menschen verursacht. Darüber sind sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einig, wie zahlreiche Studien belegen. 

Wie hoch ist der Anteil Deutschlands an den globalen CO2-Emissionen?

Farle rechnet weiter vor, Deutschlands Anteil am vom Menschen verursachten CO2-Ausstoß betrage 1,76 Prozent. Damit beeinflusse Deutschland weltweit den CO2-Anteil in der Luft von 0,000028 Prozent. Auch hier folgt Farles Rechnung einer irreführenden Logik.

Wie das Umweltbundesamt auf seiner Webseite schreibt, ist Deutschland von rund 37 Milliarden Tonnen menschengemachtem CO2 weltweit in 2022 – die bei der Verbrennung fossiler Energieträger und aus Industrieprozessen entstehen –  für etwa 666 Millionen Tonnen verantwortlich. Deutschlands Anteil am weltweit vom Menschen verursachten CO2-Ausstoß beträgt demnach also 1,8 Prozent. 

Davon ist Farle mit 1,76 Prozent zwar nicht so weit weg, doch es folgt derselbe Fehler: Er setzt in seiner Rechnung diese rund 1,8 Prozent in Relation zur gesamten Luft und lässt dabei aus, dass andere Bestandteile der Luft, wie Sauerstoff, überhaupt nicht für eine Erderwärmung sorgen – dieser Vergleich also keinen Sinn ergibt.

Deutschland verursacht verhältnismäßig viele CO2-Emissionen im Vergleich zu anderen Ländern

Wie viel trägt Deutschland also wirklich verglichen mit anderen Staaten zum Klimawandel bei? „Deutschland hat weit überproportional zum Anstieg des CO2-Konzentration in der Atmosphäre und damit zum Klimawandel beigetragen“, schreibt uns das Umweltbundesamt. Die seit 1850 angehäuften CO2-Emissionen Deutschlands entsprächen einem Anteil von 3,7 Prozent an den globalen CO2-Emissionen. Dabei betrage der deutsche Anteil an der Weltbevölkerung nur etwa 1,05 Prozent.

Grafik von Climate Watch zum CO2-Ausstoß einzelner Länder.
Im Vergleich mit anderen EU-Ländern liegt Deutschland auf Platz 8, wenn es um den CO2-Ausstoß gemessen an der Bevölkerungszahl geht, Datenstand: 2019 (Quelle: Climate Watch; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Betrachtet man die Treibhausgas-Emissionen gemessen an der Einwohnerzahl, liegt Deutschland laut Climate Watch und Daten aus 2019 weltweit auf Rang 50 von 190. Im Vergleich zu den anderen 26 EU-Ländern liegt Deutschland sogar auf Platz 8.

Fazit: Die Rechnung beinhaltet zwei Logik-Fehler. Sie ignoriert, dass das natürliche CO2 in einem Kreislauf auch von der Natur wieder aufgenommen wird – der menschengemachte CO2-Ausstoß jedoch nur zum Teil, was zu einer Erhöhung der CO2-Konzentration in den vergangenen Jahren um rund ein Drittel geführt hat. Zweitens wird der menschengemachte CO2-Anteil und der, für den Deutschland verantwortlich ist, mit der gesamten Luft verglichen, nicht aber mit dem CO2-Anteil in der Luft, der für die globale Erwärmung verantwortlich ist.

Redigatur: Gabriele Scherndl, Sophie Timmermann, Uschi Jonas 

Korrektur, 20. Februar 2024: Wir haben in der Bewertung fälschlich geschrieben, dass der durch den Menschen verursachte CO2-Anteil 4,9 Prozent beträgt. Das stimmt nicht, er beträgt 33 Prozent der gesamten CO2-Konzentration, wie wir auch im Fließtext erklären.

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • CO2-Anteil in der Atmosphäre, Global Monitoring Laboratory, März 2023: Link (Englisch, archiviert)
  • Greater than 99% consensus on human caused climate change in the peer-reviewed scientific literature, Environmental Research Letters, 19. Oktober 2021: Link 
  • Consensus revisited: quantifying scientific agreement on climate change and climate expertise among Earth scientists 10 years later, Environmental Research Letters, 20. Oktober 2021: Link
  • Deutschlands Anteil an den CO2-Emissionen, Umweltbundesamt, 11. April 2023: Link
  • Ländervergleich der Treibhausgas-Emissionen, Climate Watch, 2019: Link (Englisch)