Nach Angriff der Hamas: Nein, dieses Video zeigt nicht, wie Israel die Ermordung von Kindern inszeniert
Ein vielfach geteiltes Video soll zeigen, wie Israel die Ermordung eines Kindes durch die Hamas inszeniere. Doch die Aufnahme stammt aus einem Filmdreh und entstand vor dem Überfall auf Israel.
Triggerwarnung: In diesem Beitrag wird teilweise Bildmaterial beschrieben, das die Folgen von Gewalt zeigt.
Infolge des Großangriffs der Hamas auf Israel und Israels Gegenangriff sind hunderte Menschen gestorben. Seit dem landen zahlreiche Falschbehauptungen in Sozialen Netzwerken. Eine davon: Israel habe die Ermordung eines Kindes durch die Terrororganisation Hamas nur inszeniert. Belegen soll das ein Video. Darin ist zu sehen, wie ein Junge mit einem verdrehten Bein am Boden liegt, mehrere Erwachsene stehen um ihn herum, neben seinem Kopf ist Blut, eine Kamera filmt ihn von oben.
Beiträge zu dem Video kursieren auf mehreren Plattformen und in mehreren Sprachen, auch auf Deutsch. Doch die Aufnahmen zeigen keinen inszenierten Mord, sondern einen Filmdreh. Sie wurden schon im April 2022 veröffentlicht.
Aufnahmen landeten schon 2022 auf Tiktok und zeigen den Dreh eines Kurzfilms
In vielen der verbreiteten Videos sieht man ein Wasserzeichen. Tiktok fügt solche zu Videos hinzu, wenn andere Nutzerinnen und Nutzer sie herunterladen. In diesem Fall lautet es „@mohammadawad938“. Eine Suche danach auf Tiktok führt zu einem Nutzer, der auch das Video des liegenden Jungen hochgeladen hat – schon im April 2022. Lädt man das Video herunter, versieht Tiktok es mit dem Wasserzeichen „@mohammadawad938“.
In der Videobeschreibung schreibt der Nutzer: „Hinter den Kulissen der Dreharbeiten“, und dass es sich bei der Szene um einen Angriff auf das Kind Ahmad Manasra handle. Die Google-Suche nach „Ahmad Mansara Film“ führt zu einem Kurzfilm auf Youtube. Darin (ab Minute 1:11) ist genau jene Szene zu sehen, die im Video von den Dreharbeiten auf Tiktok gezeigt wird. Das ist etwa an dem T-Shirt und der Körperhaltung des Jungen sowie Kleidung und Gegenständen der umliegenden Personen zu erkennen.
Im Film ist der Name des Regisseurs zu sehen: Awni Eshtaiwe. Er veröffentlichte den zweiminütigen Kurzfilm namens „Empty Place“ ebenfalls auf Youtube. In dem Film geht es um den jungen Palästinenser Ahmad Manasra, er wurde laut dem Menschenrechtsrat der UN 2015, als er 13 Jahre alt war, beschuldigt, zwei Israelis erstochen zu haben. Bei der Flucht vor der Polizei wurde er laut Medienberichten von einem Auto angefahren und dabei verletzt. Medien veröffentlichten damals ein Video, das ihn danach mit verdrehtem Bein und blutend am Boden liegend zeigt – genauso wie den Jungen im Film.
Angeblich inszenierte Verletzungen schon gängiges Desinformations-Narrativ im Ukraine-Krieg
Das Video, das aktuell auf Tiktok und X kursiert, hat also nichts mit dem Großangriff der Hamas auf Israel zu tun.
Falschnachrichten über angeblich inszenierte Verletzungen werden in Kriegen oder Krisen immer wieder gestreut. Dadurch sollen Gewalthandlungen und ihre Folgen verharmlost werden. Es begegnete uns in der Vergangenheit auch mehrmals im Zusammenhang mit Russlands Krieg gegen die Ukraine. So wurde etwa fälschlich behauptet, Opfer russischer Angriffe seien gar nicht wirklich verletzt worden, sondern hätten sich mit Marmelade oder Kunstblut beschmiert oder seien Schauspieler. Auch alte Dreharbeiten oder medizinische Schulungen wurden fälschlich für Desinformation verwendet.
Nachdem Terroristen der Hamas am 7. Oktober 2023 Israel überfallen hatten, töteten und verschleppten sie laut Medienberichten auch Kinder. Dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen zufolge sind in den ersten 72 Stunden nach dem Terrorangriff hunderte von israelischen und palästinensischen Kindern getötet und viele weitere verletzt worden.
Alle Faktenchecks zu Falschmeldungen und Gerüchten nach dem Terrorangriff der Hamas finden Sie hier.
Redigatur: Matthias Bau, Sophie Timmermann
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: