Faktencheck

Video von Ausschreitungen in Schweden hat nichts mit dem Krieg im Nahen Osten zu tun

Ein Video zeigt, wie Vermummte einen Polizeibus stehlen. Es ist jedoch nicht aktuell, wie vielfach in Sozialen Netzwerken behauptet, sondern kursierte schon im April 2022. Auch ein AfD-Politiker teilte es nach dem Terrorangriff der Hamas.

von Gabriele Scherndl

schweden-hamas
Dieses Video stammt zwar tatsächlich aus Schweden, ist aber schon älter: Auf X kursiert es seit April 2022 (Quelle: X, Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Video aus Schweden zeige aktuelle Ausschreitungen von Unterstützern der Hamas oder Palästinas.
Bewertung
Falscher Kontext
Über diese Bewertung
Falscher Kontext. Das Video stammt zwar aus Schweden, wurde aber schon im April 2022 geteilt, nachdem es in Folge einer Koranverbrennung zu Unruhen kam.

Falls diese Aufnahmen neu seien, habe Schweden ein Problem, schreibt ein X-Account am 13. Oktober 2023. Zu sehen ist in dem Video, wie mehrere Vermummte einen Polizeibus kapern, zu hören sind Allahu-Akbar-Rufe. Die Vermummten seien Hamas-Unterstützer, schreibt der Account, der sich selbst „Terror-Alarm“ nennt. 

Doch das Bildmaterial ist nicht neu. Es stammt zwar aus Schweden, wurde aber schon vor eineinhalb Jahren veröffentlicht. Mit dem aktuellen Krieg im Nahen Osten hat es nichts zu tun. Die Allahu-Akbar-Rufe wurden der Aufnahme laut Recherchen nachträglich hinzugefügt.

Dennoch verbreiteten Viele die Aufnahmen weiter – allein auf X gab es rund 1,4 Millionen Aufrufe. Sven Tritschler, Abgeordneter der AfD im Landtag von Nordrhein-Westfalen, teilte das Video am 14. Oktober 2023 auf Facebook. Dazu schrieb er, „Derweil erreichen uns neue Bilder aus Gaz…, äh Schweden“. In den Kommentaren reagieren Nutzerinnen und Nutzer mit rassistischen Kommentaren und Gewaltaufrufen. Nach einer Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck löschte Tritschler das Video.

Ein Facebook-Beitrag von Sven Tritschler, den er später löschte. Zu sehen ist das Video aus 2022.
AfD-Landtagsabgeordneter Sven Tritschler teilte das Video am 14. Oktober 2023 auf Facebook – es ist allerdings schon eineinhalb Jahre alt. Nach einer Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck löschte er den Beitrag. (Quelle: Facebook, Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Video entstand im schwedischen Örebro bei Ausschreitungen nach Koran-Verbrennungen

Eine Bilderrückwärtssuche mit einem Screenshot aus dem Video führt unter anderem zu einem X-Beitrag vom 16. April 2022. Darin ist von „muslimischen Aufständen“ in Schweden die Rede. In einem anderen X-Beitrag vom Tag darauf heißt es auf russisch, die Ausschreitungen seien eine Reaktion auf Koranverbrennungen in Schweden. 

Das Faktenecheck-Team von India Today stieß auf einen Bericht des schwedischen und teilweise als fremdenfeindlich eingestuften Mediums Nyheteridag vom 18. April 2022, in dem ebenfalls ein X-Beitrag mit dem Video eingebettet ist. Laut dem Text wurde im schwedischen Örebro bei einem Aufstand ein Polizeibus gestohlen, mehrere Polizeibusse wurden in Brand gesetzt. Auch das schwedische Boulevardmedium Expressen verbreitete das Video in dem Kontext. Eine ältere Quelle fanden wir nicht. 

Mitte April 2022 kam es laut Medienberichten in mehreren Teilen Schwedens tagelang zu gewalttätigen Ausschreitungen, nachdem der Rechtsextremist Rasmus Paludan öffentlich mehrfach den Koran verbrannte. Dutzende Menschen seien bei den Krawallen verletzt worden.

AfD-Abgeordneter Tritschler löschte seinen Facebook-Beitrag später

Ein Blick auf Google Maps zeigt: Der Aufnahmeort des Videos ist eindeutig neben einer Sporthalle in Örebro. Durch eine gezielte Google-Suche finden wir ein Video vom April 2022, das dasselbe Geschehen aus einem leicht anderen Winkel zeigt. 

Drei Ansichten desselben Ortes, Übereinstimmungen sind farblich markiert.
Ein Vergleich des aktuell kursierenden Videos (links) mit einer Aufnahme aus 2022 (mitte) zeigt, dass es sich um dieselbe Szene handelt. Bilder von Google Maps (rechts) belegen außerdem: Die Aufnahmen zeigen denselben Ort in Örebro. (Quellen: X / Youtube / Google Maps; Screenshot, Collage und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Allahu-Akbar-Rufe sind in dieser Version keine zu hören, die Audiospur wurde im aktuell kursierenden Video wohl manipuliert. Zu diesem Schluss kam auch das arabische Faktencheck-Team von Eekad. Mit dem Krieg im Nahen Osten, der nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel ausbrach, hat es nichts zu tun. 

Wir haben den AfD-Abgeordneten Tritschler gefragt, warum er meinte, die Aufnahmen, die er verbreitet, seien aktuell. In seinem Beitrag sprach er von „neuen Bildern“. Er schrieb uns, er sei nicht der Ansicht, „dass ich den Eindruck erweckt habe, das Video sei ‚aktuell‘“. Dennoch löschte er seinen Beitrag kurz nach der Anfrage.

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Redigatur: Viktor Marinov, Max Bernhard