Faktencheck

Grüne gegen „türkische Invasion“: Was hinter diesem Video steckt

Ein Video einer Veranstaltung der Grünen macht die Runde. Darin ist eine Präsentation zur „türkischen Invasion“ zu sehen. Anders als suggeriert, beziehen sich die Grünen damit nicht auf Migrantinnen und Migranten, sondern auf Militärangriffe in kurdischen Gebieten.

von Gabriele Scherndl

Elas Vorlagen (6)
Weil die Grünen von „türkischer Invasion“ sprechen, machen sie „AfD-Dinge“, heißt es auf Tiktok. Laut Darstellung der Grünen ging es in der Präsentation im November 2022 um die Lage in der Region Kurdistan. (Quelle: Tiktok; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Video zeige, wie die Grünen sich bei einem Vortragsabend fragen, was sie gegen die „türkische Invasion“ machen können.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Die Aufnahme zeigt laut dem Ortsverband der Grünen Aachen einen Vortrag der dortigen Grünen Jugend am 8. Dezember 2022. Thema sei die Lage in den kurdischen Gebieten gewesen, die die Türkei im November 2022 angegriffen hatte.

Spricht eine Politikerin oder ein Politiker von einer „Invasion“ durch Migranten, dann gehört er oder sie in vielen Fällen zur AfD. Wohl deswegen schreibt eine Tiktok-Nutzerin zu einem Video, die Grünen würden „AfD-Dinge“ machen. Ähnlich ist der Tenor auch auf Telegram: „Die Grünen mit AfD-Content“. Das Video kursiert schon seit einigen Monaten und erreichte Hunderttausende. Manche fragen sich, ob es echt ist.

Die Aufnahme zeigt eine Präsentation der Grünen. Auf der Folie steht: „Was können wir auf lokaler und Bundesebene gegen die türkische Invasion tun?“ Nutzerinnen und Nutzer in Sozialen Netzwerken vermuten, die Grünen bezogen sich mit der „türkischen Invasion“ auf Migrantinnen und Migranten in Deutschland. Dem widerspricht die Partei: Die Präsentation habe sich auf die türkischen Angriffe auf kurdische Gebiete im November 2022 bezogen.

Ein weiterer Screenshot aus dem Video, zu sehen ist ein Mann, der durch die Scheibe schaut.
Ein Video, gefilmt durch ein Schaufenster, kursiert auf Telegram. Es zeigt einen Vortragsabend im Büro des Aachener Kreisverbands der Grünen. (Quelle: Telegram; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Grüne Jugend in Aachen organisierte Vortragsabend zur „türkischen Invasion“ in Nordost-Syrien

Am Ende des neun Sekunden langen Videos ist eine Aufschrift auf der Fensterscheibe erkennbar: Die Grünen in Aachen. Google Maps zeigt, dass das Video vor dem Büro des Aachener Kreisverbandes in der Franzstraße aufgenommen wurde.

Zwei Aufnahmen des Gebäudes aus jeweils einem anderen Winkel.
Aufnahmen bei Google Maps (rechts) belegen, dass das Video (links) in Aachen entstand (Quelle: Telegram / Google Maps; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Susanne Küthe, Geschäftsführerin des Grünen Ortsverbandes Aachen, schreibt auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck, man sehe auf dem Video eine Vortragsveranstaltung der Grünen Jugend im Dezember 2022. Das Thema sei die „Türkische Invasion in Rojava/Nordost-Syrien“ gewesen. Küthe schreibt auch: „Leider wurde diese eine Folie sehr lange während der Diskussion gezeigt und jemand hat von der Straße aus Bilder gemacht und sie (aus dem Kontext gerissen) ins Netz gestellt.“

Der damalige Geschäftsführer der Grünen Jugend Aachen war Stefan Krischer. Er bestätigt diese Darstellung. Man habe „gemeinsam überlegt, wie wir hier vor Ort, aber eben auch bundesweit aktiv werden können, um der türkischen Invasion in den kurdischen Gebieten etwas entgegensetzen zu können“. Als Beispiel für so eine Aktion nennt er Demonstrationen, an denen die Grüne Jugend damals teilnahm. Krischer schickt auch den Link zum Instagram-Beitrag der Grünen Jugend Aachen, der zu der Veranstaltung am 8. Dezember 2022 einlud – dort sei das Video entstanden. Der Titel des Abends: „Update zur Lage in Kurdistan“.

Nach einem Bombenanschlag in Istanbul im November 2022 griff die Türkei kurdische Gebiete im Irak und in Syrien an. Ankara machte die syrische Kurdenmiliz (YPG) und die von den USA und der EU als Terrororganisation eingestufte Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) für den Anschlag verantwortlich. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sprach von zivilen Opfern und einer „katastrophalen humanitären Krise“ in Nord- und Nordost-Syrien.

Redigatur: Kimberly Nicolaus, Steffen Kutzner