Nahost-Krieg: Nein, dieses Video belegt keine aktuelle Inszenierung von Opfern in Gaza
Angeblich zeige aktuelles Videomaterial, wie Menschen in Gaza Verletzungen inszenieren. Das stimmt nicht, die Aufnahmen stammen aus 2017 und zeigen laut einer Ärzteorganisation ein medizinisches Training.
„Willkommen in Pallywood“, schreibt ein X-Nutzer am 7. November 2023 und verwendet damit ein Schlagwort, das seit den Terrorangriffen der Hamas auf Israel und den israelischen Gegenschlägen in Gaza vermehrt auftaucht. „Pallywood“, ein Kofferwort aus Palästina und Hollywood, beschreibt die Unterstellung, Menschen in Palästina würden sich systematisch als Opfer inszenieren und Verletzungen oder Todesfälle nur vortäuschen.
Ein Video soll angeblich „neue Fälschungen“ belegen. Das steht in den Untertiteln zu einer Aufnahme, die der X-Nutzer teilt und die auch auf Tiktok kursiert. Es zeigt, wie Kinder und Erwachsene mit Kunstblut geschminkt werden. Auf Englisch steht im Video, die Bewohner von Gaza würden Wunden fälschen, um Mitleid zu erregen und Israel schlecht dastehen zu lassen.
Das stimmt nicht: Die Aufnahme entstand 2017 und hat nichts mit dem aktuellen Krieg im Nahen Osten zu tun. Zu sehen sind Make-Up-Künstlerinnen und -Künstler. Laut der französischen Ärzte-Organisation Médecins du Monde entstand die Aufnahme bei einem Training für Ärztinnen und Ärzte.
Video von geschminkten Menschen in Gaza stammt von 2017 und zeigt ein Projekt einer Medizin-Organisation
Das Video taucht seit Jahren immer wieder in verschiedenen Ländern auf. Je nach Qualität lässt sich im Video oben links das Logo des palästinensischen Senders Gazapost erkennen. Der veröffentlichte das Bildmaterial schon 2017 auf seinem Youtube-Kanal. Im Videotitel steht auf Arabisch, es gehe um „filmische Tricks“ und Kunst.
Dieser Beitrag ist mehr als doppelt so lang als jener Teil, der nun in Sozialen Netzwerken kursiert. Im Original von Gazapost geht es, laut Übersetzung des arabischen Transkripts, um „optische Täuschungen“ und den „Film- und Gesundheitsbereich“. Zu Wort kommt auch Mariam Salah, sie sei „Künstlerin“. Das Interview mit ihr fehlt in der gekürzten Version.
Der türkische Nachrichtensender TRT veröffentlichte ebenfalls schon 2017 einen Beitrag über die Make-Up-Künstlerin auf Youtube. Darin sind einige Menschen zu sehen, die auch in den anderen Videos vorkommen. Salah sei eine der wenigen Frauen in der palästinensischen Make-Up-Artist-Szene, heißt es in dem Beitrag. Sie habe sich auf Fake-Wunden spezialisiert und hoffe, irgendwann für Hollywood- und Bollywood-Produktionen schminken zu können.
Falsche Wunden waren laut Hilfsorganisation Teil eines medizinischen Trainings
Laut TRT sehe man ein Projekt der französischen Medizin-Organisation „Doctors of the world“. Im Video des Senders ist auf dem Rücken eines Mannes das Logo der französischen Organisation Médecins du Monde („Ärzte der Welt“) zu sehen. Außerdem ist ein Schild erkennbar, auf dem „Simulation“ steht.
Im TRT-Beitrag heißt es auch, es gehe bei dem Projekt darum, auf die Gefahren für die Menschen im Gaza aufmerksam zu machen. Auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck schreibt Djéné Diané, Sprecherin der Organisation aber: Die falschen Wunden seien nicht Teil einer Kampagne gewesen, sondern von Maskenbildnern als Teil einer medizinischen Ausbildungsübung von Médecins du Monde gemalt worden. Das Video sei 2017 entstanden und stehe in keinem Zusammenhang mit dem aktuellen Krieg in der Region.
Auch Make-Up-Künstlerin Salah bestätigte der AFP, dass das Video ein Training aus 2017 zeige.
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Redigatur: Paulina Thom, Kimberly Nicolaus