Faktencheck

Video zeigt keine inszenierten Verletzungen in Palästina, sondern Dreharbeiten für einen Kurzfilm

International kursiert ein Video, das angeblich zeigen soll, wie in Palästina Kriegsverletzungen für Medien und die Öffentlichkeit gefälscht werden. Doch die gestellten Szenen entstanden bei Dreharbeiten für einen Kurzfilm.

von Paulina Thom

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Dieses Video wurde unter anderem von einem israelischen Diplomaten mit der Behauptung geteilt, es zeige gefälschte Verletzungen von Palästinenserinnen und Palästinensern. Das stimmt nicht. (Quelle: X; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Video zeige, wie Verletzungen von Palästinenserinnen und Palästinensern inszeniert würden.
Bewertung
Falscher Kontext
Über diese Bewertung
Falscher Kontext. Das Video ist in Sidon, Libanon, und nicht in Palästina entstanden. Es zeigt Dreharbeiten für einen pro-palästinensischen Kurzfilm und belegt keine Inszenierung von Verletzungen.

„Vertraue niemals den Palästinensern“, schrieb ein Nutzer am 8. November 2023 auf X auf Türkisch über ein Video. Darin ist unter anderem zu sehen wie ein junges Mädchen, scheinbar mit Blut im Gesicht, auf einer Krankenbahre geschminkt wird. 

Das Video zeige, wie in Palästina Verletzungen gefälscht würden, schrieb der israelische Diplomat Ofir Gendelman auf X: „Pallywood wird erneut erwischt“. Knapp 25 Millionen Aufrufe verzeichnete sein Beitrag – inzwischen ist er gelöscht. Auch in deutschen Beiträgen in Sozialen Netzwerken ist das Video zu finden. 

Pallywood ist eine Kombination der Worte „Palästina“ und „Hollywood“. Seit den Angriffen der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und Israels Gegenangriffen kursieren vermehrt Beiträge mit diesem Begriff im Netz. Damit soll suggeriert werden, Bilder palästinensischer Opfer würden systematisch gestellt. 

Doch das Video belegt keine solche Inszenierung, sondern entstand bei Dreharbeiten für einen Kurzfilm.

Screenshot eines Beitrages mit der Behauptung auf X
Das Video, in dem ein junges Mädchen für Dreharbeiten im Libanon geschminkt wird, ist international im falschen Kontext verbreitet worden, wie etwa hier auf Türkisch (Quelle: X; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Das knapp einminütige Video zeigt verschiedene Szenen: Neben dem Mädchen auf der Krankenbahre (ab Sekunde 12) ist eine Demonstration mit Palästina-Flaggen zu sehen, gefolgt von Personen der Hilfsorganisation Roter Halbmond, die zu einem Verletzten rennen. Ab Sekunde 30 ist wieder das Mädchen auf der Bahre im Bild, sie wird von einem Mann geschminkt und lächelt später in die Kamera. 

Weitere Hinweise zeigen, dass es sich um gestellte Szenen handelt: Eine Kamera ist zu erkennen (Sekunde 2), ein Kind wirft Luftballons in die Luft (Sekunde 15), Pyrotechnik kommt zum Einsatz (Sekunde 28) und jemand spielt auf einer Violine (Sekunde 36). 

Video entstand hinter den Kulissen eines Kurzfilms 

Mit einem Screenshot aus dem Video stoßen wir über eine Bilderrückwärtssuche auf einen Instagram-Account eines Nutzers namens Rami Jardali. Laut der Profilbeschreibung ist er Schauspieler. Unter seinen Beiträgen findet sich am 29. Oktober 2023 dasselbe Video, das aktuell im Netz kursiert. Dazu heißt es auf Arabisch: „Hinter den Kulissen“ und „Realität“. In der Videobeschreibung sind Emojis für die libanesische und palästinensische Flagge. 

In einem anderen Beitrag des Nutzers ist ein kurzes Video zu sehen, in dem anfangs der Titel „The Reality“ („Die Realität“) eingeblendet wird. Es ähnelt dem aktuell kursierenden Video – die Schauspieler und die Umgebung sind identisch – es wurde jedoch aus einer anderen Perspektive gefilmt und sieht professionell aufbereitet aus. Es fehlen außerdem die Szenen, in denen das kleine Mädchen geschminkt wird. 

Am Ende des Videos steht eingeblendet aus dem Englischen übersetzt „Film von Mahmoud Ramzi“. Ramzi ist laut seinem Instagram-Account Regisseur und Kameramann, auch er hat das Video mit dem Titel „The Reality“ am 28. Oktober 2023 veröffentlicht.

Vergleich der Szenen hinter den Kulissen mit dem fertigen Kurzfilm
Links Szenen aus dem aktuell kursierenden Video, rechts Aufnahmen des Films „The Reality“ aus dem Libanon. Die Schauspieler und die Umgebung sind identisch. (Quelle: X / Instagram; Screenshots und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Video ist laut Regisseur im Libanon und nicht in Palästina entstanden

Wir haben bei zwei Schauspielern und dem Regisseur des Videos nachgefragt, wo und zu welchem Zweck das Video entstanden ist. Geantwortet hat uns der Schauspieler Rami Jardali. Er schrieb uns, die Aufnahmen seien hinter den Kulissen des Kurzfilms im Libanon entstanden. Der Film „verkörpere die Realität für die Sache Palästinas“.

Gegenüber mehreren Faktencheck-Redaktionen bestätigte auch der Regisseur Ramzi , dass die Aufnahmen bei Dreharbeiten seines Films in der Stadt Sidon im Libanon entstanden seien. Der Film solle einen Eindruck von dem Leid vermitteln, das die Menschen im Gazastreifen ertragen müssten. 

Anders als online behauptet, ist das Video kein Beleg für inszenierte Verletzungen. Wir fanden auch keinerlei Belege, dass der Kurzfilm dafür in Sozialen Netzwerken genutzt wird. 

Wir haben bereits mehrere solcher Behauptungen geprüft, die sich als falsch erwiesen haben. Satellitenaufnahmen dokumentieren zudem die Zerstörung in Gaza; es gibt zahlreiches authentisches Bildmaterial und Berichte zu zivilen Opfern in Gaza und Israel.

Alle Faktenchecks zu Falschmeldungen und Gerüchten zum Krieg im Nahen Osten finden Sie hier.

Redigatur: Max Bernhard, Uschi Jonas