Faktencheck

Bauernproteste ab 8. Januar: Keine Belege, dass Edeka, Lidl und Netto teilnehmenden Speditionen mit Kündigung drohten

Der Deutsche Bauernverband hat eine Protestwoche ab dem 8. Januar 2024 angekündigt, um gegen die geplanten Kürzungen von Subventionen für Landwirte zu demonstrieren. Auch einige Speditionen wollen sich anschließen. Online heißt es, Edeka, Lidl und Netto hätten den Speditionen mit Kündigung gedroht, falls sie protestieren. Dafür gibt es keine Belege, die Unternehmen dementieren.

von Paulina Thom

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Einige Speditionen wollen am 8. Januar 2024 unter anderem gegen die Erhöhung der LKW-Maut protestieren (Symbolbild: Bastian / Caro / Picture Alliance)
Behauptung
Edeka, Lidl und Netto hätten ihren Speditionen mit einer Kündigung gedroht, sollten sie sich am 8. Januar 2024 am Protest beteiligen.
Bewertung
Unbelegt. Edeka, Lidl und Netto dementieren, Speditionen bei einer Teilnahme am Protest mit Kündigung gedroht zu haben. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung spricht von einem „Fake“ und auch dem Bundesverband Logistik und Spedition sind keine Meldungen zu Kündigungsdrohungen der Supermarktketten bekannt.

Seit Mitte Dezember protestieren Landwirtinnen und Landwirte gegen den Haushaltsplan der Bundesregierung für 2024, der vorsieht, Subventionen für die Landwirtschaft zu kürzen. Die Ampel-Koalition will beispielsweise die Steuervergünstigung auf Agrardiesel schrittweise abschaffen. Der Deutsche Bauernverband hat zu einer Protestwoche ab dem 8. Januar 2024 aufgerufen. Auch einige Speditionen wollen sich laut Medienberichten daran beteiligen, sie stellen sich unter anderem gegen die geplante Erhöhung der LKW-Maut. 

Nun behauptet ein Tiktok-Nutzer in einem Video-Beitrag Anfang Januar 2024, die Supermarktketten Lidl, Edeka und Netto hätten ihren Speditionen mit einer Kündigung gedroht, sollten sie an den Protesten teilnehmen. Die Behauptung verbreitet sich mal als Video, mal als Bild auf X, Telegram und Facebook. Tausende Nutzerinnen und Nutzer teilten sie, einige rufen sogar zum Boykott der Supermärkte auf. Doch was ist dran an der Behauptung?

Screenshot des Tiktok-Videos und eines weiteren Beitrages mit der Behauptung
In einem Video auf Tiktok (links) behauptete ein Nutzer, Edeka, Lidl und Netto hätten ihren Speditionen mit einer Kündigung gedroht, sollten sie an den Protesten des Deutschen Bauernverbands teilnehmen. Auch als Bild (rechts) verbreitet sich die Behauptung, doch dafür gibt es keine Belege. (Quelle: Tiktok / Facebook; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Lidl, Edeka und Netto dementieren, Speditionen bei Bauernprotest-Teilnahme mit Kündigung gedroht zu haben

Der Tiktok-Nutzer stellt sich in seinem Video als Asterix vor und sagt, ihm sei die Nachricht über die angebliche Kündigungsdrohung von einer Spedition zugespielt worden. Wir haben den Nutzer kontaktiert und gefragt, woher seine Information stammt, doch er antwortete bislang nicht. Inzwischen ist sein Video auf Tiktok gelöscht. Die Pressestellen von Lidl, Edeka und Netto weisen die Vorwürfe auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck zurück. 

Das deckt sich mit den Angaben des Bundesverbands Logistik und Spedition (DSLV). Der Verband vertritt die Interessen der Speditions- und Logistik-Dienstleistungsbetriebe in Deutschland. DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster teilt uns auf Anfrage mit, dass die geplanten Protestaktionen überwiegend von kleineren Straßentransportunternehmen organisiert würden. „Die überwiegende Mehrheit unserer Mitgliedsunternehmen wird die gemeinschaftliche Demonstration mit den Landwirten nicht begleiten“, schreibt Huster. Zwar hätten Mitgliedsunternehmen vereinzelt gemeldet, dass mit Kündigungen gedroht worden sei – „die Namen Edeka, Lidl und Netto wurden dabei explizit nicht genannt“. 

Jens Pawlowski, Leiter des Hauptstadtbüros des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), sagt, dass auch bei ihnen keine Beschwerde über die Supermarktketten eingegangen sei. Die Behauptung über angebliche Kündigungsdrohungen von Edeka, Lidl und Netto bezeichnet er als „fake“. Der BGL beteiligt sich laut seiner Webseite an der Protestwoche des Deutschen Bauernverbands.

Protestwoche der Landwirtinnen und Landwirte von rechten Kreisen als „Generalstreik“ vereinnahmt

Die angekündigten Proteste der Bäuerinnen und Bauern ab dem 8. Januar 2024 hatten bereits im Dezember in Sozialen Netzwerken für Aufruhr gesorgt: Unter anderem rechte und rechtsextreme Gruppierungen sowie Teile der AfD propagieren dem Redaktionsnetzwerk Deutschland zufolge einen sogenannten Generalstreik. Auch in der Videobeschreibung des Tiktok-Nutzers stand dieser Begriff. 

Ziel eines „Generalstreiks“ ist es, zentrale Bereiche des öffentlichen Lebens lahmzulegen, um politische Forderungen durchzusetzen. In extremer Form kann aber auch – wie teilweise online gefordert – der Umsturz der Regierung das Ziel sein. Ein solcher „Generalstreik“ mit politischen Zielen ist laut einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags von 2006 in Deutschland nicht zulässig, es sei denn, Grundrechte oder die verfassungsmäßige Ordnung sind gefährdet. 

Der Deutsche Bauernverband distanzierte sich in einem X-Beitrag vom 23. Dezember 2023 von „extremen Randgruppen, die unsere Aktionswoche kapern wollen“ und von „Schwachköpfen mit Umsturzfantasien“. Man stehe für friedlichen und demokratischen Protest, heißt es weiter. Auch Jens Pawlowski vom BGL sagt, dass der Verband sich von jeglichen Aufrufen zu einem „Generalstreik“ distanziere und ausschließlich ordnungsgemäße Proteste unterstütze. 

Einzelne Protestaktionen von Landwirtinnen und Landwirten sorgten bereits für Kritik: Am 4. Januar 2023 bedrängte eine Gruppe Demonstrierender Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) und hinderte ihn daran, an einem Fähranleger in Schleswig-Holstein an Land zu gehen. Im Dezember 2023 wurden in mehreren Bundesländern Galgen aufgestellt, an denen Ampeln als Symbol für die Bundesregierung hingen. Der Deutsche Bauernverband distanziert sich von beiden Aktionen.

Redigatur: Steffen Kutzner, Kimberly Nicolaus