Europa

Gefälschtes Euronews-Video: Nein, französische Bauern bewarfen ukrainische Botschaft nicht mit Mist

Weil die ukrainische Botschaft die französischen Landwirte zum Ende ihrer Proteste aufgerufen haben soll, hätten diese das Botschaftsgebäude mit Fäkalien beworfen, heißt es online. Das soll ein Video des Senders Euronews belegen, das in Sozialen Netzwerken kursiert. Doch es ist gefälscht.

von Paulina Thom

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Bereits in der Vergangenheit wurde mit gefälschten Videos des Senders Euronews Stimmung gegen die Ukraine gemacht (Quelle: X; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Euronews habe in einem Video berichtet, dass französische Bauern die ukrainische Botschaft mit Fäkalien beworfen hätten, nachdem Botschaftsvertreter ein Ende der Proteste forderten. Dazu gebe es einen Brief der ukrainischen Botschaft und eine Reaktion vom Präsidenten des französischen Bauernverbands.
Bewertung
Manipuliert. Das Video ist gefälscht, der Sender Euronews hat so nie berichtet. Weder forderte die ukrainische Botschaft ein Ende der Bauernproteste, noch wurde sie mit Fäkalien beworfen. Auch der Brief der Botschaft und die Reaktion der Bauerngewerkschaft sind nicht echt.

Auf Facebook, Telegram, X und Tiktok kursiert international seit dem 10. Februar ein angeblicher Videobericht des Senders Euronews. Demzufolge soll die ukrainische Botschaft die französischen Landwirtinnen und Landwirte mit der Forderung verärgert haben, ihre Proteste gegen die Regierung einzustellen. „Französische Bauern bewarfen die ukrainische Botschaft mit Fäkalien“, schreiben Nutzerinnen und Nutzer zum Video. Auch Alina Lipp teilte es auf ihrem pro-russischen Telegram-Kanal „Neues aus Russland“, allein dort erreichte das Video mehr als 60.000 Aufrufe. 

In Frankreich protestieren Bäuerinnen und Bauern seit Wochen unter anderem gegen die Abschaffung von Agrardiesel-Subventionen, höhere Umweltauflagen und zu viel Bürokratie. Doch anders als im Video behauptet, hat die ukrainische Botschaft nicht per Brief ein Ende der Proteste gefordert.

Screenshots aus dem gefälschten Video
Dieses vermeintliche Euronews-Video soll zeigen, wie Bauern in Frankreich die ukrainische Botschaft mit Fäkalien bewerfen. Doch das ist falsch. Auch der angebliche Brief der Botschaft und das Zitat des Präsidenten des französischen Bauernverbands sind gefälscht. (Quelle: Facebook; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Was in dem gefälschten Video zu sehen ist: Ein angeblich offizieller Brief der ukrainischen Botschaft

In dem Video ist zunächst ein Gebäude zu sehen, das Traktoren mit Mist besprühen. Ab Sekunde 11 wird ein angeblich offizieller Brief der ukrainischen Botschaft eingeblendet. Darin steht laut den Untertiteln, die Botschaft „bereue“ die Bauernproteste gegen die französische Regierung und fordere die Bauern stattdessen auf, sich für „ihr Heimatland zu vereinen“. 

Auf den Brief folgt ab Sekunde 31 eine Sequenz die Arnaud Rousseau, den Präsidenten des französischen Nationalen Verbands der Bauerngewerkschaften („Fédération nationale des syndicats d’exploitants agricoles“ – kurz: FNSEA) zeigt. Ton ist dabei jedoch nicht zuhören. Stattdessen wird im Video ein Zitat eingeblendet: „Ich würde der Botschaft der Ukraine empfehlen, sich um die Ukraine zu kümmern. Ich würde den Leuten, auf deren Kosten ich seit zwei Jahren lebe, nichts raten. Die Ukraine hat kein Recht, irgendetwas von den Franzosen zu verlangen oder zu fordern. Behalten Sie Ihre Meinung für sich.“ 

Video ist laut Euronews eine Fälschung

Eine Bilder-Rückwärtssuche mit einem Ausschnitt aus dem Video führt zu keinem Bericht von Euronews. Auch Stichwortsuchen bei Google auf Englisch und Französisch liefern keine Berichte über Bauern, die die ukrainische Botschaft mit Mist beworfen hätten – weder von Euronews noch von anderen Medien. 

Stattdessen führt die Suche zu mehreren Faktenchecks, etwa von France 24, Logically Facts oder der AFP. Sie alle kommen zu dem Schluss: Das Video ist nicht echt. Gegenüber France24 erklärte Euronews, den Beitrag nicht produziert oder veröffentlicht zu haben. Der Sender sagte weiter, man sei im letzten Jahr auf weitere ähnliche Nachahmungen gestoßen.

Das gefälschte Video weist Ähnlichkeiten zu einer pro-russischen Desinformationskampagne auf, über die wir im September 2022 und im Juni 2023 berichteten. Die Akteure hinter der Kampagne imitieren seit 2022 internationale Medien und fälschen Regierungsdokumente mit dem Ziel, die Ukraine zu diskreditieren. Es ist nicht das erste Mal, dass wir über ein gefälschtes Euronews-Video berichten. 

Gebäude im Video ist gar nicht die ukrainische Botschaft

Anders als behauptet, zeigt die erste Sequenz im Video nicht die ukrainische Botschaft, sondern das Gebäude des Regionalrats Burgund-Franche-Comté in der Stadt Dijon, wie ein Vergleich auf Google Street View zeigt. Die Hausnummer und die Schilder sind identisch, ebenso die Treppe und die Flaggen an dem Gebäude. Die ukrainische Botschaft in Paris sieht anders aus und hat eine andere Hausnummer. 

Vergleich des Ratsgebäudes und des Gebäudes aus dem Video
Ein Vergleich zeigt, das Gebäude im Video (unten) ist das Ratsgebäude in Dijon (oben). Die Treppe vor dem Gebäude (gelbe Markierung), die Flaggen (pink) und die Hausnummer (rot) sind identisch. (Quelle: Google Maps / Telegram; Screenshot, Markierung und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Vor dem Ratsgebäude in Dijon demonstrierten Landwirtinnen und Landwirte laut Medienberichten bereits Mitte Dezember 2023. Demnach schütteten die Demonstrierenden Mist vor dem Regierungsgebäude aus und bewarfen die Fassaden mit Stroh. Die AFP fand auf X das Originalvideo vom 15. Dezember 2023. Darin ist der rote Traktor zu erkennen, der Stroh auf das Gebäude wirft. 

Oben das Originalvideo von Mitte Dezember 2023, unten die darauf aufbauende Fälschung
Oben das Originalvideo von Mitte Dezember 2023, unten die darauf aufbauende Fälschung. In beiden Aufnahmen ist der rote Traktor zu erkennen, auch die Gebäude im Hintergrund sind identisch. (Quelle: X / Telegram; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Brief der ukrainischen Botschaft im Video ist manipuliert

Der Brief der ukrainischen Botschaft, der im manipulierten Euronews-Video auftaucht, ist ebenfalls gefälscht. Er ist auf den 7. Februar 2024 datiert, doch auf der Webseite der ukrainischen Botschaft in Frankreich und auch sonst nirgendwo findet sich ein derartiger Appell. 

Die italienische Faktencheck-Redaktion Open Online hat zudem herausgefunden, dass die Unterschrift des derzeitigen ukrainischen Botschafters Vadym Omelchenko auf dem angeblichen Dokument nicht mit seiner tatsächlichen Signatur übereinstimmt. Das zeigt ein Abgleich mit einem offiziellen Brief des Botschafters von Juni 2023 an einen französischen Bürgermeister. 

Die Botschaft reagierte bis zur Veröffentlichung nicht auf unsere Anfrage, bestätigte aber mehreren Faktencheck-Redaktionen, dass es sich bei dem Dokument um eine Fälschung handele. 

Links die gefälschte Unterschrift des Botschafters Vadym Omelchenko, rechts seine tatsächliche Signatur aus einem offiziellen Brief
Links die gefälschte Unterschrift des Botschafters Vadym Omelchenko, rechts seine tatsächliche Signatur aus einem offiziellen Brief (Quelle: Telegram; www.neuillysurseine.fr / Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Zitat vom Präsidenten des französischen Bauernverbands ist frei erfunden 

Da es den Appell der ukrainischen Botschaft nie gab, kann es auch die Reaktion von Bauerngewerkschafts-Präsident Arnaud Rousseau nicht gegeben haben. Das bestätigt eine Stichwortsuche bei Google auf Englisch und Französich

Eine Anfrage von uns an die französische Bauerngewerkschaft blieb bis zur Veröffentlichung unbeantwortet. Ein Sprecher erklärte jedoch gegenüber der DPA, dass Rousseau die Äußerung nie getätigt habe. 

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Viktor Marinov, Matthias Bau

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Brief des ukrainischen Botschafters Vadym Omelchenko, 12. Juni 2023: Link (PDF, archiviert)