Nein, ein Bremer Auktionshaus versteigert keine russische Kunst zum Zerstören
Ein angebliches Video von Euronews berichtet über ein skurriles Angebot: Das Bremer Auktionshaus Bolland & Marotz habe eine Veranstaltung angekündigt, bei der man russische Kunst kaufen und zerstören könne. Ein Beweis für Russlandfeindlichkeit in Deutschland? Nein, der Nachrichtenbericht ist gefälscht.
Eine Auktion, bei der russische Kunstwerke erst gekauft und dann zerstört werden? Klingt befremdlich, doch angeblich soll ein Euronews-Bericht genau das belegen. Das Video verbreitet sich in Sozialen Netzwerken auf Deutsch, besonders stark jedoch auf Russisch. Auch der offizielle Telegram-Kanal von dem russischen Fernsehmoderator Wladimir Solowjow, der als wichtiger Propagandist des Kremls gilt, hat das Video auf Telegram veröffentlicht. Der Beitrag allein wurde mehr als 400.000 Mal gesehen.
Im Netz kursieren verschieden lange Versionen des angeblichen Berichts. Das längste Video – von den russischen Kanälen verbreitet – ist etwa eine Minute lang und zeigt verschiedene Kunstwerke und Szenen aus Auktionen. Oben rechts ist das Logo von Euronews eingeblendet. In englischen Untertiteln heißt es, das deutsche Auktionshaus Bolland & Marotz habe Kunstsammler eingeladen, an einer „einzigartigen Auktion“ teilzunehmen. Man könne auf russische Gemälde, Manuskripte und Antiquitäten bieten. Nach dem Kauf würden diese Werke öffentlich zerstört, der Erlös gehe an die ukrainischen Streitkräfte. „Für die zivilisierte Welt“, sei die Aktion eine Gelegenheit, „gegen die russischen Aggression in der Ukraine zu protestieren“.
Doch der angebliche Euronews-Beitrag ist eine Fälschung. Das bestätigen der Sender und das Auktionshaus Bolland & Marotz. Manche Sequenzen im Video stammen aus alten Nachrichtenberichten von 2010 und 2012. Die Untertitel mit der Behauptung wurden nachträglich hinzugefügt.
Euronews und das Auktionshaus Bolland & Marotz bezeichnen Video als Fälschung
Auf der Webseite des Auktionshauses Bolland & Marotz ist ein Statement zu dem kursierenden Video auf Deutsch, Englisch und Russisch zu sehen. Darin heißt es: „Im Internet und auf Social Media kursiert ein Video, das den Namen Bolland & Marotz in Verbindung bringt mit einer Auktion russischer Kunst. Bei diesem Video handelt es sich um einen Fake, eine Fälschung. Eine in dem Video beschriebene Auktion findet nicht statt. Bolland & Marotz distanziert sich entschieden von diesem Video und ist empört, dass unser Name dafür missbraucht wird“.
Das Auktionshaus verlinkt auch einen Euronews-Artikel vom 28. Oktober. „Das Video wurde nicht von Euronews produziert oder veröffentlicht, und eine solche Versteigerung ist auch nicht geplant“, heißt es darin. Das Video sei digital verändert worden und nutze Schriftart, Grafiken und Symbole von Euronews.
Schon die erste Szene zeigt nicht wie behauptet Bremen, sondern Münster
Schon in der ersten Szene des manipulierten Videos ist eine Falschbehauptung zu finden. Im Video heißt es, das Luftbild einer Stadt mit Kirche zeige Bremen. Eine Bilderrückwärtssuche führt jedoch zu Ergebnissen, die Münster und nicht Bremen zeigen. Ein Vergleich mit Satellitenbilder bestätigt den Verdacht: Das Luftbild zeigt den Dom in Münster und seine Umgebung.
Wie das Faktencheck-Team der AFP zeigte, handelt es sich auch bei weiteren Szenen aus dem Video um Aufnahmen, die nichts mit einer angeblichen Auktion in Bremen zu tun haben. Einige Sequenzen stammen demnach aus einer Reportage der Nachrichtenagentur AP über eine Auktion russischer Kunst in London im Mai 2012. Eine andere Szene zeigt Aufnahmen des britischen Auktionshauses Sotheby’s aus dem Jahr 2010.
Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine begegnet uns immer wieder das Narrativ, in Deutschland werde russische Kultur zerstört. Im September etwa kursierte die falsche Behauptung, in Bibliotheken in Dresden und Hamburg werde mit russischen Büchern geheizt.
Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.
Redigatur: Paulina Thom, Sophie Timmermann