Verfassungsschutz: Fake-Anzeige wirbt für Hinweistelefon „RechtsEX“, das es nicht mehr gibt
Vor Jahren warb das Bundesamt für Verfassungsschutz für ein Hinweistelefon zur Bekämpfung von Rechtsextremismus. In Sozialen Netzwerken kursiert seitdem eine gefälschte Anzeige voller Rechtschreibfehler, mit der zur „Mithilfe aller Bürger“ aufgerufen wird. Was steckt dahinter?
„Die Meinungsfreiheit wurde abgeschafft! Passen Sie auf, was Sie in der Familie, bei Freunden + Kollegen sagen“, warnt eine Nutzerin am 2. März 2024 in einem Facebook-Beitrag. Dazu teilt sie ein Bild mit dem Logo des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) – und zieht einen Vergleich zur Stasi in der DDR. Andere Nutzer verbreiteten das Bild mit Kommentaren wie „Was kann der Deutsche am Besten?? Denunzieren!“ oder „DDR 2.0 in Entfaltung“.
Die angebliche Anzeige wirbt für ein Hinweistelefon namens „RechtsEX“ und ruft dazu auf, „rechtsextreme verfassungsfeindliche Tendenzen“ im eigenen „Wohn- und Arbeitsumfeld“ zu melden. Geteilt wurde es im März 2024 in unterschiedlichen Sozialen Netzwerken – mehrere Leserinnen und Leser wiesen CORRECTIV.Faktencheck per Whatsapp und E-Mail darauf hin und wollten wissen, was dahinter steckt.
Das Bild kursiert schon seit Jahren: Mehrere Bildrückwärtssuchen und eine Suche nach dem Text der angeblichen Anzeige führen zu Beiträgen in Sozialen Netzwerken wie auf X, Facebook oder LinkedIn. Schon 2019 wurde es auch durch Blogs wie PI-News oder Pravda-TV verbreitet – auch der Kreisverband Bielefeld der AfD teilte es auf seiner Webseite mit der Überschrift „Spitzel gesucht“.
Aber bereits ein erster Blick auf den Text der angeblichen Anzeige für das Hinweistelefon macht stutzig: Das Bild steckt voller Rechtschreibfehler. So ist die förmliche Anrede „Sie“ mehrfach klein statt groß geschrieben, das Wort „Emailadresse“ wird nicht zusammengeschrieben und die Formulierung im „voraus“ wird groß geschrieben. Unter den Kontaktdaten, die auf dem Bild angegeben sind, war Anfang März 2024 zudem niemand zu erreichen – weder per E-Mail, noch telefonisch.
2019 gab es eine Hotline namens „RechtsEX“ – doch die angebliche Anzeige stammt nicht vom Verfassungsschutz
Im Oktober 2019 warb das Bundesamt für Verfassungsschutz auf seiner Webseite für das Hinweistelefon „RechtsEX“. Dort hieß es, das Hinweistelefon sei ein Werkzeug zur Extremismus- und Terrorismusbekämpfung. „Bitte missbrauchen Sie es nicht zur Denunzierung von Bürgerinnen und Bürgern“, hieß es in der Mitteilung. Ein Blick auf die Webseite „Internet Archive“, auf der sich Webseiten archivieren lassen, zeigt jedoch, dass die Seite mindestens seit dem 14. August 2020 nicht mehr verfügbar ist – und ein Aufruf in dem Wortlaut, wie der auf angeblichen Anzeige, ist dort nicht zu finden.
2020 legt das Bundesamt mehrere Hotlines zusammen
Laut einer Kurzmeldung auf der Webseite des Deutschen Bundestags vom 8. September 2022 wollte die AfD-Fraktion in einer Kleinen Anfrage wissen, ob die Hotlines des Verfassungsschutzes zu „Rechtsextremismus, Rechtsterrorismus, Reichsbürgern und Selbstverwaltern“ sowie zu „islamistischem Extremismus“ noch existieren beziehungsweise seit wann dies nicht mehr der Fall sei. Die Bundesregierung antwortete, dass seit dem 17. März 2020 ein allgemeines Hinweistelefon gegen Extremismus und Terrorismus in Betrieb sei. „Die Angebote […] wurden in das ‚Hinweistelefon gegen Extremismus und Terrorismus‘ für alle Phänomenbereiche des BfV überführt.“
CORRECTIV.Faktencheck hakte bei der Pressestelle des Bundesamts für Verfassungsschutz nach. Die antwortete, die Hotline mit dem Namen „RechtsEX“ habe vom 28. Oktober 2019 an das „Hinweistelefon islamistischer Terrorismus“ ergänzt. Am 17. März 2020 seien die Hotlines in ein allgemeines Hinweistelefon überführt worden.
Zu dem Bild, das in Sozialen Netzwerken kursierte, schrieb die Sprecherin: „Das Bild ist kein Bild des BfV und wurde nie vom BfV verwendet.“ Auch wir fanden dafür keine Belege. Zum Vergleich, der Wortlaut, mit dem Verfassungsschutz im Oktober 2019 für das Hinweistelefon warb, lautete auf X: „Hinweistelefon Rechtsextremismus/-terrorismus eingerichtet. Das Bundesamt für Verfassungsschutz verstärkt seine Aktivitäten zur Aufklärung und Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus kontinuierlich weiter.“
Redigaturen: Steffen Kutzner, Uschi Jonas